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Ausserordentlichen Kündigung aus wichtigem
Grund * Bettina Bonderer
Ob wichtige Gründe im Sinne von Art. 266g Abs. 1 OR eingetreten
sind, die einer Partei die Fortsetzung des Mietvertrages objektiv unzumutbar machen, hat der Richter nach Recht und
Billigkeit zu entscheiden. Als wichtige Gründe kommen nur ausserordentlich schwerwiegende Umstände, die bei
Vertragsabschluss weder bekannt noch voraussehbar waren und nicht auf ein Verschulden der kündigenden Partei
zurückzuführen sind in Betracht. Zudem sind diese Gründe für eine vorzeitige
Vertragsauflösung, dem Grundsatz der Verbindlichkeit der Verträge gegenüberzustellen.
Das Bundesgericht entschied kürzlich einstimmig, dass es sich um
einen Anwendungsfall der obgenannten Bestimmung handelt, wenn eine Mieterin angesichts einer ernsthaften Krankheit, die
ihr das Verbleiben in der Wohnung objektiv unzumutbar macht, ausserordentlich kündigt. Dabei wird anerkannt, dass
das Selbstbestimmungsrecht der Mieterin, den raschen Wohnungswechsel einer psychiatrischen Behandlung vorzog, dem
Interesse des Vermieters an der Einhaltung des Vertrages vorgeht.
In die Wohnung einer Mieterin war ein Tag nach dem Einzug eingebrochen
worden. Der Hausarzt empfahl der Frau daraufhin fachärztliche Hilfe, was sie jedoch ablehnte. Sie kündigte
das bis mindestens Ende September 1997 dauernde Mietverhältnis auf Ende August 1996, was die Vermieterin nicht
akzeptierte. Die leer stehende Wohnung konnte erst auf Juli 1997 wieder weitervermietet werden.
Das Bundesgericht hob nun das Urteil des Zürcher Obergerichts,
welches die Mieterin zur Zahlung von mehr als Fr. 30'000.- verurteilte, auf und wies das Verfahren zur Abklärung
der vermögensrechtlichen Folgen an die Vorinstanz zurück. Es kam nämlich im Gegensatz zu dieser zum
Schluss, dass die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund erfüllt gewesen seien, wenn die
mietende Partei erwiesenermassen nach einem Einbruch in ihre Wohnung unter panikartigen Angstzuständen leide und
somit ohne weiteres vom Vorliegen einer ernsthaften Krankheit ausgegangen werden müsse. Des Weiteren wurde
erkannt, dass es der Mieterin nicht zuzumuten gewesen wäre, sich im Zusammenhang mit einer derartigen Erkrankung
einer psychischen Behandlung zu unterziehen, nur um den Mietvertrag einhalten zu können.
Die Festsetzung des Schadenersatzes, welcher dem Vermieter wegen der
frühzeitigen Vertragsauflösung zusteht, wird nun nach den allgemeinen Grundsätzen des Obligationenrechts
zu berechnen sein. Neben den Bemühungen der vermietenden Partei um eine Wiedervermietung, die sie aufgrund ihrer
Schadensminderungsobliegenheit zu entfalten hat, sind neben allen weiteren relevanten Umständen auch die
finanziellen Verhältnisse der Parteien im Zeitpunkt des Urteils zu berücksichtigen.
* lic. iur., HEV Zürich |
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