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Gutachten als Beweismittel * Martin Byland
Die Tendenz ist eindeutig: Immer häufiger werden bei
umstrittenen Eigenmiet- und Verkehrswerten Gutachten in Auftrag gegeben. Aber auch bei den Grundstückgewinn- und
bei den Erbschafts- und Schenkungssteuern stellen sich Bewertungsfragen. Damit der Aufwand für ein Gutachten seine
Wirkung nicht verfehlt, gilt es, einige Punkte im Auge zu behalten.
Das Ehepaar Meier ist Eigentümer eines Mehrfamilienhauses, welches
vom Steuerkommissär mit einem Vermögenssteuerwert von Fr. 3,41 Mio. eingeschätzt wurde. Die
Steuerpflichtigen machten vor Rekurskommission geltend, es sei ein Wert von Fr. 2,59 Mio. anzunehmen, im wesentlichen
mit der Begründung, die Berechnung gemäss Weisung führe zu unrealistischen Werten. Sie verwiesen dabei
auf ein von ihnen selbst bei einer Bank in Auftrag gegebenes Gutachten. Die Rekurskommission ordnete ihrerseits ein
Gutachten an. Nachdem die Parteien weder gegen den Experten noch gegen den Fragenkatalog Einwendungen erhoben hatten,
wurde in Anwesenheit der Parteien ein Augenschein durchgeführt. Bei der im Anschluss daran durchgeführten
Referentenaudienz einigten sich die Parteien auf einen Verkehrswert von Fr. 2,85 Mio. Dieser Wert wurde von der
Kommission im Urteil übernommen und das von der Bank erstellte Gutachten mit knappen Worten als Parteigutachten
abgelehnt.
Privatgutachten oder amtliches Gutachten? Von Sachverständigen erstellte Gutachten sind ein bewährtes Mittel zur Abklärung
des Sachverhaltes. Privatgutachten haben für die Steuerbehörden a priori nur eine beschränkte
Aussagekraft und gelten nur als Parteibehauptung'. Sie werden von den Steuerbehörden überaus kritisch
beurteilt und haben einen geringen Beweiswert. Das Gegenteil ist bei Gutachten der Fall, die von Amtes wegen in Auftrag
gegeben werden und bei denen der Gutachter unter Strafandrohung Bericht zu erstatten hat. Sie gelten als gesetzliches
Beweismittel, sofern die Parteirechte gewahrt werden (v.a. Recht auf Ablehnung und rechtliches Gehör). Diese
Gutachten gelten als neutral und werden in der Regel von den Behörden und Gerichtsinstanzen nur summarisch darauf
hin überprüft, ob sie vollständig, klar, gehörig begründet und widerspruchslos' sind.
Dies gilt selbst dann, wenn Revisoren des Steueramtes als Sachverständige amten.
Wann soll ein Gutachten verlangt werden? Die Steuerbehörden sind nur dann verpflichtet, ein Gutachten anzuordnen, wenn die eigene
Sachkenntnis nicht ausreicht. In der Praxis wird ohne Antrag des Steuerpflichtigen kein Gutachten in Auftrag gegeben,
d.h. die Steuerbehörden behelfen sich mit mehr oder weniger genauen Schätzungen, so auch bei den Grundsteuern
(z.B. Wert vor 20 Jahren) und bei der Erbschaftssteuer (Ermittlung des Verkehrswertes). Bedenkt man, dass das
Steuerveranlagungsverfahren ein Massenveranlagungsverfahren darstellt und die Steuerbehörden lediglich
Einschätzungsbehörden sind, ist dies unter dem Aspekt der Verfahrensökonomie nachvollziehbar. Mit dieser
Praxis wird allerdings in Kauf genommen, dass zahlreiche Hauseigentümer zu viel Steuern bezahlen, weil sie darauf
vertrauen, dass die Einschätzung zutreffend ist. Dies trifft vor allem auf Liegenschaften zu, die besondere
Eigenschaften aufweisen, da diesen mit einer Schemarechnung meist nicht Rechnung getragen werden kann.
Fazit Damit die
Steuerbehörden ein Gutachten anordnen, braucht es neben einem solchen Antrag auch eine substanzierte
Sachdarstellung', d.h. eine möglichst detaillierte Beschreibung der Situation. Vergleiche mit anderen
Liegenschaften können im Einzelfall helfen, wobei die Steuerbehörden sehr hohe Anforderungen an die
Vergleichbarkeit stellen. Wer ein Privatgutachten erstellen lassen will, ist gut beraten, wenn er vor der
Auftragserteilung mit den Steuerbehörden Rücksprache nimmt und so dessen Akzeptanz
sicherstellt. Eine Absprache mit dem Steueramt kann auch bei der Kostentragung
helfen, da reine Privatgutachten praktisch immer allein vom Steuerpflichtigen zu bezahlen sind. Weil das
Einschätzungs- und Einspracheverfahren grundsätzlich kostenlos ist, sind die Kosten einer amtlichen
Begutachtung vom Staat zu übernehmen. Im Rechtsmittelverfahren werden die Kosten in der Praxis meist nach Obsiegen
und Unterliegen verlegt. Das Beispiel des Ehepaares Meier zeigt: Mit einem amtlichen Gutachten hat der Steuerpflichtige
meist bessere Chancen, auch wenn er dabei mit seinem Standpunkt nicht voll durchdringt. Es ist durchaus möglich,
seine Auffassung mit einem Privatgutachten, wie z.B. vom HEV, zu vertreten; das setzt jedoch die vorgängige
Rücksprache mit den Steuerbehörden voraus.
* lic. iur. Rechtsanwalt, TBO Treuhand AG, Zürich |
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