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Grosser
Aufwand viele Fragezeichen *
Therese Studer
Eine allfällige
Kapitalgewinnsteuer bringt Steuerpflichtigen, Vermögensverwaltern und
Steuerbehörden viel zusätzliche Arbeit. Zuviel, finden die Gegner der
Volksinitiative des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Zahlreich sind zudem
die Unklarheiten.
Die Steuererklärung
auszufüllen, kann ganz schön knifflig sein und einige Zeit in
Anspruch nehmen. Für Hunderttausende von Schweizerinnen und Schweizern
könnte das Ausfüllen in Zukunft noch wesentlich aufwändiger und
komplizierter werden. Dann nämlich, wenn Privatpersonen auch ihre Gewinne
versteuern müssen, die sie mit dem Verkauf von Aktien, Obligationen,
Devisen oder Beteiligungen erzielen. Dies verlangt die Volksinitiative des
Schweizerischen Gewerkschaftsbundes.
Aufwändige
Selbstdeklaration Was würde die
Kapitalgewinnsteuer für einen privaten Anleger bedeuten? Er müsste
über jedes Wertpapier genau Buch führen, über Käufe und
Verkäufe, über Gewinne und Verluste. Noch nach vielen Jahren
müsste er belegen, wann und zu welchem Preis er ein Wertpapier gekauft
hat. Die Initianten sind der Meinung,
dass sich der Aufwand für die Steuerpflichtigen in Grenzen halte. Es sei
Aufgabe der Banken und der anderen Vermögensverwalter, den privaten
Anlegern die notwendigen Belege auszustellen. Dank der Informatik sei dies
machbar. Die Gegner der Initiative,
darunter der Bundesrat und die Mehrheit des Parlaments, erachten den Aufwand
für die Steuerpflichtigen als zu gross. Und für die
Steuerbehörden würden Kontrollen von Steuererklärungen
aufwändiger und anspruchsvoller, was auch die Initianten
zugeben In einem noch
ungünstigeren Licht erscheint der Aufwand, wenn man ihn mit dem Ertrag der
Kapitalgewinnsteuer vergleicht. Der Bundesrat schätzt die Einnahmen auf
höchstens 100 bis 400 Millionen Franken. Zum Vergleich: Mit der
Vermögenssteuer nehmen die Kantone jährlich mehr als 3 Milliarden
Franken ein. Das Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag war ein
Hauptgrund, warum bis Mitte der 90er Jahre auch die letzten Kantone die
Kapitalgewinnsteuer für Privatpersonen abschafften.
Unklarheiten Mit dem
grösseren Aufwand wäre es nicht einmal getan: In vielen Fällen
dürfte es schwierig, wenn nicht unmöglich sein, korrekt Buch zu
führen bzw. die Höhe der Steuer festzulegen. Zum Beispiel: Herr B.
kauft 60 Aktien eines Unternehmens, dann nochmals 30, später weitere 40,
jeweils zu unterschiedlichen Kursen. Zehn Jahre später verkauft er 85
dieser Aktien mit Gewinn. Auf diesem Gewinn, d. h. dem Unterschied zwischen
Kauf- und Verkaufspreis, müsste er jetzt die Kapitalgewinnsteuer bezahlen.
Welche 85 von den insgesamt 130 Aktien hat er verkauft? Oder: Wie wird die
Kapitalgewinnsteuer berechnet, wenn ein Anleger von Bezugsrechten Gebrauch
macht oder Gratisaktien erhält, wenn seine Aktien umgewandelt oder
gesplittet werden? Und wie steht es mit Kapitalanlagen, über deren Kauf
nichts mehr bekannt ist?
Quellensteuer Nach
Ansicht der Initianten könnte man mit einer Quellensteuer sowohl den
Aufwand verringern als auch viele der Unklarheiten vermeiden. Quellensteuer
bedeutet, dass die Bank oder ein anderer Vermögensverwalter bereits beim
Verkauf des Wertpapiers die Steuer vom Gewinn abzieht.
Die Gegner der Initiative setzen aber auch hinter
diese Lösung einige Fragezeichen. Denn Banken wissen oft gar nicht
Bescheid über den Werdegang eines Papiers. Dies ist zum Beispiel dann der
Fall, wenn ein Kunde sein Wertschriftendepot von einer Bank zur anderen
verschoben hat. Damit fehlen der Bank die Angaben, die sie brauchen würde,
um die Steuer zu berechnen. Laut Initianten liesse sich das Problem lösen,
indem die überweisende Bank der neuen Depotbank den Einstandspreis und das
Einstandsdatum der Wertpapiere mitteilt. Falls eine Bank nicht in der Lage ist,
den ursprünglichen Kaufpreis zu ermitteln, müssten die
Steuerbehörden eine Schätzung vornehmen. Ungenauigkeiten und
Streitereien wären die Folge. Eine
weitere Variante neben Selbstdeklaration und Quellensteuer lässt das
Gesetz nicht zu: Dass nämlich Banken und andere Vermögensverwalter
alle Kapitalgewinne, die ihre Kunden realisiert haben, den Steuerbehörden
melden müssen. Diese Lösung würde das Bankgeheimnis
aufheben.
Begrenzter Zeitraum in
anderen Ländern Sicher: Andere
Länder kennen Kapitalgewinnsteuern. Viele von ihnen erheben aber die
Steuer nur über einen begrenzten Zeitraum, zum Beispiel über zwei
oder fünf Jahre. Dadurch entsteht das Problem nicht, dass ein Anleger
über Jahrzehnte zurück den Kauf von Wertpapieren belegen muss. In der
Schweiz gäbe es aber für die Besteuerung der Gewinne keine zeitliche
Begrenzung. Stark negative Auswirkungen auf unseren Finanzplatz wären
vorprogrammiert.
Dr. Schenker
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