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HEV 10/2001 Inhaltsverzeichnis
Vertragsrecht

Die Expertise bei Werkmängeln
(Teil 2)
* Anita Lankau

Baumängel müssen nach der Beweislastregel ausgewiesen werden, um Ansprüche sachgerecht durchsetzen zu können. Liegt die behauptete Verantwortung aus dem mangelhaften Werk beim Bauunternehmer, so erklärt sich dieser bei Interessenkollision nicht immer diskussionslos bereit, die vorhandenen Mängel rasch und kostenlos zu beheben. Für streitende Vertragsparteien wird der Beizug eines geeigneten Fachexperten deshalb vor allem in kostspieligen Problemfällen unentbehrlich sein, damit in Form eines Gutachtens dem behaupteten Mangel auf den Grund gegangen werden kann.

Der Expertenauftrag kann sich auf folgende Problemkreise konzentrieren:
  • Welche Mängel, Schäden und Mängelfolgeschäden können festgestellt werden?
  • Welche Ursachen haben zu den festgestellten Mängeln, Schäden und Mängelfolgeschäden geführt?
  • Wie sind diese zu beheben?
  • Welche Kosten fallen für die Behebung an?
  • Wer übernimmt eine Erfolgsgarantie?
Aussergerichtlich sowie im Prozess ist das schriftliche Gutachten der Normalfall. Privatleute, die eine handwerkliche Leistung erhalten haben, möchten sich oft durch einen Experten die fachgerechte Ausführung dieser Arbeiten bestätigen lassen. Doch werden schriftliche Aufzeichnungen vielfach auch deshalb gewünscht, falls sich zu einem späteren Zeitpunkt doch noch ein Rechtsstreit entwickelt. Das Gesetz lässt im Prozessfall auch das blosse mündliche Ablegen eines Gutachtens zu, nach dem man sich vor allem in einfacheren Fällen orientiert. Protokolliert werden beide Varianten.
Da das Gutachten oft auch eine subjektive Komponente aufweist, ist es durchaus denkbar, dass ein anderer Gutachter zu einem anderen Ergebnis kommt. Im Prozessfall dürfen die Parteien die von den Experten gezogenen Schlüsse sogar einer Kritik unterziehen. Betroffene dürfen behaupten, das Gutachten sein nicht objektiv. Sie können Stellung nehmen, Erläuterungen oder Ergänzungen beantragen oder, wenn sie die Expertise für völlig fehlerhaft halten, den Beizug eines anderen Experten verlangen. Das Gericht selbst kann ebenfalls einen weiteren Sachverständigen bestellen, wenn sich das Gutachten als unzulänglich erweist.
Aus Kostengründen kann man versuchen, die Gegenseite schon vor Prozessbeginn dazu zu bringen, gemeinsam ein Gutachten in Auftrag zu geben und dessen Resultat im vornherein zu anerkennen. Die Parteien verpflichten sich also von vornherein, dessen Aussagen und Schlüsse in jedem Fall zu akzeptieren. Deshalb sollte die Auswahl des Gutachters äusserst sorgfältig getroffen werden. Mit dem Beizug eines aussergerichtlichen Fachexperten will man lange gerichtliche Auseinandersetzungen über den Sachverhalt vermeiden. Ein Bauherr beispielsweise wird sich anhand des Privatgutachtens überlegen, ob er weitere Schritte einleiten will, und falls ja, gegen wen oder was. Kann man sich hingegen nicht einigen, so kann auf ein Privatgutachten verzichtet werden und im Prozess ein Sachverständiger zur Beurteilung beauftragt werden. Ist die Sachlage hingegen unklar, lässt sich, damit ein allenfalls überflüssiger Prozess vermieden wird, eine vorgängige Abklärung durch einen Sachverständigen nicht umgehen. Dem Experten obliegt es, den Sachverhalt festzustellen, dem Juristen demgegenüber, diesen Sachverhalt zu würdigen. Das Privatgutachten wird leider vergleichsweise selten in Anspruch genommen, obwohl es dazu geeignet ist, viel Geld und Ärger zu sparen. In vielen Fällen führen qualifizierte Privatgutachten zum sofortigen Einlenken des «Schuldigen», ohne dass es überhaupt zum Prozess kommt.

* lic. iur., HEV Zürich

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