HEV 8/1999 Inhaltsverzeichnis


  Vom Liegenschaftenkauf
 

       
   
Reservationsverträge

rd. Wenn man ein schlüsselfertiges Haus kaufen möchte und sich dieses noch im Bau befindet, kann es gute Gründe dafür geben, dass der Verkäufer sich durch einen Reservationsvertrag absichern will. Schliesslich will er nicht andere Interessenten wegschicken und am Ende auf dem fertiggestellten Haus sitzen bleiben. Umgekehrt will der Käufer seine Haussuche mit der Sicherheit abbrechen, dass er das ausgewählte Objekt auch wirklich bekommt. In der Regel wird vereinbart, dass der Kaufinteressent eine Anzahlung leistet, welche er als sogenanntes Reuegeld verliert, wenn er den Kaufvertrag doch nicht eingehen will. Wie rechtsverbindlich ist das?

Bevor man irgendeine Zahlung vornimmt, gilt es, die Liquidität des Verkäufers zu überprüfen. Der Kaufinteressent sollte sich vergewissern, dass der Anbieter keine offenen Betreibungen hat und kann sich allenfalls auf der Gemeinde erkundigen, ob dieser bereits negativ aufgefallen ist. Vorsicht ist schon darum geboten, weil, wenn der Anbieter Steuern, Gebühren und Abgaben nicht bezahlt, der Erwerber Gefahr läuft, diese Kosten übernehmen zu müssen. Der Gemeinde gegenüber haftet er nämlich solidarisch dafür, und der Gemeinde steht zur Sicherung ihrer Forderung ein gesetzliches Grundpfandrecht zu. Ist man bereit, eine Reservationsvereinbarung zu unterschreiben und eine Anzahlung zu leisten, sollte man diese Summe auf ein Sperrkonto einbezahlen und sich vergewissern, dass das Geld auch verzinst wird.
Am wichtigsten bei der Vereinbarung eines Reservationsvertrages sind aber die Formvorschriften. Beim Reservationsvertrag handelt es sich nämlich um einen Vorvertrag und solche müssen generell den gleichen Formerfordernissen genügen, wie die Hauptverträge. Kaufverträge über Grundstücke müssen nicht nur schriftlich abgefasst und unterschrieben sein, sondern von einem Notar öffentlich beurkundet werden. Für die Kaufverträge findet sich diese Regelung der Form in Art. 216 Abs. 1 OR. In Abs. 2 der selben Bestimmung wird zudem ausdrücklich auf die Vorverträge Bezug genommen und speziell erwähnt, dass auch Vorverträge der öffentlichen Beurkundung bedürfen. Fehlt es an der öffentlichen Beurkundung (was in der Praxis sehr häufig der Fall ist), so ist die Reservationsvereinbarung nichtig, also rechtlich für beide Parteien gänzlich unverbindlich.
Die Unterschrift reicht also nicht aus, um die Vertragsparteien zu binden. Der Kaufinteressent kann trotz Unterschrift die Reservationszahlung verweigern, soweit er diese noch nicht entrichtet hat, und bereits entrichtete Zahlungen wieder zurückfordern. Er kann trotz zugesichertem Interesse und unterschriebener Reservationsvereinbarung vom geplanten Kauf Abstand nehmen, ohne Geld zu verlieren.
Häufig kommt es vor, dass ein Interessent zur Unterschrift gedrängt wird, bevor er bei der Bank die Finanzierung hat regeln können. Macht diese dann, trotz zunächst positiver Zeichen doch nicht mit, bleibt dem Interessenten in der Regel nur noch der Rücktritt von den Vertragsverhandlungen. Der Anbieter ist nun natürlich enttäuscht und möchte das Reuegeld bzw. die Konventionalstrafe behalten, weil er seine Suche ja praktisch wieder von vorne beginnen muss. Der Interessent kann die geleistete Anzahlung dennoch in der Regel vollumfänglich heraus verlangen.
Nach der Gerichtspraxis kann der Anbieter nicht geltend machen, der Interessent habe den Formmangel gekannt und könne sich deshalb nicht auf einen Irrtum bei der Bezahlung berufen. Der Grund dafür ist, dass die Geldleistung nicht zum Zwecke hatte, den Vorvertrag zu erfüllen, sondern geleistet wurde, damit ein künftiger Vertrag geschlossen wird. In der Sprache des Bundesgerichts: „Weil jedoch nicht die Erfüllung einer aktuellen Schuldpflicht, sondern der erwartete künftige Sachverhalt den Leistungsgrund darstellt, vermag diese Kenntnis (Kenntnis des Formmangels; rd) einen Rückforderungsanspruch nicht auszuschliessen." Hat der Interessent indessen die Formungültigkeit des Reservationsvertrages tatsächlich nicht erkannt, hat er sich über die Gültigkeit des Vertrags selber geirrt und kann sein Geld ohnehin zurückfordern.
Es ist trotzdem nicht ganz ausgeschlossen, dass ein Kaufinteressent bei der Missachtung einer formungültigen Reservationsvereinbarung schadenersatzpflichtig wird. Allerdings handelt es sich hierbei um einen Ausnahmefall. Die sogenannte 'culpa in contrahendo' ist ein juristisches Konstrukt, welches im Gesetz nicht geregelt ist. Sie besagt, dass es nicht zulässig sein kann, während den Vertragsverhandlungen, ohne jeden vernünftigen Grund, den Vertragspartner in seinem berechtigten Vertrauen auf einen künftigen Vertragsschluss zu enttäuschen und ihm so einen Schaden zuzufügen. Handelt ein Interessent arglistig und gaukelt dem unerfahrenen Anbieter beispielsweise vor, eine öffentliche Beurkundung sei gar nicht nötig, um sich später auf den Formmangel zu berufen, so handelt er rechtsmissbräuchlich. Er kann für den Schaden, welchen der Anbieter erleidet, zur Verantwortung gezogen werden. Das kann durchaus ein höherer Betrag sein als das Reuegeld.
Für die Rückforderung der Reservationszahlung gibt es natürlich eine Frist. Sie beträgt ein Jahr seit der Kenntnis, dass der Vertrag ungültig ist, jedoch maximal zehn Jahre seit der Entstehung des Rückforderungsanspruchs (Zeitpunkt der Zahlung).
Übrigens muss der Interessent, welcher damit einverstanden ist, dass der Notar oder ein Anwalt einen Kaufvertrag ausarbeitet, diesen im Rücktrittsfall für seine Aufwendungen immer entschädigen und zwar unabhängig von einem Reservationsvertrag. Nur am Rande sei sodann erwähnt, dass der Abschluss eines Werkvertrages zum Bau eines Hauses keiner öffentlichen Beurkundung bedarf und sogar bereits mündlich gültig ist. Hat man einen Werkvertrag abgeschlossen, so kann der Werkbesteller zwar jederzeit zurücktreten, muss aber den Unternehmer schadlos halten, also seine bisherigen Aufwendungen voll vergüten.
 
       

 

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