HEV 7/2000 Inhaltsverzeichnis

  Mietrecht

       
    Umfassende Überholungen
Kriterien des anzuwendenden Überwälzungssatzes

si. Ich habe die Fassade isoliert, das Dach überholt (inklusive Spenglerarbeiten) und die Küche komplett neu eingerichtet. Wieviel darf ich auf die Mieter überwälzen?

Gemäss Art. 14 VMWG (Verordnung über Miete und Pacht von Wohn-und Geschäftsräumen) gelten als Mehrleistungen des Vermieters:
Wertvermehrende Investitionen, die Vergrösserung der Mietsache, zusätzliche Nebenleistungen. Die Kosten umfassender Überholungen gelten in der Regel zu 50-70% als wertvermehrende Investitionen.
Rein werterhaltende Investitionen, die dem normalen Unterhalt der Sache dienen, sind grundsätzlich keine Mehrleistungen und können somit nicht auf den Mieter überwälzt werden, da der Vermieter gemäss Art. 256 Abs. 1 OR verpflichtet ist, die Mietsache in einem zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand zu erhalten.
Die normalen Unterhaltskosten sind somit im Mietzins inbegriffen. In der Praxis werden häufig gleichzeitig wertvermehrende und werterhaltende Investitionen vorgenommen. Es gilt daher eine Ausscheidung der beiden Kategorien anhand einer detaillierten Abrechnung vorzunehmen. Von diesem Grundsatz weicht der oben erwähnte Art. 14 Abs. 1 Satz 2 VMWG bei den sogenannten umfassenden Überholungen ab.
Der Zweck dieser Bestimmung ist es, Gebäuderenovationen zu fördern. Dem Vermieter soll mit der Pauschale ein Anreiz zu Investitionen zwecks Erhaltung der Bausubstanz und die Anpassung seiner Liegenschaft an den Stand der Zeit verschafft werden und die in der Praxis bei grösseren Sanierungen oft schwierige Aufteilung der Kosten in wertvermehrende sowie werterhaltende erleichtern.
Beim Begriff der umfassenden Überholung geht es somit vorab nicht um die Frage, in welchem Umfang eine durchgeführte Arbeit als wertvermehrend bzw. werterhaltend zu bewerten ist, sondern bloss darum, ob die Arbeiten ein bestimmtes Ausmass erreichen oder nicht.
Es sind dabei unter anderem die nachfolgenden Kriterien zu berücksichtigen:
Eine umfassende Überholung kann auch dann vorliegen, wenn ausschliesslich bedeutende Unterhaltsarbeiten, welche in Abständen von mehreren Jahrzehnten anfallen, vorgenommen worden sind.
Es müssen gleichzeitig mehre Teile einer Liegenschaft (Gebäudehülle oder Gebäudeinneres) betroffen sein. (Eine Minderheit der Lehrmeinung vertritt die Auffassung, dass bereits ein einzelner Bereich ausreicht.) Als grobe Faustregel kann gesagt werden, dass mindestens drei Teile (als Teile gelten etwa: Dach, Fassade, Spenglerarbeiten, Treppenhaus, Ersetzen der Fenster und/oder Läden, Ersetzen der sanitären Einrichtungen etc.) der Liegenschaft betroffen sein müssen.
Die Renovationskosten müssen im Verhältnis zu den Mietzinseinnahmen hoch sein, d.h. ein Mehrfaches der jährlichen Mietzinseinnahmen ausmachen.
Steht fest, dass Art. 14 Abs. 1 Satz 2 VMWG mit der Überwälzungspauschale zur Anwendung gelangt, stellt sich die Frage nach dem zu wählenden Prozentsatz innerhalb der Bandbreite von 50-70%. Dabei gelten folgende Kriterien:
  • der Umfang der ausgeführten Renovationsarbeiten. Je mehr erneuert bzw. renoviert wurde desto höher ist der zu wählende Prozentsatz.
  • das Verhältnis der Gesamtrenovationskosten zu den Mietzinseinnahmen. Je mehr diese Kosten ein Vielfaches der Mieteinnahmen ausmachen, desto eher wird man in Richtung 70% gehen.
  • der Zeitpunkt der letzten Renovation. Je weiter dieser zurückliegt, desto eher wird man gegen 50% gehen dürfen.
  • der zur Verzinsung des Kapitals eingesetzte Zinssatz. Ein im Verhältnis zum Mittel der vergangenen Jahre hoher Zinssatz sollte die Pauschale eher nach unten korrigieren.
Abschliessend sei noch erwähnt, dass die Formulierung „in der Regel“ eine Vermutung darstellt, welche im Einzelfall widerlegt werden kann. Mit anderen Worten: Falls die Parteien den entsprechenden Beweis erbringen, können Ansätze unter 50% bzw. über 70% zur Anwendung gelangen. Die Praxis zeigt jedoch, dass kaum je über 60% sehr oft aber weniger als 50% zugesprochen werden.
 
       

  Inhaltsverzeichnis