HEV 2/2000 Inhaltsverzeichnis

  Die Eigentumswohnung

       
    Das Stimmrecht der Stockwerkeigentümer

ct. Das Stimmrecht charakterisiert sich als Befugnis, an der gemeinschaftlichen Willensbildung der Stockwerkeigentümer mitzuwirken. Es gehört zu den unentziehbaren und unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechten, da es nicht nur im Interesse der Beteiligten deren Teilnahme an der Willensbildung sichert, sondern auch für das Funktionieren der entsprechenden Personenvereinigung unentbehrlich ist.

In welchen Angelegenheiten der einzelne Stockwerkeigentümer konkret stimmberechtigt ist, ergibt sich aus den der Stockwerkeigentümerversammlung durch Gesetz, Begründungsakt und Reglement eingeräumten Kompetenzen.
Für das Stimmrecht des Stockwerkeigentümers von Bedeutung ist die Bestimmung seiner Stimmkraft. Es geht dabei um das Gewicht seiner Stimme bei einem Beschluss. Dieses hängt von der konkreten Stimmrechtsbemessung in der betreffenden Gemeinschaft ab. Die Stimmkraft kann für einen Stockwerkeigentümer je nach dem unterschiedlich sein, ob z.B. nach Köpfen, nach Anteilen, nach Köpfen und Anteilen oder nach Anteilsgrösse abgestimmt wird.
Der Gesetzgeber hat mit wenigen Ausnahmen, auf die vorliegend nicht eingegangen wird, weder das Kopf- noch das Wertquotenstimmrecht zwingend vorgesehen; diesbezüglich steht den Beteiligten somit ein relativ weiter Gestaltungsspielraum offen. Die Stockwerkeigentümer bilden eine auf ein bestimmtes Objekt bezogene Personengemeinschaft aus grundsätzlich gleichberechtigten Personen. Da nicht die finanzielle Beteiligung im Vordergrund steht, soll ausgeschlossen werden, dass ein Einzelner mit grösserem Anteil der Gemeinschaft seinen Willen aufzwingen kann. Daher scheint das Kopfstimmrecht dem Wesen des Stockwerkeigentums und der Struktur der Stockwerkeigentümergemeinschaft am ehesten zu entsprechen.
Grundsätzlich steht somit jedem Stockwerkeigentumsanteil und damit dem daran Berechtigten eine Stimme zu. Die Bemessung des Stimmrechts nach Köpfen ist jedoch nicht zwingender Natur. Die nicht zwingende Natur des Kopfstimmrechts erlaubt es den Stockwerkeigentümern, Unterschiede im Wert der Anteile auch im Stimmrecht angemessen zu berücksichtigen. So können im Begründungsakt oder durch einstimmigen Beschluss im Reglement folgende Anordnungen getroffen werden:
  • Bemessung des Stimmrechts nach Stockwerkeinheiten: jede Einheit hat eine Stimme; Stockwerkeigentümer mit mehreren Einheiten haben demzufolge auch mehrere Stimmen;
  • Bemessung des Stimmrechts nach der Grösse der Anteils (Wertquote); auf das Kopfstimmrecht wird gänzlich verzichtet;
  • Bemessung des Stimmrechts nach Köpfen und Anteilen: Kopf- und Wertstimmen werden kumuliert.
In der Praxis am häufigsten vorgesehen ist das Stimmrecht nach Anteilen, das Wertquotenstimmrecht.
Die gesetzlichen Bestimmungen über das Stimmrecht sehen keine Beschränkung der Stellvertretung vor, da es in Angelegenheiten des Stockwerkeigentums kaum Tatsachen gibt, die wie in einem wirtschaftlichen Unternehmen geheimgehalten werden müssten. Der Stockwerkeigentümer kann daher sein Stimmrecht grundsätzlich durch eine Vertreter ausüben lassen. Bei Vorliegen einer rechtsgültigen Vollmacht nimmt der Stellvertreter die Stellung des Vollmachtgebers in der Versammlung ein. Eine Beschränkung der Vertretung muss grundsätzlich im Begründungsakt enthalten sein oder (zu einem späteren Zeitpunkt) durch einstimmigen Beschluss ins Reglement aufgenommen werden. Das Stockwerkeigentumsrecht enthält keine Anordnung darüber, wie weit das Vertretungsrecht konkret beschränkt werden darf. Ausgeschlossen ist jedoch das gänzliche Verbot der Vertretung; ebenso muss bei einer unzumutbaren Benachteiligung des Betroffenen eine Vertretung möglich sein.
Häufig wird der Verwalter als Vertreter bestimmt. Dies hat zwar den Vorteil, dass jeweils die Beschlussfähigkeit der Versammlung erreicht wird. Dieses Vorgehen bringt jedoch den Nachteil mit sich, dass der Verwalter in für ihn wichtigen Angelegenheiten bereits über einen Grossteil der Stimmen verfügt. Als zulässig wird daher erachtet, dem Verwalter im Reglement die Übernahme solcher Vertretungen entweder ganz zu untersagen oder zumindest nur in beschränktem Masse zu erlauben.
Das Gesetz lässt der Stockwerkeigentümergemeinschaft verhältnismässig viel Spielraum für eine individuelle Regelung des Stimmrechts. Von diesem Spielraum ist bei der Erstellung des Reglementes Gebrauch zu machen, um den spezifischen Gegebenheiten bei der konkreten Gemeinschaft Rechnung zu tragen. Meistens wird man sich über die Tragweite des Stimmrechts leider erst bewusst, wenn Probleme auftauchen. Dann ist es aber zu spät, da eine Änderung des Reglementes nicht einfach ist, erst recht nicht, wenn die Gemeinschaft zerstritten ist. Lassen Sie daher schon bei der Begründung des Stockwerkeigentums fachmännisch klären, welches Stimmrecht in welcher Situation für Ihre Gemeinschaft zweckmässig ist.
 
       

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