HEV 11/2000 Inhaltsverzeichnis

  Mietrecht

     
  Zumutbarkeit von Erneuerungsarbeiten

ps. In einer sanierungsbedürftigen Liegenschaft möchte der Vermieter Fenster, Rolläden und Wohnungstüre sanieren. Eine ältere Mieterin, weigert sich konsequent, dem Vermieter Zutritt zur Wohnung zu gewähren, damit die Unterhaltsarbeiten vorgenommen werden können. Sie begründet dies mit ihrer gesundheitlichen Situation. Wie ist die Rechtslage?

Art. 260 OR stellt die Pflicht des Mieters auf, Änderungen, namentlich Umbauten am Mietobjekt zu dulden. Diese gesetzliche Verpflichtung des Mieters nimmt Punkt 5 der allgemeinen Bedingungen zum Mietvertrag für Wohnräume auf und regelt folgendes:
«Erneuerungen und Änderungen am Mietobjekt sind ohne Zustimmung des Mieters nur zulässig, wenn sie für den Mieter zumutbar sind und das Mietverhältnis nicht gekündigt ist. Vorbehalten bleiben die Mietzinsherabsetzungs und Schadenersatzansprüche des Mieters. Umbauten, Renovationen und Neuinstallationen sind dem Mieter rechtzeitig, in der Regel mindestens einen Monat vor Beginn der Arbeiten anzuzeigen.
Erhebliche bauliche Eingriffe oder Erneuerungsarbeiten, welche den Gebrauch der Mietsache beeinträchtigen oder eine Vertragsänderung (zum Beispiel Mietzinserhöhung) zur Folge haben, sind vier Monate im voraus mitzuteilen...»
Das Recht des Vermieters, trotz eines bestehenden Mietverhältnisses Erneuerungen an der Mietsache durchzuführen, kann ohne Zustimmung des Mieters oder gegen dessen Willen nur dann in Anspruch genommen werden, wenn zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
Die Erneuerung muss für den Mieter zumutbar und das Mietverhältnis darf nicht gekündigt sein.
Es stellt sich hiermit die Frage, ob eine konkrete Erneuerung dem Mieter zuzumuten ist. Man stellt dabei weder auf die subjektiven Empfindungen des Mieters noch dasjenige des Vermieters ab, sondern es kommt einzig darauf an, was ein vernünftiger und korrekter Mensch unter den gegebenen Umständen als zumutbar erachtet bzw. ob die geplanten Arbeiten dem Mieter unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des konkreten Vertragsverhältnisses zugemutet werden können.
Im konkreten Fall wird vom Arzt der Mieterin bestätigt, dass sie an chronisch paranoider Schizophrenie leidet und deshalb für die Mieterin die angedrohte Zutrittserzwingung zur Wohnung ein grösstmögliches , existentielles Bedrohungsereignis bedeuten würde und unzumutbar wäre.
Die Vorbringen dieser Tatsachen kann nicht als relevant betrachtet werden. Nicht die Krankheit der Mieterin ist für die vorliegend zu beurteilenden Frage der Zumutbarkeit der Erneuerungsarbeiten in der Wohnung ausschlaggebend, sondern es ist – wie vorstehend dargelegt – auf einen objektiven Massstab abzustellen. Das einzige für das Gericht relevante Kriterium war deshalb, ob ein Durchschnittsmieter die Erneuerungen als zumutbar erachten würde oder nicht. Es entschied deshalb, dass davon ausgegangen werden könne, dass die projektierten Renovationsarbeiten nach einem objektiven Massstab für die Mieterin zumutbar ist und bestimmte, dass der Vermieter das Recht hat, die von ihm geplanten Erneuerungsarbeiten gestützt auf Art. 260 Ab. 1 OR auch ohne Zustimmung der Mieterin oder sogar gegen deren Willen vorzunehmen.
 
     

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