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HEV 07/2001 Inhaltsverzeichnis
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Was ist mit «Mieterschutz» wirklich gemeint?

Ein Mieter, der seinen Mietzins nicht bezahlt, wird bei uns in der Schweiz auf der ganzen Linie geschützt - zwar nicht so direkt, dafür umso klarer nach Gesetz. Folgendes hat sich zugetragen:
Es ist wahre Realität, denn wir haben es selbst erlebt. «Man könne nichts machen». «Wir seien nicht die Einzigen» so lautete es fast durchwegs. (sollte dies wohl ein Trost sein?). Als Erbengemeinschaft besitzen wir ein Vier-Familienhaus mit Gewerberaum in St. Gallen. Da der inzwischen verstorbene Vater seinerzeit keine Pensionskasse hatte, und Mutter von ihrer kleinen AHV allein nicht leben könnte, ist Sie heute auf die Einnahmen dieser Liegenschaft angewiesen. Die Eltern hatten denn auch über alle Jahre für diese Liegenschaft gespart und in diese investiert. Mutter ist froh darüber und besorgt gerne die anfallenden, vorwiegend administrativen Arbeiten, weitgehend selbständig.
Nun aber hatte ein Mieter (aus Jugoslavien) den Mietzins im April 2000, nach etwa einem Jahr seit Mietbeginn einfach nicht mehr bezahlt. Erst dachte man er sei etwas verspätet. Nach dem zweiten Monat machte man den Mieter aufmerksam, «ob ihm entgangen sei, oder ob ev. ein Fehler bei der Bank vorliege». Keine Anwort. Nach dem dritten Monat, ganz grosses Erstaunen. Es kommt nichts. In einem Brief bekunden wir unser Unverständnis und fordern den Mieter auf, nunmehr sofort die ausstehenden Mietzinszahlungen zu leisten. Keine Antwort, keine Zahlungen.
Es ist inzwischen Sommer. Eine Bekannte erklärt, der Mieter sei in den Ferien. Wir warten die Ferien ab und schreiben dann einen eingeschriebenen Brief. Der Brief kommt zurück. Wir melden uns beim Hauseigentümerverband und erkundigen uns über die rechtliche Situation, was Sie uns zu unternehmen empfehlen wollen. Wir könnten es mit der Betreibung versuchen, aber wahrscheinlich sei halt, wie üblich, nichts vorhanden, sodass zuletzt ein wertloser Verlustschein vorliege. Die Spesen müsse man sowieso selber vorschiessen. Sie würden ferner empfehlen, dem Mieter zu kündigen, sodass nicht noch mehr Schaden entstehe. Also kündigen wir ordnungsgemäss: «ordnungsgemäss», obwohl es schon lange nicht mehr ordnungsgemäss läuft. Inzwischen ist übrigens der Sohn des Mieters (ca. 30-jährig) eingezogen. Er sei arbeitslos. Er bezahlt «natürlich» auch nichts.
Die Kündigung bewirkt, dass der Mieter nun verspricht, er werde die Miete bezahlen. Natürlich bleibt es dabei, es kommt kein Franken, auch kein Vorschlag, wie man gedenke die Miete bzw. die Schulden zu bezahlen.
Unsere Bemühungen, den Mieter wenigstens loszuwerden, gehen ordnungsgemäss langsam vorwärts - zuerst Kündigung androhen, dann kündigen, Aufschub seitens Mietgericht, alles nach Gesetz.
Am 17. April dieses Jahres war es endlich soweit. Ein Beamter der Kantonspolizei erschien, um den Mieter aus der Wohnung zu weisen. Obwohl dieser eine Ankündigung erhalten hatte, war die Wohnung nicht geräumt, er selber nicht anwesend. In der Wohnung war aber der Sohn, der dem Beamten versprach, die Wohnung innert drei Tagen zu räumen. Der Beamte ging nach diesen drei Tagen wieder vorbei und tatsächlich, die Wohnung war nun leer.
Die Möbel - was denken Sie, sehr geehrter Leser? - die hatte er in der Waschküche und in Keller-Vorräumen deponiert. Der Beamte der Kantonspolizei meinte dazu, wir müssten diese sonst anderswo einstellen, aber es sei ja auch schade für die Kosten, die uns dadurch wieder entstehen würden!
