HEV 3/1998 Inhaltsverzeichnis


  Die Eigentumswohnung
 

     
    Retentionsrecht
Ein Stockwerkeigentümer zahlt die monatlichen Beiträge nicht mehr ein. Der Verwal-
ter der Stockwerkeigentümergemeinschaft gelangt mit der Frage an uns, ob die in der Wohnung befindlichen wertvollen Perserteppiche für die ausstehenden Beträge gepfändet werden können.
rz. Angesichts der Bedeutung, welche die Beiträge der Stockwerkeigentümer an die gemeinschaftlichen Kosten und Lasten sowohl für die Gemeinschaft als auch für deren Gläubiger besitzen, und weil die Stockwerkeigentümer nicht solidarisch für gemeinschaftliche Schulden haften, hat der Gesetzgeber ein Retentionsrecht vorgesehen. Dieses bezieht sich auf die in den Räumen einer Stockwerkeinheit befindlichen und zu deren Einrichtung und Benutzung gehörenden beweglichen Sachen.

Das in Art. 712 k ZGB geregelte Retentionsrecht steht der Stockwerkeigentümergemeinschaft zu. Für die Aufnahme der Retentionsurkunde ist das Betreibungsamt am Ort der Räume des säumigen Stockwerkeigentümers zuständig. Ermächtigt, die Aufnahme einer Retentionsurkunde zu begehren, ist der Verwalter sowie ein einzelner Stockwerkeigentümer, und zwar auf Beschluss der Mehrheit hin oder mit Bewilligung des Richters. Gegenüber dem Betreibungsamt muss die Forderung glaubhaft gemacht werden, d. h., es muss dargelegt werden, dass der betreffende Stockwerkeigentümer mit seinen Beiträgen im Rückstand ist.
Das Retentionsrecht der Gemeinschaft beschränkt sich auf die in den letzten 3 Jahren entfallenden offenen Beitragsforderungen. Für die Berechnung der Dreijahresfrist ist das Begehren um Verwertung der Retentionsobjekte bzw. die Konkurseröffnung über deren Eigentümer als Ausgangspunkt zu nehmen.

Gemäss Art. 712 k ZGB können nur bewegliche Sachen retiniert werden, die sich in den Räumen eines Stockwerkeigentümers befinden und zu deren Einrichtung oder Benutzung gehören. Keine retentionsfähigen Objekte bilden die vom Stockwerkeigentümer in seiner Einheit eingebauten und damit fest verbundenen Gegenstände sowie die Kompetenzgüter (Art. 92 SchKG: z. B. Kleider, unentbehrliche Möbel, Apparate, Hausgeräte, religiöse Erbauungsbücher und Kultusgegenstände).

Das Retentionsrecht kann seitens des nicht zahlenden Stockwerkeigentümers durch Leistung einer Sicherstellung (Wertschriften, Bargeld, Bürgschaft, Errichtung eines Schuldbriefs) abgewendet werden. Durch die Sicherstellung geht das Retentionsrecht unter. Erfolgt eine Sicherstellung erst nach Aufnahme der Retentionsurkunde, fällt das Retentionsrecht als solches jedoch nicht dahin. Vielmehr tritt die Sicherheitsleistung an die Stelle der Retentionsgegenstände und ist in der Retentionsurkunde aufzunehmen.

Will der nicht zahlende Stockwerkeigentümer retinierbare, jedoch noch nicht in das Retentionsverzeichnis aufgenommene Gegenstände fortschaffen, steht der Gemeinschaft ein Zurückbehaltungsrecht zu. Zur Durchsetzung dieses Rechtes kann die Gemeinschaft (Verwalter oder jeder einzelne Stockwerkeigentümer) die Hilfe des Betreibungsamtes oder der Polizei in Anspruch nehmen. In dringenden Fällen ist Selbsthilfe zulässig. Sind Gegenstände bereits weggeschafft worden, kann beim zuständigen Betreibungsamt (Ort der Liegenschaft) ein Begehren um Rückschaffung gestellt werden. Dieses hat innert 10 Tagen seit der Wegschaffung zu erfolgen. Der Zeitpunkt der Kenntnisnahme ist hingegen irrelevant.

Werden vom säumigen Stockwerkeigentümer Gegenstände nach der Aufnahme eines Retentionsverzeichnisses aus der Wohnung weggeschafft, können diese jederzeit zurückverlangt werden, da solche Handlungen rechtswidrig sind. Die Benutzung der retinierten Gegenstände in den Räumlichkeiten ist hingegen erlaubt.

Innert 10 Tagen seit Zustellung des Retentionsverzeichnisses ist die Betreibung auf Pfand-verwertung beim Betreibungsamt am Ort der Liegenschaft einzuleiten, ansonsten die retinierten Gegenstände aus dem Retentionsbeschlag fallen.
 
     

 

  Inhaltsverzeichnis