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Was ist mit
«Mieterschutz» wirklich gemeint?
Ein Mieter, der seinen Mietzins nicht bezahlt,
wird bei uns in der Schweiz auf der ganzen Linie geschützt - zwar nicht so
direkt, dafür umso klarer nach Gesetz. Folgendes hat sich
zugetragen: Es ist wahre Realität,
denn wir haben es selbst erlebt. «Man könne nichts machen».
«Wir seien nicht die Einzigen» so lautete es fast durchwegs.
(sollte dies wohl ein Trost sein?). Als Erbengemeinschaft besitzen wir ein
Vier-Familienhaus mit Gewerberaum in St. Gallen. Da der inzwischen verstorbene
Vater seinerzeit keine Pensionskasse hatte, und Mutter von ihrer kleinen AHV
allein nicht leben könnte, ist Sie heute auf die Einnahmen dieser
Liegenschaft angewiesen. Die Eltern hatten denn auch über alle Jahre
für diese Liegenschaft gespart und in diese investiert. Mutter ist froh
darüber und besorgt gerne die anfallenden, vorwiegend administrativen
Arbeiten, weitgehend selbständig. Nun aber hatte ein Mieter (aus Jugoslavien) den Mietzins im April
2000, nach etwa einem Jahr seit Mietbeginn einfach nicht mehr bezahlt. Erst
dachte man er sei etwas verspätet. Nach dem zweiten Monat machte man den
Mieter aufmerksam, «ob ihm entgangen sei, oder ob ev. ein Fehler bei der
Bank vorliege». Keine Anwort. Nach dem dritten Monat, ganz grosses
Erstaunen. Es kommt nichts. In einem Brief bekunden wir unser
Unverständnis und fordern den Mieter auf, nunmehr sofort die ausstehenden
Mietzinszahlungen zu leisten. Keine Antwort, keine Zahlungen. Es ist inzwischen Sommer. Eine Bekannte erklärt,
der Mieter sei in den Ferien. Wir warten die Ferien ab und schreiben dann einen
eingeschriebenen Brief. Der Brief kommt zurück. Wir melden uns beim
Hauseigentümerverband und erkundigen uns über die rechtliche
Situation, was Sie uns zu unternehmen empfehlen wollen. Wir könnten es mit
der Betreibung versuchen, aber wahrscheinlich sei halt, wie üblich, nichts
vorhanden, sodass zuletzt ein wertloser Verlustschein vorliege. Die Spesen
müsse man sowieso selber vorschiessen. Sie würden ferner empfehlen,
dem Mieter zu kündigen, sodass nicht noch mehr Schaden entstehe. Also
kündigen wir ordnungsgemäss: «ordnungsgemäss»,
obwohl es schon lange nicht mehr ordnungsgemäss läuft. Inzwischen ist
übrigens der Sohn des Mieters (ca. 30-jährig) eingezogen. Er sei
arbeitslos. Er bezahlt «natürlich» auch nichts.
Die Kündigung bewirkt, dass der Mieter
nun verspricht, er werde die Miete bezahlen. Natürlich bleibt es dabei, es
kommt kein Franken, auch kein Vorschlag, wie man gedenke die Miete bzw. die
Schulden zu bezahlen. Unsere
Bemühungen, den Mieter wenigstens loszuwerden, gehen ordnungsgemäss
langsam vorwärts - zuerst Kündigung androhen, dann kündigen,
Aufschub seitens Mietgericht, alles nach Gesetz. Am 17. April dieses Jahres war es endlich soweit. Ein Beamter der
Kantonspolizei erschien, um den Mieter aus der Wohnung zu weisen. Obwohl dieser
eine Ankündigung erhalten hatte, war die Wohnung nicht geräumt, er
selber nicht anwesend. In der Wohnung war aber der Sohn, der dem Beamten
versprach, die Wohnung innert drei Tagen zu räumen. Der Beamte ging nach
diesen drei Tagen wieder vorbei und tatsächlich, die Wohnung war nun
leer. Die Möbel - was denken Sie,
sehr geehrter Leser? - die hatte er in der Waschküche und in
Keller-Vorräumen deponiert. Der Beamte der Kantonspolizei meinte dazu, wir
müssten diese sonst anderswo einstellen, aber es sei ja auch schade
für die Kosten, die uns dadurch wieder entstehen würden!
