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HEV 04/2001 Inhaltsverzeichnis
Unser Garten

Wie wäre es mit einer Strauchpfingstrose?
* Barbara Scalabrin-Laube

Wenn ich im Mai über fremde Gartenzäune blicke, mich an der Pflanzenvielfalt freue und sehe, wie jeder Garten ein anderes, eigenes Gesicht hat, fällt mir auf, wie selten Strauchpfingstrosen gepflanzt werden. Ich frage mich, weshalb «die Königin aller Blumen», wie sie in China heisst, so selten einen Platz in unsern Gärten bekommt, ist sie doch verglichen mit den Rosen sehr pflegeleicht, denn sie wird nicht von Schädlingen befallen und von den Schnecken gemieden.

  Paeonia Es gibt verschiedene Gründe, weshalb man mindestens eine Strauchpfingstrose pflanzen sollte: Mich fasziniert z.B.die Geschichte ihres botanischen Namens Paeonia:Paeon, ein Schüler des griechischen Gottes für Heilkunst, Asclepius, entdeckte die Paeonien an den Hängen des Olymp, nachdem ihm Leto, die Mutter Apollos, den Standort verraten hatte.  
 

Er heilte mit der Pflanze den nach einem Kampf mit Herkules verwundeten Pluto. Doch statt auf den Erfolg seines Schülers stolz zu sein, reagierte Asclepius mit Eifersucht und liess seinen Schüler töten. Pluto hingegen, voller Dankbarkeit, verwandelte Paeons Leiche in die Pflanze, mit welcher er geheilt worden war. Sie erhielt den Namen Paeonia. Wenn Sie nun denken, dass Sie sich durch diese brutale Göttergeschichte kaum zum Kauf einer Strauchpfingstrose verführen lassen, dann zieht Sie vielleicht die Heilkraft der Pflanze an: In Europa wurde zwar vor allem den Wurzeln und Samen der staudigen Pfingstrose (Paeonia officinalis) Heilkraft nachgesagt. Sollten Sie aber die bis über einen Zentimeter grossen, schwarz glänzenden Samen der Strauchpaeonie in der Hand halten, werden Sie sicher verstehen, dass diese auf Schnüre zu Ketten aufgezogen vor das Haus gehängt wurden, um damit böse Geister zu vertreiben. Auch sollen solche Ketten kleinen Kindern um den Hals gelegt worden sein, wenn sie zahnten oder unter Bauchkrämpfen litten. Das getrocknete Pulver der Samen wurde für Infusionen gegen Epilepsie und Cholera verwendet. Heutige Wissenschafter haben die Pflanze untersucht und in den holzigen Arten der Paeonie entzündungshemmende, krampflindernde und schmerzlindernde Wirkstoffe gefunden.

 
  Möglicherweise sagen Sie jetzt, dass Sie keine bösen Geister vertreiben müssen, sich Diebe kaum von einer Paeoniensamenkette fern halten lassen und Sie lieber auf die Schulmedizin vertrauen, als Paeonienpulver selber aufzukochen. Trotzdem bin ich überzeugt, dass diese Gehölze jeden Gärtner und jede Pflanzenfreundin wegen ihrer Schönheit begeistern: Paeonia  
 

