HEV 12/1999 Inhaltsverzeichnis


  Mietrecht
 
     
 
Was bedeutet "Geschäftsraum"?

ct. Die Frage, was ein Geschäftsraum im Sinne des Mietrechts ist, hat deshalb eminente Bedeutung, weil das Mietrecht zahlreiche Sondervorschriften für die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen enthält. Durch die Einführung der Begriffe der unbeweglichen Sache sowie der Fahrnisbaute, von möblierten Zimmern und gesondert vermieteten Einstellplätzen entstehen verschiedenartige Abgrenzungsprobleme. Das Gesetz regelt gewisse Rechtsfolgen bei Wohnräumen unterschiedlich zu Geschäftsräumen. Zu nennen sind unter anderem:
  • Kaution Wohnungsmiete max. 3 Monatsmieten (bei Geschäftsräumen keine Limitierung)
  • Uebertragung der Miete nur bei Geschäftsräumen
  • Verschiedene Kündigungsfristen
  • Retentionsrecht des Vermieters nur bei Geschäftsräumen
  • Unterschiedlich Erstreckungsdauer der Mietverhältnisse
In Anbetracht dieser unterschiedlichen Behandlung ist dem Begriff der Geschäftsräumlichkeit grosse Bedeutung beizumessen. Das Gesetz gibt keine Kriterien für die Definition, weshalb sich die Rechtsprechung in der Vergangenheit wiederholt mit Abgrenzungsfragen zu beschäftigen hatte.
Per definitionem ist als Geschäftsraum „jeder Raum zu betrachten, welcher vereinbarungsgemäss den Betrieb eines bestimmten Gewerbes oder der Ausübung einer bestimmten beruflichen Tätigkeit dient“ (z.B. Büros, Verkaufsräume, Werkstätten, Magazine und Lagerräume). Es ist somit nur der Raum erfasst, in welchem einer wirtschaftlichen Tätigkeit im weiteren Sinne (Erwerbstätigkeit) nachgegangen wird (Fabrikation, gewerbliche Tätigkeit, haupt- und nebenberufliche Tätigkeit kommerzieller, wissenschaftlicher und künstlicher Natur etc.). Die Geschäftstätigkeit muss zwar nicht gewinnbringend, aber grundsätzlich erwerbsorientiert bzw. gewinnorientiert sein. Im weitern muss es sich bei den Räumen um auf Dauer angelegte, vertikal und horizontal abgeschlossene Bereiche bzw. um ein mehr oder weniger geschlossenes Gebäude handeln. Das Bundesgericht hat die Raumeigenschaft etwa verneint für einen Abstellplatz in einer Tiefgarage sowie für ein nicht überbautes Grundstück, das für das Ausstellen und den Verkauf von Occasionsautos gebraucht wurde. In einem kürzlich ergangenen Entscheid des Bundesgerichts wurde der Hobbyraum als Geschäftsraum qualifiziert. Als Begründung wurde angeführt, dass auch jene Räumlichkeiten als Geschäftsraum erfasst werden, die tatsächlich dazu beitragen, dass der Mieter seine Persönlichkeit in privater und wirtschaftlicher Hinsicht entfalten kann. Dieser Entscheid blieb in der Lehre jedoch nicht ohne Kritik. Nicht Raumqualität kommt unüberbautem Land bzw. nicht mit Gebäuden versehene Bootsanlegeplätze, Lagerflächen, Parkplätze, Camping- und Sportplätze aller Art zu. Unüberbautes Land hat auch dann keine Raumqualität, wenn der Mieter Fahrnisbauten (Toiletten, klein Büros, Umkleidekabinen) aufstellt, solange der Mietgegenstand unbebautes Land ist. Andererseits kann eine Baracke ein Geschäftsraum sein, jedenfalls dann, wenn dies nach dem Willen der Parteien des Mietgegenstandes ist; zu denken ist an den Kiosk oder das Marroni-Haus.
Die vorstehende (natürlich nicht vollständige) Uebersicht über die reichhaltige Rechtsprechung zur Definition des Geschäftsraumes zeigt auf, dass ein eigentlich klarer und einfacher Begriff (Geschäftsraum) unnötig ausgedehnt wird und sich zum Teil vom gängigen Verständnis weit entfernt. Der Gesetzgeber täte gut daran, klare Kriterien für die Umschreibung des Geschäftsraumes aufzustellen und nicht sämtliche Streitfragen in diesem Zusammenhang der Praxis zu überlassen.
 
     

 

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