Bäume und Sträucher, welche über die
Grenze ragen (Überhangrecht) * Cornel Tanno
Laut Art. 687 ZGB kann der Nachbar überragende Äste und
eindringende Wurzeln, wenn sie sein Eigentum schädigen und auf seine Beschwerde hin nicht binnen angemessener
Frist beseitigt werden, kappen und für sich behalten.
Aus dem Wortlaut obiger Bestimmung ergibt sich, dass das Kapprecht nur
dem benachbarten Grundeigentümer zusteht. Entsprechend steht der Anspruch aus Art. 687 ZGB
geschädigten Mietern oder Pächtern nicht zu.
Notwendige Voraussetzung für das Kapprecht ist eine Schädigung
des nachbarlichen Grundstückes durch die überhängenden Äste und eindringenden Wurzeln. Eine
Schädigung in diesem Sinne wird in der Regel nur dann vorliegen, wenn der Nachbar in der Benutzung seines
Grundstückes beeinträchtigt wird. Darunter ist jede Beeinträchtigung in der Bewirtschaftung und
Benutzung des Grundstückes zu verstehen. Eine Schädigung im Sinne des Gesetzes liegt auch vor, wenn z.B.
Äste eines Baumes über einen Weg oder eine Strasse ragen und den Nachbar beim Fahren behindern.
Bevor der Nachbar die schädigenden, überhängenden
Äste und eindringenden Wurzeln kappen darf, muss er sich beim Baumeigentümer wegen des Überhanges
beschweren. Eine mündliche oder schriftliche Benachrichtigung genügt. Aus Beweisgründen ist jedoch die
schriftliche Form sehr zu empfehlen.
Mit der Beschwerde ist eine angemessene Frist anzusetzen, innert welcher
der Baumeigentümer die Kappung selbst vornehmen soll. Die dem Baumeigentümer zu setzende Frist muss nach
Tagen, Wochen oder Monaten bestimmt sein. Der Baumeigentümer muss genau wissen, von welchem Zeitpunkt an der
Nachbar sein Kapprecht ausüben kann. Die Frist muss dabei eine angemessene sein. Die Angemessenheit beurteilt sich
nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalles, also nach Jahreszeit, dem Schaden, den der
überhang anrichtet, sowie nach dem Schaden, welcher dem Baumeigentümer durch eine unzeitige Kappung entsteht.
Die Kappung der Äste soll danach ohne Not nicht ausserhalb der Zeit vom 1. November bis 1. März verlangt
werden.
Der Baumeigentümer kann die Reklamation als begründet
anerkennen und rechtzeitig durch Selbstkappung Abhilfe schaffen. Er hat dann die Möglichkeit, die Kappung schonend
und kunstgerecht auszuführen.
Verhält sich der Baumeigentümer dagegen passiv, kann der
Nachbar nach Ablauf der gesetzten Frist die Kappung ohne weiteres selbst vornehmen. Das Kapprecht wird dem Nachbar als
erlaubte Selbsthilfe vom Gesetzgeber gewährt.
Das Kappen der überhängenden Äste und eindringenden
Wurzeln hat der Nachbar möglichst sorgfältig auszuführen. Vor allem darf er die Äste und Wurzeln
nur bis zur Grenze zurückschneiden. Der berechtigte Nachbar hat aber keinen Anspruch auf Ersatz seiner
Arbeit.
* lic. iur., Rechtsanwalt, HEV Zürich |