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Ein gutes
neues Jahr (-tausend)! Nun hat es ja
wirklich begonnen, das neue Jahrtausend, von dem bereits vor einem Jahr alle
Welt geredet hat. Was wird es unserem Land bringen?, was uns selber? Die
Schweiz geniesst im internationalen Vergleich eine beachtliche politische
Stabilität, was von Kritikern oft mit Schwerfälligkeit gleichgesetzt
wird. Dies zu unrecht, obschon unser politisches System doch eher zur
komplizierteren Art gehört. Die Schweizer Wirtschaft profitiert seit
einiger Zeit vom Aufschwung, die Arbeitslosenzahlen sind auf Werte gesunken,
von denen andere Länder nur träumen. Selbst die Bundesfinanzen kommen
allmählich ins Lot, und die Ausgabenfreudigkeit der Konsumenten erreicht
so hohe Werte, wie sie letztmals 1989 beobachtet wurden.
Alles bestens also? Sicher wäre es verfehlt,
in Pessimismus zu verfallen bei der Betrachtung der Schweiz an der Schwelle zum
dritten Jahrtausend. Es geht uns Schweizerinnen und Schweizern wirklich nicht
schlecht. Einige gewichtige Herausforderungen stehen uns aber in den
nächsten Jahren dennoch bevor. Die Bundesfinanzen kommen aller Voraussicht nach bald in die
schwarzen Zahlen. Im Gleichschritt dazu werden allerdings auch die
Begehrlichkeiten wieder anwachsen. Zwei Dinge müssen deshalb vermieden
werden: Erstens darf das Ziel nicht sein, möglichst viele
Partikularinteressen auf Kosten des Staates und damit der Steuerzahler zu
befriedigen. Vielmehr muss das Ziel in Zeiten wachsender Staatseinnahmen sein,
sowohl die Schulden wie die Steuer- und Staatsquote zu senken. Zweitens
dürfen die Verteilkämpfe um Subventionsmillionen nicht zu einer
Spaltung des Landes in lauter verschiedene Interessen- und Anspruchsgruppen
führen, die dauernd neue Begehrlichkeiten anmelden und keine der anderen
etwas gönnt. Das würde den Zusammenhalt der Schweiz wirklich
gefährden. Die Frage des
Frühenglisch hat in den letzten Monaten die Gemüter in unserem
mehrsprachigen Land in Wallung gebracht. Wenn einzelne Kantone der englischen
Sprache gegenüber dem Französisch mehr Gewicht beimessen, dürfen
das unsere welschen Compatriots nicht als Affront gegen ihre Sprachgruppe
sehen, sie verhalten sich nämlich gleich. Das Englische ist aus der
modernen Welt nicht mehr wegzudenken. Allerdings sollen aber Französisch
und Deutsch als zweite Landessprachen ihren Stellenwert behalten: Der
Zusammenhalt in der Schweiz hängt nicht unwesentlich davon ab, dass sich
Schweizer beidseits der Sprachgrenze einigermassen verstehen. In welcher
Sprache das geschieht, ist eher sekundär. Eine weitere Streitfrage, welche die Schweiz in zwei
gegensätzliche Lager spaltet, ist die Europafrage. Die Ratifizierung der
Bilateralen Verträge in den EU-Mitgliedstaaten dauert nun doch länger
als ursprünglich erhofft, und schon steht in der Schweiz der nächste
europapolitische Urnengang an: Am 4. März kommt die Volksinitiative "Ja zu
Europa" zur Abstimmung, welche die unverzügliche Aufnahme von
EU-Beitrittsverhandlungen verlangt. Man kann über unsere Beziehungen zu
Europa geteilter Meinung sein, und erst recht zur integrationspolitischen
Ungeduld der "Euroturbos". Gescheiter wäre auf jeden Fall gewesen, das
Thema EU-Beitritt eine Zeit- lang ruhen zu lassen. Zu recht wird
die chancenlose Abstimmung vom kommenden März als Beitritts-Zwängerei
und unnötige Provokation empfunden, die dem Annäherungsprozess mehr
schadet als nützt. Die Schweiz hat
eine politische Kultur, die gekennzeichnet ist von oftmals mühsamer
Konsenssuche, vom Einbezug unterschiedlicher Sichtweisen und vom Ausgleich
unterschiedlicher Interessen. Damit hat sie seit mehr als 150 Jahren gute
Erfahrungen gemacht und es gibt kaum ersichtliche Gründe, von diesem
bewährten Rezept Abstand zu nehmen. Das haben auch diejenigen Parteien und
Gruppierungen zu berücksichtigen, welche die Zauberformel aufkündigen
wollen, und jene, die von einem Oppositionssystem schwärmen. Sie haben
wenig begriffen von den politischen Zusammenhängen in unserem
Land. Ich wünsche mir für das
neue Jahrtausend, dass es uns immer wieder gelingt, mit Menschen ins
Gespräch zu kommen, die nicht die gleiche Sprache sprechen, die nicht die
gleichen Vorstellungen von unserer Gesellschaft haben und auch nicht partout
unsere politischen Ideen teilen müssen. Wenn wir trotz inhaltlicher
Gegensätze gemeinsam zu guten Lösungen für unser Land kommen,
weil wir die gleiche politische Kultur haben und das Bestreben, Lösungen
und nicht Ideologien in den Vordergrund zu stellen, dann haben wir
Entscheidendes für die Schweiz von morgen getan. In diesem Sinn wünsche ich unserer
Hauseigentümerfamilie und allen Leserinnen und Lesern ein gutes neues Jahr
(-tausend)! |
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