Wir hatten doch noch Glück - in was für Situationen man auf einmal von «Glück» redet - dass die Möbel einige Tage später dann doch grösstenteils abgeholt wurden. Der Grümpel und alte Pneus wurde einfach liegen gelassen. Geputzt hat der Mieter selbstverständlich nicht. Auch gab es keine ordentliche Wohnungsabnahme, wo man die Schäden (Löcher im Boden von verglimmten Zigaretten-Stummel) festhalten und später hätte belasten können.
Die nochmalige Rückfrage bei der Stadtpolizei ergab: «Man könne nichts machen. Schulden machen sei nicht strafbar». Es habe schon mancher einen leeren Schuldschein, dafür viel Spesen gehabt.
Beim Hauseigentümerverband das gleiche: «Ja, da könne man leider nichts machen». «Das heutige Gesetz sei eben so mieterfreundlich. Sie hätten die Gesetze schliesslich auch nicht gemacht».
Wir gehen auf das Sozialamt und erklären die ganze Situation. Wir seien der Ansicht, dass, wenn einer (sogar zwei, Vater und Sohn) Sozialhilfe beziehe, doch sicher die Verpflichtung bestehe, dass die Grundlebenshaltungskosten wie Wohnungsmiete, Versicherungen und täglicher Lebensunterhalt bezahlt würden. Ja schon, «aber da könnten sie auch nichts machen», «wenn einer seinen Verpflichtungen nicht nachkäme...» Ob denn diese Hauptpositionen nicht bei einem säumigen Arbeitlosen am Sozialhilfe-Geld abgezogen und direkt beglichen werden können? Nein, das gehe gemäss Gesetz eben nicht.
Wir wollen noch mehr wissen. Aber der Beamtin wird es ungemütlich und sie versteckt sich hinter dem Datenschutz-Gesetz. Sie atmet auf, als wir die Türfalle in die Hand nehmen.
Wir haben uns unglaublich geärgert, unsere Mutter natürlich ganz besonders. Einerseits wegen des für sie grossen finanziellen Verlustes, noch dazu gepaart mit den hohen Unkosten, um nur soweit zu kommen, dass dieser Mieter nun endlich draussen ist. Danebst kommen nun die Reparatur- und Folgekosten, die noch zu leisten sind.
Ja, wir haben uns grün und blau geärgert und sind allem voran tief enttäuscht, dass man in unserem Land solch betrügerisches Unrecht auf der ganzen Linie beantwortet mit: «ja da kann man halt nichts machen». Diese ganze Machtlosigkeit ist es, die unserer Mutter so zusetzt - so etwas will sie einfach noch nicht glauben.
Wir werden nun den Mieter trotzdem noch betreiben, trotz der Wahrscheinlichkeit , dass nur ein wertloser Schuldschein bleibt. Wir machen dies, um uns zu wehren gegen diese sich weit verbreitende Resignation: «Da kann man halt nichts machen»
Wir fragen uns übrigens auch: Ist all dies nicht gerade auch eine beleidigende Herausforderung all jenen Mieter gegenüber (sicher weit über die Mehrheit), die selbstverständlich die Mietzinse leisten, bei enstandenem Schaden bezahlen, bzw. rechtzeitig die Versicherung verständigen, usw.; überhaupt allen gegenüber, die sich korrekt verhalten? Und wie ist es mit Wohnungen z.B. von Pensionskassen-Liegenschaften? Heisst es dort auch «man kann nichts machen»? Geht das einfach zu Lasten der Pensions-Kassen ? Oder haben diese Organisationen keine solcher Problem-Fälle?
V.Schibli, Oetwil am See

Anmerkung der Redaktion: Dieser Text ist eigentlich zu lang für einen Leserbrief. Wir drucken ihn ausnahmsweise ungekürzt ab, weil er gerade in seiner Länge die traurige Realität wiedergibt.
Übrigens, die Auskunftspersonen sind für die Rechtslage nicht verantwortlich. Sie erteilen nach bestem Wissen und Gewissen Auskunft. Der HEV bemüht sich immer wieder um eine Liberalisierung des Mietrechts. Aber in einem Land mit rund 70% Mietern ...

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