HEV 9/2000 Inhaltsverzeichnis

  Altlasten

       
   

Verdacht auf belastetes Grundstück - ein Beispiel

Was tun, wie vorgehen, wenn sich herausstellt, dass eine Liegenschaft im Altlasten-Verdachtsflächenkataster eingetragen ist, wenn also Verdacht auf eine Belastung in der Bausubstanz oder im Untergrund besteht? Je besser HauseigentümerInnen informiert sind über diesen Themenkreis, desto wirkungsvoller können sie das Problem angehen. Das folgende Beispiel aus der Praxis kann dazu einige Hinweise geben. Interviewpartnerin: Frau Rita Eichenberger, Leiterin der Verkaufsabteilung beim HEV Zürich.

«Frau Eichenberger, wie sind Sie darauf gestossen, dass zwei Liegenschaften in Zürich-Aussersihl im Altlasten-Verdachtsflä chenkataster eingetragen waren?»
«Die Eigentümerin hat uns mit dem Verkauf ihrer beiden älteren Liegenschaften im Kreis 4 (Baujahr 1931) an der Erismann- und an der Stauffacherstrasse in Zürich betraut, und zwar im Stockwerkeigentum. Es handelte sich um je acht 3- und acht 4-Zimmerwohnungen sowie Ladenlokale im Erdgeschoss. Alles lief bestens; die meisten Wohnungen der einen Liegenschaft waren schon verkauft, als bei einer der letzten die ZKB die Finanzierung nur mit einer Werteinbusse übernehmen wollte. Grund: Eintrag im Verdachtsflächenkataster. Massnahmencode B (Die Qualität des gefassten Wassers ist sofort zu untersuchen).»

«Wie kam es dazu, dass eine Abklärung in Auftrag gegeben wurde?»
«Der betreffende Käufer liess sich davon nicht beeindrucken und hat dann seinen Kredit bei einer ausserkantonalen Bank problemlos bekommen. Ängstlichere Interessenten wären aber in einem solchen Fall bestimmt vom Kauf zurückgetreten, davon bin ich überzeugt. Aber es galt immer noch, die Ladenlokale im Erdgeschoss sowie alle Wohnungen in der zweiten Liegenschaft zu verkaufen, und die Besitzerin wollte auf sicher gehen und keine späteren Probleme riskieren. Wir beauftragten deshalb in ihrem Namen ein darauf spezialisiertes Büro mit einer Voruntersuchung.»

«Was hat diese Abklärung ergeben?»
«Beide Liegenschaften liegen offenbar im Limmat-Grundwasserstrom, ca. 800 Meter von der nächsten Fassung entfernt. Der grund für die Eintragung im Altlasten-Verdachtsflächenkataster war die ehemalige "Grube Aussersihl, eine vermutete wilde Deponie. Es zeigte sich aber, dass das Haus an der Erismannstrasse völlig ausserhalb derselben liegt und somit nicht in den Verdachtsflächen-Kataster gehört. Die Liegenschaft an der Stauffacherstrasse tangiert mit einer kleinen Ecke des unbebauten Hofes den vermutlichen Rand des Grubengebietes. Dieser war durch frühere Untersuchungen im Zusammenhang mit einer andern Liegenschaft einigermassen bekannt. Die Abklärung mit zwei Kernbohrungen und zwei Rammsondierungen hat die Eigentümerin zwischen 10 - 15'000 Franken gekostet.»

«Welchen Einfluss hatten die Ergebnisse?»
«Nach mehrmonatiger Bearbeitungszeit des eingereichten Untersuchungsberichtes bekamen wir vom AWEL den Bescheid, dass die Liegenschaft Erismannstrasse aus dem Altlasten-Verdachtsflächen-Kataster gestrichen werden konnte, weil auf diesem Grundstück keine Belastungen vorhanden sind. Die Liegenschaft Stauffacherstrasse bleibt eingetragen, allerdings in der Massnahmen-Kategorie D (bei Neu-Überbauung abzuklären). Das hat uns überrascht. Das untersuchende Ingenieurbüro hatte auch für diese zweite Liegenschaft Streichung aus dem Kataster beantragt. Unter einer Ecke des nicht überbauten Hofes wurden aber in 20 bis 50 cm Tiefe sandige Kiese mit Glas- und Betonstücken und in ca. 5 m Tiefe Backsteine gefunden. Offenbar bedeutet das für die Fachleute, dass auch ein grösserer Bereich kontaminiert sein könnte.»

