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Die Expertise
bei Werkmängeln (Teil
2) * Anita Lankau
Baumängel müssen
nach der Beweislastregel ausgewiesen werden, um Ansprüche sachgerecht
durchsetzen zu können. Liegt die behauptete Verantwortung aus dem
mangelhaften Werk beim Bauunternehmer, so erklärt sich dieser bei
Interessenkollision nicht immer diskussionslos bereit, die vorhandenen
Mängel rasch und kostenlos zu beheben. Für streitende
Vertragsparteien wird der Beizug eines geeigneten Fachexperten deshalb vor
allem in kostspieligen Problemfällen unentbehrlich sein, damit in Form
eines Gutachtens dem behaupteten Mangel auf den Grund gegangen werden
kann. Der Expertenauftrag kann sich
auf folgende Problemkreise konzentrieren:
- Welche Mängel,
Schäden und Mängelfolgeschäden können festgestellt
werden?
- Welche Ursachen haben zu
den festgestellten Mängeln, Schäden und Mängelfolgeschäden
geführt?
- Wie sind diese zu
beheben?
- Welche Kosten fallen
für die Behebung an?
- Wer übernimmt eine
Erfolgsgarantie?
Aussergerichtlich sowie im
Prozess ist das schriftliche Gutachten der Normalfall. Privatleute, die eine
handwerkliche Leistung erhalten haben, möchten sich oft durch einen
Experten die fachgerechte Ausführung dieser Arbeiten bestätigen
lassen. Doch werden schriftliche Aufzeichnungen vielfach auch deshalb
gewünscht, falls sich zu einem späteren Zeitpunkt doch noch ein
Rechtsstreit entwickelt. Das Gesetz lässt im Prozessfall auch das blosse
mündliche Ablegen eines Gutachtens zu, nach dem man sich vor allem in
einfacheren Fällen orientiert. Protokolliert werden beide
Varianten. Da das Gutachten oft auch
eine subjektive Komponente aufweist, ist es durchaus denkbar, dass ein anderer
Gutachter zu einem anderen Ergebnis kommt. Im Prozessfall dürfen die
Parteien die von den Experten gezogenen Schlüsse sogar einer Kritik
unterziehen. Betroffene dürfen behaupten, das Gutachten sein nicht
objektiv. Sie können Stellung nehmen, Erläuterungen oder
Ergänzungen beantragen oder, wenn sie die Expertise für völlig
fehlerhaft halten, den Beizug eines anderen Experten verlangen. Das Gericht
selbst kann ebenfalls einen weiteren Sachverständigen bestellen, wenn sich
das Gutachten als unzulänglich erweist. Aus Kostengründen kann man versuchen, die
Gegenseite schon vor Prozessbeginn dazu zu bringen, gemeinsam ein Gutachten in
Auftrag zu geben und dessen Resultat im vornherein zu anerkennen. Die Parteien
verpflichten sich also von vornherein, dessen Aussagen und Schlüsse in
jedem Fall zu akzeptieren. Deshalb sollte die Auswahl des Gutachters
äusserst sorgfältig getroffen werden. Mit dem Beizug eines
aussergerichtlichen Fachexperten will man lange gerichtliche
Auseinandersetzungen über den Sachverhalt vermeiden. Ein Bauherr
beispielsweise wird sich anhand des Privatgutachtens überlegen, ob er
weitere Schritte einleiten will, und falls ja, gegen wen oder was. Kann man
sich hingegen nicht einigen, so kann auf ein Privatgutachten verzichtet werden
und im Prozess ein Sachverständiger zur Beurteilung beauftragt werden. Ist
die Sachlage hingegen unklar, lässt sich, damit ein allenfalls
überflüssiger Prozess vermieden wird, eine vorgängige
Abklärung durch einen Sachverständigen nicht umgehen. Dem Experten
obliegt es, den Sachverhalt festzustellen, dem Juristen demgegenüber,
diesen Sachverhalt zu würdigen. Das Privatgutachten wird leider
vergleichsweise selten in Anspruch genommen, obwohl es dazu geeignet ist, viel
Geld und Ärger zu sparen. In vielen Fällen führen qualifizierte
Privatgutachten zum sofortigen Einlenken des «Schuldigen», ohne
dass es überhaupt zum Prozess kommt.
* lic. iur., HEV
Zürich |
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