HEV 12/2000 Inhaltsverzeichnis

  Altlasten

     
  Kostenklarheit ist ein Wert- und Marktfaktor!

Interview mit Claudio Baracchi, Leiter Geschäftsbereich Umwelt und Infrastruktur bei ABB Immobilien AG, Baden

In unserer Artikelserie zum Thema "Kataster belasteter Standorte" kommt diesmal ein Immobilien-Profi zu Wort, der es praktisch nur mit belasteten Standorten zu tun hat und zusammen mit seinen Teams entsprechend viel Erfahrungen sammeln konnte.

"Wie ist ABB Immobilien mit dem Altlasten-Problem konfrontiert worden?"
"ABB Immobilien als Tochtergesellschaft von ABB Schweiz erhielt anfangs der 90er Jahre zwei Schwerpunkt-Aufträge: Einerseits optimale Raumverhältnisse zu schaffen für die in der Schweiz tätigen ABB-Gesellschaften. Andererseits "Industriebrachen" auf ABB-Arealen zu veredeln, dafür neue Bauprojekte zu entwickeln und diese dann an Investoren zu veräussern. Diese Flächen waren durch den industriellen Wandel frei geworden. Weil sich Industrieland in Ballungszentren heute kaum noch verkaufen lässt, begannen wir schon früh, kreative und neuartige Umnutzungsprojekte zu entwickeln, in einem ganzheitlichen städtebaulichen Rahmen. Auf diesen Grundstücken war aber zum Teil über 100 Jahre lang industriell gearbeitet worden. Da mussten wir damit rechnen, dass Probleme mit Belastungen auftreten."

"Wie wurden die Probleme mit den belasteten Standorten angegangen?"
Schon bei den allerersten Umnutzungsprojekten stellten wir fest, dass Areale und Gebäudeteile verschmutzt waren. Wir entschlossen uns dann, dieses Problem aktiv anzugehen und nicht auf behördliche Interventionen zu warten. Bei allen künftigen Projekten wollten wir wissen, welche Belastungen vorlagen, denn diese haben ja Kosten-Auswirkungen auf die Grundstückspreise. Wir haben deshalb 1995 zusammen mit unseren Bau- und Umwelspezialisten eine Altlasten-Strategie ausgearbeitet. Darin war die heutige Altlasten-Verordnung in grossen Teilen schon vorweggenommen.

"Welchen Nutzen brachte Ihnen die systematische Untersuchung und die Sanierungen?"
Wir haben systematisch zuerst die historischen Untersuchungen gemacht, d.h. die Areal- und Betriebsgeschichte aufgearbeitet. Dann kam die technische Untersuchung mit Bohrungen und Beprobungen. Dabei haben wir sehr viel Know how angesammelt (bei über zwei Dritteln der mehr als eine Million m2 ABB-Industrieland in der Schweiz sind diese Untersuchungen abgeschlossen). Das hat uns vor allem wertvolle Kostensicherheit verschafft für laufende und kommende Umnutzungsprojekte. Wir wissen jetzt realistisch, was unser Land wert ist. Wir führen auch die nötigen Sanierungen als Totalunternehmer selber durch: Rückbau der Gebäude, Aushub und Entsorgung. So können interessierte Investoren Ihre Neubauten in einer unbelasteten Baugrube errichten. Die Kosten der Altlasten-Sanierung sind ein Teil des gesamten Anlage-Volumens.

"Hat dieses Vorgehen die Marktchancen der Projekte verbessert?"
"Ich denke, dass in Zukunft Kaufinteressenten für Bauland, Bauherren und Immobilienkäufer genau wissen wollen, ob der betreffende Standort belastet ist, und womit sie zu rechnen haben. Ab 2004 steht der Kataster der belasteten Standorte, und ich rechne damit, dass diese Belastungen auch im Grundbuch eingetragen werden. Wenn bei einem Grundstück oder einer Immobilie darüber noch Unsicherheit herrscht, werden sich Kaufinteressenten kaum die Finger daran verbrennen wollen. Mit unserer Altlasten-Strategie konnten wir den Investoren diese Ängste und die Sanierungsprobleme vollständig abnehmen. Das war sicher ein wesentliches Element des Erfolges, den wir mit unseren wertsteigernden Umnutzungs-Projekten verzeichnen können. Nach erfolgter Sanierung beantragen wir jeweils, dass die betreffenden Standorte aus dem Kataster entlassen werden."

"Was empfehlen Sie andern Immobilienbesitzenden aus dieser Erfahrung heraus?"
"Ich empfehle allen Grund- und Liegenschaftenbesitzenden, die, vielleicht auch erst in Zukunft, an Umbauen, Neubauen oder Verkaufen denken, eine Voruntersuchung zu machen, wenn Verdacht auf eine Belastung vorliegt. Beim ersten Schritt, der historischen Untersuchung, finde ich es durchaus sinnvoll, wenn Betriebe ihn selber machen: Die eigene Firmengeschichte und die noch vorhandenen Unterlagen über Vorgängerfirmen sammeln und sichten, das können sie selber doch am besten. Am sinnvollsten möglichst bald, solange die Archivbestände noch auffindbar sind und die Personen, die dabei waren, noch Auskunft geben können: Welche Handänderungen geschahen, was wurde damals produziert und gelagert usw. Ist das einmal festgehalten und aufgelistet, bietet es eine gute Grundlage für die technische Untersuchung. So lässt sich auch ein Teil der Kosten einsparen. Auf jeden Fall haben unsere langjährigen Erfahrungen gezeigt: Es empfiehlt sich und lohnt sich, selber aktiv zu werden, mit einem Spezialisten zusammen Lösungen zu erarbeiten und dann die Kooperation der zuständigen kantonalen oder kommunalen Behörden zu suchen."
 
     

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