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Wie wäre
es mit einer Strauchpfingstrose? *
Barbara Scalabrin-Laube
Wenn ich im Mai über
fremde Gartenzäune blicke, mich an der Pflanzenvielfalt freue und sehe,
wie jeder Garten ein anderes, eigenes Gesicht hat, fällt mir auf, wie
selten Strauchpfingstrosen gepflanzt werden. Ich frage mich, weshalb «die
Königin aller Blumen», wie sie in China heisst, so selten einen
Platz in unsern Gärten bekommt, ist sie doch verglichen mit den Rosen sehr
pflegeleicht, denn sie wird nicht von Schädlingen befallen und von den
Schnecken gemieden. |
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Es gibt
verschiedene Gründe, weshalb man mindestens eine Strauchpfingstrose
pflanzen sollte: Mich fasziniert z.B.die Geschichte ihres botanischen Namens
Paeonia:Paeon, ein Schüler des griechischen Gottes für Heilkunst,
Asclepius, entdeckte die Paeonien an den Hängen des Olymp, nachdem ihm
Leto, die Mutter Apollos, den Standort verraten hatte. |
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Er heilte mit der Pflanze den
nach einem Kampf mit Herkules verwundeten Pluto. Doch statt auf den Erfolg
seines Schülers stolz zu sein, reagierte Asclepius mit Eifersucht und
liess seinen Schüler töten. Pluto hingegen, voller Dankbarkeit,
verwandelte Paeons Leiche in die Pflanze, mit welcher er geheilt worden war.
Sie erhielt den Namen Paeonia. Wenn Sie nun denken, dass Sie sich durch diese
brutale Göttergeschichte kaum zum Kauf einer Strauchpfingstrose
verführen lassen, dann zieht Sie vielleicht die Heilkraft der Pflanze an:
In Europa wurde zwar vor allem den Wurzeln und Samen der staudigen Pfingstrose
(Paeonia officinalis) Heilkraft nachgesagt. Sollten Sie aber die bis über
einen Zentimeter grossen, schwarz glänzenden Samen der Strauchpaeonie in
der Hand halten, werden Sie sicher verstehen, dass diese auf Schnüre zu
Ketten aufgezogen vor das Haus gehängt wurden, um damit böse Geister
zu vertreiben. Auch sollen solche Ketten kleinen Kindern um den Hals gelegt
worden sein, wenn sie zahnten oder unter Bauchkrämpfen litten. Das
getrocknete Pulver der Samen wurde für Infusionen gegen Epilepsie und
Cholera verwendet. Heutige Wissenschafter haben die Pflanze untersucht und in
den holzigen Arten der Paeonie entzündungshemmende, krampflindernde und
schmerzlindernde Wirkstoffe gefunden. |
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Möglicherweise sagen Sie jetzt, dass Sie keine bösen
Geister vertreiben müssen, sich Diebe kaum von einer Paeoniensamenkette
fern halten lassen und Sie lieber auf die Schulmedizin vertrauen, als
Paeonienpulver selber aufzukochen. Trotzdem bin ich überzeugt, dass diese
Gehölze jeden Gärtner und jede Pflanzenfreundin wegen ihrer
Schönheit begeistern: |
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Schon im März besuche
ich unsere Strauchpfingstrosen, schneide die im vergangenen Herbst nicht
ausgereiften und abgestorbenen Endtriebe ab und freue mich über die
rötlichen Austriebe und die schon sichtbaren Blütenknospen. Dabei
frage ich mich jedes Jahr erneut, ob die zarten Triebe eine klare Frostnacht
überstehen werden. Die Angst war bis jetzt unbegründet; wir hatten
noch nie Spätfrostschäden an den Strauchpaeonien. Im Mai fängt
die Blütezeit der Strauchpfingstrosen an.Die saftig- bis dunkelgrünen
Blätter, welche denen der andern Pfingstrosen sehr ähnlich sind,
haben schon ausgetrieben. Die spitzen Blütenknospen sind prall. Meist
erfreuen mich die goldgelben, einfachen Blüten der Paeonia lutea var.
ludlowii als erste. Der Strauch wächst bei uns in halbschattiger Lage und
ist etwa zwei Meter hoch. Fast gleichzeitig blüht die Paeonia rockii. Sie
hat grosse, halbgefüllte, weisse Blüten mit magentaroten Flecken auf
den Blütenblättern und goldgelbe Staubfäden. Unter Sammlern
scheint sie sehr gesucht zu sein. Unser amerikanisches Exemplar ist nach sieben
Jahren ein Meter hoch. Bis Ende Mai erblühen täglich neue
Strauchpfingstrosen für ein bis zwei Wochen. Bewundere ich an einem Tag
die verschiedenen Rosa- und Rottöne der meist gefüllten Blüten
der Sorten der Paeonia suffruticosa, sind es am nächsten Tag die
einfachen, nickenden, dunkelroten Blüten der Paeonia delavayi.