Schon im März besuche ich unsere Strauchpfingstrosen, schneide die im vergangenen Herbst nicht ausgereiften und abgestorbenen Endtriebe ab und freue mich über die rötlichen Austriebe und die schon sichtbaren Blütenknospen. Dabei frage ich mich jedes Jahr erneut, ob die zarten Triebe eine klare Frostnacht überstehen werden. Die Angst war bis jetzt unbegründet; wir hatten noch nie Spätfrostschäden an den Strauchpaeonien. Im Mai fängt die Blütezeit der Strauchpfingstrosen an.Die saftig- bis dunkelgrünen Blätter, welche denen der andern Pfingstrosen sehr ähnlich sind, haben schon ausgetrieben. Die spitzen Blütenknospen sind prall. Meist erfreuen mich die goldgelben, einfachen Blüten der Paeonia lutea var. ludlowii als erste. Der Strauch wächst bei uns in halbschattiger Lage und ist etwa zwei Meter hoch. Fast gleichzeitig blüht die Paeonia rockii. Sie hat grosse, halbgefüllte, weisse Blüten mit magentaroten Flecken auf den Blütenblättern und goldgelbe Staubfäden. Unter Sammlern scheint sie sehr gesucht zu sein. Unser amerikanisches Exemplar ist nach sieben Jahren ein Meter hoch. Bis Ende Mai erblühen täglich neue Strauchpfingstrosen für ein bis zwei Wochen. Bewundere ich an einem Tag die verschiedenen Rosa- und Rottöne der meist gefüllten Blüten der Sorten der Paeonia suffruticosa, sind es am nächsten Tag die einfachen, nickenden, dunkelroten Blüten der Paeonia delavayi. Wunderschön ist die Paeonia «Traum» mit weissen, gefüllten Blüten. Da Strauchpaeonien vor allem in China, Japan, Amerika und Frankreich gezüchtet wurden, haben wir Pflanzen mit sehr verschiedenen Namen wie z.B. «Ezra Pound», «Reine de Portugal», «Godaishu», «Taisho-no-hokori», «Vesuvian» und «Gauguin» in unserm Garten. Es ist allerdings nicht ganz einfach, Strauchpaeonien mit Sortennamen im Handel zu finden. Das mag für die Sammlerin und den Sammler enttäuschend sein. Aber ab Anfang Mai findet man viele kleine Sträucher mit einer ersten Blüte im Handel und kann sie dann dem eigenen Geschmack entsprechend auswählen. Neben den Blüten gefallen mir die Blätter, welche sich im Herbst rotgrün färben. Auch die Fruchtstände sind sehr dekorativ, und die Samen sollen sogar essbar sein. Da bekanntlich im Mittelalter Gewürze rar und teuer waren, wurden Paeoniensamen zum Würzen von Fleischgerichten empfohlen. Ich habe es selber noch nie ausprobiert, aber ein Ragout mit schwarzen Paeoniensamen wäre sicher eine raffinierte Neuheit in der Gastronomie. Unsere kleine Hündin verschlingt die Samen der Paeonia lutea var. ludlowii als besondere Delikatesse, alle andern hingegen beachtet sie nicht! Mich interessieren die Samen allerdings nicht zum Essen, sondern zum Säen. Da sich die ver- schiedenen Wildformen sehr leicht kreuzen, ist es spannend, zu erfahren, wie die «Söhne und Töchter» blühen. Es braucht etwas Geduld, bis das Geheimnis sich löst, sind doch alle Paeonien Frostkeimer und brauchen mindestens einen Winterschlaf im Freien, bevor sie überhaupt keimen. Manchmal dauert es auch zwei bis drei Winter, bevor sich etwas regt. Die junge Pflanze blüht im zweiten, meistens erst im dritten Sommer. Ein Versuch lohnt sich trotz der langen Wartezeit von bis zu sieben Jahren, denn die neuen Pflanzen können überraschend attraktiv sein. Strauchpaeonien gelten fälschlicherweise als heikel und nicht ganz winterhart. An den Naturstandorten in China sind sie im Winter Wind und Kälte und im Sommer der Trockenheit ausgesetzt und wachsen in höheren Lagen. In unserm Garten haben sich sonnige bis halbschattige Standorte mit durchlässigem, humosem Boden bewährt. Die Wildarten sind noch nie von der Paeonienwelke (Botrytis paeoniae) befallen worden, welche durch einen Pilz verursacht wird. Hingegen werden ab und zu einzelne Triebe der veredelten Sorten der verschiedenen Paeonia suffruticosa von einem Tag auf den andern welk. Ich schneide die befallenen Triebe ab und verbrenne sie.Vorsorglich kann man die Sträucher im März mit einem systemischen Fungizid spritzen. Besser ist es, wenn man die neuen Pflanzen tief genug in gut vorbereiteten, nahrhaften alkalischen bis neutralen Boden setzt, so dass die Veredelungsgstelle etwa zehn Zentimeter unter der Oberfläche liegt. Sollte ich einige Leserinnen und Leser zum Kauf einer Strauchpaeonie verführt haben, freut es mich. Erschrecken Sie nicht ob dem hohen Preis, welcher durch die aufwändige Kultivierung bedingt ist. Das Gehölz hat normalerweise eine hohe Lebenserwartung und braucht wenig Pflege, sodass sich der Preis auszahlt.

* Cottage Garten, 8453 Alten

 

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