HEV 9/1998 Inhaltsverzeichnis


  Unser Garten
 

     
 
Gartenbesitzer haben verständlicherweise keine Freude gehabt an den von der Zentralstelle für Pflanzenschutz und Obstbau (Strickhof, 8315 Lindau, Tel. 052 354 98 11) aufgrund eines Beschlusses des Regierungsrates angeordneten Beseitigung bestimmter Pflanzen. Wir haben unsere Gartenfachleute deshalb über ihre Meinung dazu gefragt und geben hier eine der Stellungnahmen wieder:

Wie gefährlich ist Feuerbrand?

Gernot Grueber, Langnau am Albis


Feuerbrand ist eine seit bald 30 Jahren bekannte Bakterienkrankheit einiger Obst- und Ziergehölze aus der Rosenfamilie, zu denen auch die besonders gefährdeten Äpfel gehören.
Was neu ist an der Gefahr: Sie ist eine Bakteriose und als solche nicht mit herkömmlichen Pilzmitteln bekämpfbar. In Frankreich soll e erlaubt sein, Antibiotika (erfolgreich) einzusetzen. Hierzulande sind Antibiotika nicht erlaubt, weil sie (via Obstgenuss) immunisierend wirken könnten.
Die Krankheit wird übertragen durch Schnittwerkzeuge, insbesondere, wenn "Samstagsgärtner" ohne die nötigen Fachkenntnisse am Werk sind. Selbst der Verdacht auf Befalls ist meldepflichtig. Ausserdem werden die galertigen Erreger durch Bienen übertragen, da eine Blüten-Narbe (Bestäubungsorgan) sozusagen eine empfängnisbereite Öffnung und just zu jener Zeit der Feuerbrand virulent ist.
Daraus ist abzuleiten, dass viele Rosaceen (zu denen auch die grossblättrigen Cotoneaster gehören, z. B. der verbreitete 'Herbstfeuer') die gleichzeitig mit den Apfelbäumen blühen als Trägerpflanzen in Frage kommen. Befallen werden nebst den bereits erwähnten Cottoneaster salicifolius und seine Unterarten, Cotoneaster wardi Cornubia und Pendula, praktisch alle grossblättrigen Cotoneaster (die jedoch wegen geringerer Verbreitungsdichte keine so grosse Rolle spielen) Stranvaesia davidiana, Ebereschen, Weissdorn und rotblühender Weissdorn. Das sind grob jene Pflanzen, welche die Spitze der Befallstatistik anführen. Eine fast unbedeutende Rolle spielen unter normalen Umständen die kleinblättrigen, bodendeckenden Cotoneaster.
Ein allgemeiner Aspekt der Epidemologie: je dichter eine vom Befall bedrohte Population ist, umso grösser wird der Befalldruck.
Im Weiteren ist wichtig zu wissen, dass besonders Obstbauern, die sich aus der Kultur von Obst ernähren müssen, Interesse an geringem Befalldruck und daher an einer möglichst geringen Populationsdichte haben – insbesondere in bezug auf jene Pflanzen, welche die Spitze der Statistik anführen.
Hinzu kommt, dass ein Hagelwetter während der Virulenzphase tausende von Eintrittspforten verursacht und damit ein explosiver Ausbruch erfolgen kann. Man kann sich vorstellen, dass dann nicht nur die speziell gefährdeten (gleichzeitig blühenden) Arten, sondern ungleich viel mehr abgeräumt werden müsste. Mit den Verwundungen ist eine Gleichzeitigkeit gegeben, welche eine ganze Region über Nacht zum Katastrophengebiet machen kann.
Was die verantwortlichen Ämter und Gemeindeverwaltungen, bzw. deren ausgebildete Fachleute verlangen, ist gemessen an der tatsächlichen Gefahr eher bescheiden. Es mag dennoch im einzelnen Fall sehr schmerzlich sein. Die behördlichen Anordnungen sind eine Art Flucht nach vorne und sicherlich der ernstzunehmende Versuch, den Befalldruck zu senken und damit einer bezüglich dem Apfelanbau in der Schweiz auch volkswirtschaftlich bedeutsamen, schlimmeren Epidemie mit einschneidenderen Massnahmen zuvorzukommen.
Die Schweizer Baumschulen unterziehen sich schon seit Jahrzehnten einer jährlichen Feuerbrandkontrolle und beim kleinsten Befallanzeichen werden Bestände unnachsichtig gerodet, trotz der finanziell schmerzlichen Folgen. Die schlimmsten Befallträger im Bereich Zierpflanzen werden in Qualitätsbaumschulen nicht mehr gezogen oder verkauft.
 
     

 

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