Wunderschön ist die Paeonia «Traum» mit weissen,
gefüllten Blüten. Da Strauchpaeonien vor allem in China, Japan,
Amerika und Frankreich gezüchtet wurden, haben wir Pflanzen mit sehr
verschiedenen Namen wie z.B. «Ezra Pound», «Reine de
Portugal», «Godaishu», «Taisho-no-hokori»,
«Vesuvian» und «Gauguin» in unserm Garten. Es ist
allerdings nicht ganz einfach, Strauchpaeonien mit Sortennamen im Handel zu
finden. Das mag für die Sammlerin und den Sammler enttäuschend sein.
Aber ab Anfang Mai findet man viele kleine Sträucher mit einer ersten
Blüte im Handel und kann sie dann dem eigenen Geschmack entsprechend
auswählen. Neben den Blüten gefallen mir die Blätter, welche
sich im Herbst rotgrün färben. Auch die Fruchtstände sind sehr
dekorativ, und die Samen sollen sogar essbar sein. Da bekanntlich im
Mittelalter Gewürze rar und teuer waren, wurden Paeoniensamen zum
Würzen von Fleischgerichten empfohlen. Ich habe es selber noch nie
ausprobiert, aber ein Ragout mit schwarzen Paeoniensamen wäre sicher eine
raffinierte Neuheit in der Gastronomie. Unsere kleine Hündin verschlingt
die Samen der Paeonia lutea var. ludlowii als besondere Delikatesse, alle
andern hingegen beachtet sie nicht! Mich interessieren die Samen allerdings
nicht zum Essen, sondern zum Säen. Da sich die ver- schiedenen Wildformen
sehr leicht kreuzen, ist es spannend, zu erfahren, wie die «Söhne
und Töchter» blühen. Es braucht etwas Geduld, bis das Geheimnis
sich löst, sind doch alle Paeonien Frostkeimer und brauchen mindestens
einen Winterschlaf im Freien, bevor sie überhaupt keimen. Manchmal dauert
es auch zwei bis drei Winter, bevor sich etwas regt. Die junge Pflanze
blüht im zweiten, meistens erst im dritten Sommer. Ein Versuch lohnt sich
trotz der langen Wartezeit von bis zu sieben Jahren, denn die neuen Pflanzen
können überraschend attraktiv sein. Strauchpaeonien gelten
fälschlicherweise als heikel und nicht ganz winterhart. An den
Naturstandorten in China sind sie im Winter Wind und Kälte und im Sommer
der Trockenheit ausgesetzt und wachsen in höheren Lagen. In unserm Garten
haben sich sonnige bis halbschattige Standorte mit durchlässigem, humosem
Boden bewährt. Die Wildarten sind noch nie von der Paeonienwelke (Botrytis
paeoniae) befallen worden, welche durch einen Pilz verursacht wird. Hingegen
werden ab und zu einzelne Triebe der veredelten Sorten der verschiedenen
Paeonia suffruticosa von einem Tag auf den andern welk. Ich schneide die
befallenen Triebe ab und verbrenne sie.Vorsorglich kann man die Sträucher
im März mit einem systemischen Fungizid spritzen. Besser ist es, wenn man
die neuen Pflanzen tief genug in gut vorbereiteten, nahrhaften alkalischen bis
neutralen Boden setzt, so dass die Veredelungsgstelle etwa zehn Zentimeter
unter der Oberfläche liegt. Sollte ich einige Leserinnen und Leser zum
Kauf einer Strauchpaeonie verführt haben, freut es mich. Erschrecken Sie
nicht ob dem hohen Preis, welcher durch die aufwändige Kultivierung
bedingt ist. Das Gehölz hat normalerweise eine hohe Lebenserwartung und
braucht wenig Pflege, sodass sich der Preis auszahlt.
* Cottage Garten, 8453
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