«Wie beurteilen sie diesen ganzen Fall zusammenfassend?»
«Die Tatsache, dass jetzt klare Verhältnisse vorliegen, gibt potentiellen Käufern der zweiten Liegenschaft und der Ladenlokale die Sicherheit, dass sie beim Haus an der Erismannstrasse nicht mit Kreditproblemen oder einer künftigen Abwertung wegen eines belasteten Standortes rechnen müssen.»

Um einige der hier aufgeworfenen Fragen zu klären, haben wir die zuständigen Fachleute des AWEL (Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft) um Beantwortung der folgenden Zusatzfragen gebeten:

«Mit welcher Bearbeitungsfrist ist für ein Gesuch um Entlassung aus dem Verdachtsflächenkataster zu rechnen?»
«Es muss heute mit einer Bearbeitungsfrist von etwa zwei Monaten gerechnet werden, sofern die eingereichten Unterlagen vollständig, nachvollziehbar und plausibel sind. Bei fehlenden oder ungenügenden Unterlagen ist die Bearbeitungsfrist nicht voraussagbar.»

«Stellt der aufgefundene Kies mit Glasscherben und Betonstücken eineGefahr für die Umwelt dar?»
«Einige wenige Glasscherben und Betonstücke stellen keine Gefahr für die Umwelt dar. Sie belegen aber, dass an der beprobten Stelle eine Ablagerung vorhanden ist. Erfahrungsgemäss sind fast alle Ablagerungen sehr heterogen. Sie enthalten in der Regel neben unverschmutztem Aushub kleinere bis grössere Anteile an Bauschutt, Bausperrgut, Schlacken, Hauskehricht sowie Industrie- und Gewerbeabfälle. Liegen Abfälle auf einem Grundstück, ist der Verkehrswert nicht mehr gegeben. Die Wertverminderung kann je nach Menge sehr klein bis sehr gross sein.»

«Wer übernimmt die Untersuchungskosten, wenn sich herausstellt, dass ein Grundstück nicht belastet und daher aus dem Kataster zu löschen ist?»
«Die bundesrätliche Altlasten-Verordnung verlangt, dass Ablagerungs-, Betriebs- und Unfallstandorte in den Kataster der belasteten Standorte aufzunehmen sind, wenn feststeht oder mit grosser Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass sie belastet sind. Der Bundesrat hat mit dieser Formulierung in Kauf genommen, dass einzelne nicht belastete Standorte eingetragen werden. Nach den Erfahrungen im Kanton Zürich sind weniger als 5% der eingetragenen Standorte nicht belastet. Wirklich feststellen lässt sich dies aber erst mit einer Altlasten-Voruntersuchung. Sie wird von spezialisierten Fachleuten durchgeführt und ist immer mit Kosten von einigen tausend Franken verbunden. Tatsächlich eine bittere Pille für Standortinhaber, die diese Kosten bezahlen müssen, um aus dem Kataster entlassen zu werden! Aber das soll sich ändern: Um die finanziellen Folgen von falschen Katastereinträgen zu mildern, ist auf Bundesebene geplant, mit einer Gesetzesänderung die Kosten für Altlastenvoruntersuchungen künftig dem Kanton zuzuweisen, wenn diese ergeben, dass der Standort schadstoffrei ist. Sobald diese Gesetzesänderung in Kraft ist, kann der Standortinhaber in solchen Fällen die Untersuchungskosten vom Kanton zurückfordern.»
 
       

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