HEV 12/1998 Inhaltsverzeichnis


  Eigentumswohnung
 

     
  Stimmrecht
rz. Der Eigentümer eines Mehrfamilienhauses, bestehend aus 6 Wohnungen, begründet an der Liegenschaft Stockwerkeigentum. Während 3 Wohnungen bzw. Stockwerkeinheiten verkauft werden, behält er die restlichen Einheiten für sich. Anlässlich der ersten Stockwerkeigentümerversammlung stellt sich die Frage, wieviele Stimmen er hat.

Das Stimmrecht gehört zu den unentziehbaren und unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechten im Stockwerkeigentum, denn es besteht nicht nur im Interesse der Beteiligten, indem es ihnen unmittelbar das Recht auf Teilnahme an der Willensbildung verleiht, sondern es ist auch für das Funktionieren einer Personenvereinigung unentbehrlich. Im Einzelfall kann ein Stockwerkeigentümer zwar auf die Ausübung seines Stimmrechts verzichten, z.B. indem er an der Versammlung nicht teilnimmt, jedoch kann es ihm auch mit seinem Einverständnis im voraus nicht entzogen werden.
Der Umfang und die Ausübung des Stimmrechts des Stockwerkeigentümers ergibt sich durch das Gesetz, den Begründungsakt und das Reglement. Findet sich weder im Begründungsakt noch im Reglement eine entsprechende Bestimmung, kommen also die gesetzlichen Vorschriften zur Anwendung. Der Gesetzgeber hat - mit Ausnahmen im Bereich der qualifizierten Beschlussfassung (Art. 647b Abs. 1, Art. 647d Abs. 1, Art. 712g Abs. 3 ZGB) - weder das Kopfstimm- noch das Wertquotenstimmrecht zwingend vorgeschrieben. Das Kopfstimmrecht entspricht hingegen am ehesten dem Wesen des Stockwerkeigentums und der Struktur der Stockwerkeigentümergemeinschaft, da die Stockwerkeigentümer eine auf ein bestimmtes Objekt bezogene Personengemeinschaft aus grundsätzlich gleichberechtigten Personen bilden. Daher ist auch im Stockwerkeigentumsrecht das Kopfstimmrecht die Regel für die Stimmenrechtsbemessung, jedoch nicht zwingend. Im Begründungsakt oder durch einstimmigen Beschluss im Rahmen einer Reglementsänderung kann eine andere Anordnung getroffen werden, z.B. eine Kombination von Kopf- und Wertquotenstimmrecht.
Grundsätzlich hat beim Kopfstimmrecht - Änderungen im Reglement vorbehalten - jeder Stockwerkeigentümer eine Stimme.
Sind mehrere Personen an einem Stockwerkeigentumsanteil gemeinschaftlich als Mit- oder Gesamteigentümer (Erbengemeinschaft, ehevertragliche Gütergemeinschaft, einfache Gesellschaft) dinglich berechtigt, steht ihnen nur eine Stimme zu, die sie einheitlich abzugeben haben, d.h. die Abgabe der Stimme erfolgt durch einen gemeinsamen Vertreter. Für die interne Willensbildung sind die Vorschriften des entsprechenden Gemeinschaftsverhältnisses (Eherecht, Erbrecht, Miteigentumsrecht etc.) massgebend.
Bei Vorliegen einer Nutzniessung und eines Wohnrechts erfolgt ebenfalls keine Spaltung der Stimmberechtigung bezüglich eines Stockwerkeigentumsanteils. Es bleibt den beteiligten Personen (Nutzniesser/Wohnberechtigter und Eigentümer) frei, untereinander zu bestimmen, wer die Stimme abgibt. Sie können also dem einen oder anderem die Befugnis zur Ausübung des Stimmrechts einräumen oder eine gemäss den einzelnen Traktanden aufgeteilte Stimmrechtsausübung wählen. Fehlt es an einer Verständigung zwischen dem Eigentümer und dem Nutzniesser/Wohnberechtigten, findet die subsidiäre gesetzliche Regelung von Art. 712o Abs. 2 ZGB Anwendung, wonach der Nutzniesser/Wohnberechtigte in allen Fragen der Verwaltung mit Ausnahme der bloss nützlichen oder der Verschönerung und Bequemlichkeit dienenden baulichen Massnahmen stimmberechtigt ist. Bei Abstimmungen über Einschränkungen der Nutzungsrechte sowie bei Zweckänderungsbegehren ist dagegen der Eigentümer stimmberechtigt.
Ist eine Stockwerkeinheit vermietet, so ist der Eigentümer alleine stimmberechtigt. Er kann jedoch einer Drittperson, z.B. seinem Mieter die Vollmacht erteilen, ihn an der Stockwerkeigentümerversammlung zu vertreten und das Stimmrecht auszuüben.
 
     

 

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