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Die baulichen
Massnahmen im Stockwerkeigentum *
Philipp Annen
Stockwerkeigentum ist
Miteigentum, aber ein spezielles Miteigentum. Speziell insofern, als es Teile
gibt, über welche der Stockwerkeigentümer fast wie ein
Alleineigentümer bestimmen kann. Die Unterscheidung zwischen Sonderrecht,
worüber jeder einzelne Stockwerkeigentümer eigenverantwortlich
verfügen kann, und gemeinschaftlichem Eigentum, worüber alle
Miteigentümer mitentscheiden können oder sogar müssen, ist daher
entscheidend für die Kompetenzabgrenzung. Die baulichen Massnahmen am
gemeinschaftlichen Eigentum sind im Gesetz besonders umschrieben in Artikel
647c/d/e Zivilgesetzbuch (ZGB) und bedürfen einer genaueren
Betrachtung.
Notwendig/nützlich/luxuriös Unterschieden wird im Gesetz zwischen notwendigen,
nützlichen und luxuriösen baulichen Massnahmen. Notwendig sind
bauliche Massnahmen, wenn sie für die Werterhaltung oder den Gebrauch
nötig sind und relativ dringender Handlungsbedarf besteht. Relativ
deshalb, weil die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden
müssen. So kann der Einbau einer Zentralheizung notwendig (bei fehlender
Heizung), nützlich (bei ineffizienter Heizung) oder luxuriös sein (so
ein Entscheid in Italien, da der Winter relativ milde sei in jenem
Gebiet).
Einfaches
Mehr Das Gesetz sieht für
notwendige bauliche Massnahmen einen Beschluss der Gemeinschaft vor. Dieser hat
mit einfachem absoluten Mehr zu erfolgen. Einzig kleinere Reparaturen und
Instandstellungsarbeiten können von jedem Einzelnen vorgenommen werden, da
sie zu den gewöhnlichen Verwaltungshandlungen gehören. Nimmt nun aber
ein Stockwerkeigentümer ohne einen Ermächtigungsbeschluss der
Gemeinschaft notwendige bauliche Massnahmen vor, so haftet dieser
dafür.
Qualifiziertes
Mehr Nützlich ist eine bauliche
Massnahme, wenn diese eine Wertsteigerung, eine Verbesserung der
Wirtschaftlichkeit oder der Gebrauchsfähigkeit bezweckt. Nur eines dieser
Kriterien muss erfüllt sein. Für die Ausführung eines
nützlichen Bauvorhabens ist ein qualifizierter Mehrheitsbeschluss
erforderlich. Eine reglementarische Erschwerung dieses Quorums ist
zulässig, eine Erleichterung eher nicht. Die allenfalls unterlegene
Minderheit kann jedoch das gesetzliche Vetorecht einlegen, wenn für sie
der Gebrauch oder die Benutzung der Sache zum bisherigen Zweck erheblich und
dauernd erschwert oder unwirtschaftlich wird. Neben dem Vetorecht kann
allenfalls die Pflicht zur Kostenübernahme gegenüber demjenigen
Eigentümer erfolgen, der geltend macht, dass die Aufwendungen für ihn
unzumutbar sind, insbesondere weil die (nützlichen) baulichen Massnahmen
in einem Missverhältnis stehen zu seinem anteiligen Vermögenswert.
Die Kostenübernahme betrifft nicht die gesamten Kosten, sondern nur jenen
Anteil, der den zumutbaren Betrag übersteigt.
Einstimmigkeit Von
einer der Verschönerung und der Bequemlichkeit dienenden baulichen
Massnahme, eine sogenannt luxuriöse, ist nur mit einstimmigem Beschluss
möglich (eine reglementarische Erleichterung ist umstritten). Falls die
nicht zustimmenden Miteigentümer in ihrem Nutzungs- und Gebrauchsrecht
nicht dauernd beeinträchtigt werden, kann die qualifizierte Mehrheit
dessen Kostenanteil übernehmen und den Bau veranlassen. Abschliessend ist darauf hinzuweisen, dass erstens dem
Einzelfall Rechnung getragen werden muss und zweitens die
Reglementsvorschriften zu beachten sind.
* lic. iur., HEV
Zürich |
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