Wir hatten doch noch Glück - in was
für Situationen man auf einmal von «Glück» redet - dass
die Möbel einige Tage später dann doch grösstenteils abgeholt
wurden. Der Grümpel und alte Pneus wurde einfach liegen gelassen. Geputzt
hat der Mieter selbstverständlich nicht. Auch gab es keine ordentliche
Wohnungsabnahme, wo man die Schäden (Löcher im Boden von verglimmten
Zigaretten-Stummel) festhalten und später hätte belasten
können. Die nochmalige
Rückfrage bei der Stadtpolizei ergab: «Man könne nichts machen.
Schulden machen sei nicht strafbar». Es habe schon mancher einen leeren
Schuldschein, dafür viel Spesen gehabt. Beim Hauseigentümerverband das gleiche: «Ja,
da könne man leider nichts machen». «Das heutige Gesetz sei
eben so mieterfreundlich. Sie hätten die Gesetze schliesslich auch nicht
gemacht». Wir gehen auf das
Sozialamt und erklären die ganze Situation. Wir seien der Ansicht, dass,
wenn einer (sogar zwei, Vater und Sohn) Sozialhilfe beziehe, doch sicher die
Verpflichtung bestehe, dass die Grundlebenshaltungskosten wie Wohnungsmiete,
Versicherungen und täglicher Lebensunterhalt bezahlt würden. Ja
schon, «aber da könnten sie auch nichts machen», «wenn
einer seinen Verpflichtungen nicht nachkäme...» Ob denn diese
Hauptpositionen nicht bei einem säumigen Arbeitlosen am Sozialhilfe-Geld
abgezogen und direkt beglichen werden können? Nein, das gehe gemäss
Gesetz eben nicht. Wir wollen noch mehr
wissen. Aber der Beamtin wird es ungemütlich und sie versteckt sich hinter
dem Datenschutz-Gesetz. Sie atmet auf, als wir die Türfalle in die Hand
nehmen. Wir haben uns unglaublich
geärgert, unsere Mutter natürlich ganz besonders. Einerseits wegen
des für sie grossen finanziellen Verlustes, noch dazu gepaart mit den
hohen Unkosten, um nur soweit zu kommen, dass dieser Mieter nun endlich
draussen ist. Danebst kommen nun die Reparatur- und Folgekosten, die noch zu
leisten sind. Ja, wir haben uns
grün und blau geärgert und sind allem voran tief enttäuscht,
dass man in unserem Land solch betrügerisches Unrecht auf der ganzen Linie
beantwortet mit: «ja da kann man halt nichts machen». Diese ganze
Machtlosigkeit ist es, die unserer Mutter so zusetzt - so etwas will sie
einfach noch nicht glauben. Wir werden
nun den Mieter trotzdem noch betreiben, trotz der Wahrscheinlichkeit , dass nur
ein wertloser Schuldschein bleibt. Wir machen dies, um uns zu wehren gegen
diese sich weit verbreitende Resignation: «Da kann man halt nichts
machen» Wir fragen uns
übrigens auch: Ist all dies nicht gerade auch eine beleidigende
Herausforderung all jenen Mieter gegenüber (sicher weit über die
Mehrheit), die selbstverständlich die Mietzinse leisten, bei enstandenem
Schaden bezahlen, bzw. rechtzeitig die Versicherung verständigen, usw.;
überhaupt allen gegenüber, die sich korrekt verhalten? Und wie ist es
mit Wohnungen z.B. von Pensionskassen-Liegenschaften? Heisst es dort auch
«man kann nichts machen»? Geht das einfach zu Lasten der
Pensions-Kassen ? Oder haben diese Organisationen keine solcher
Problem-Fälle? V.Schibli, Oetwil am
See
Anmerkung der Redaktion:
Dieser Text ist eigentlich zu lang für einen Leserbrief. Wir drucken ihn
ausnahmsweise ungekürzt ab, weil er gerade in seiner Länge die
traurige Realität wiedergibt. Übrigens, die Auskunftspersonen sind für die Rechtslage
nicht verantwortlich. Sie erteilen nach bestem Wissen und Gewissen Auskunft.
Der HEV bemüht sich immer wieder um eine Liberalisierung des Mietrechts.
Aber in einem Land mit rund 70% Mietern ... |
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