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Lärmimmissionen durch den Nachbarn * Harald Solenthaler
Auf Grund der dichten und engräumigen Bauweise, zum Teil auch
wegen hellhöriger Baukonstruktionen führen Lärmimmissionen immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen
direkt angrenzenden Nachbarn. Lärmbelästigungen, die mit der Grundstücksnutzung zusammenhängen und
nicht übermässig sind, hat der Nachbar zu dulden. Weder kann der betroffene Nachbar absolute Ruhe verlangen,
noch kann der andere Nachbar unbeschränkt Lärm erzeugen.
In den meisten Fällen ist die Ursache für
Lärmbelästigungen zu lautes Musikhören, Musizieren oder der Gebrauch eines lärmigen Haushalt- bzw.
Gartengerätes, wie z.B. eines Rasenmähers. Damit dieser sog. "Wohnlärm" auf ein erträgliches Mass
beschränkt wird, haben viele Gemeinden bestimmte Ruhezeiten entweder in ihren allgemeinen Polizeiverordnungen oder
in ihren Gemeindeordnungen geregelt. Diese Bestimmungen verbieten lärmintensive Tätigkeiten über Mittag,
während der Nacht sowie an Sonn- und Feiertagen. Bei deren Nichtbeachtung kann der betroffene Nachbar direkt die
Polizei beiziehen. Damit lässt sich die aktuelle Lärmimmission rasch unterbinden. Doch bevor der Beizug der
Polizei in Erwägung gezogen wird, sollte das Gespräch mit dem lärmverursachenden Nachbar gesucht werden,
weil die Einschaltung der Polizei das nachbarliche Verhältnis längerfristig belasten könnte.
Verbot übermässiger Lärmimmissionen Ist das Problem nicht mit der Ruhezeitenregelung in den Polizeiverordnungen zu lösen und
die Lärmimmission generell zu untersagen, sind die Bestimmungen des schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB)
massgebend. Nach Art. 684 ZGB hat der Grundeigentümer bzw. der Nachbar bei der Ausübung seines Eigentums alle
übermässigen Einwirkungen auf das Eigentum des Nachbarn zu unterlassen. Neben Rauch, Russ, lästige
Dünste und Erschütterungen erwähnt der Gesetzgeber ausdrücklich Lärm als mögliche
Einwirkung. Solange solche Einwirkungen mit der normalen Grundstücksnutzung zusammenhängen und nicht
übermässig sind, müssen diese vom Nachbarn hingenommen werden. Inwieweit eine Einwirkung
übermässig ist, hat der Richter nach eigenem Ermessen im konkreten Einzelfall zu entscheiden. Für die
Beurteilung der Übermässigkeit ist nicht die individuelle Ansicht des betroffenen Nachbarn sondern es sind
die objektiven Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Dabei ist auf das Empfinden eines "Durchschnittsmenschen"
abzustellen, der sich in der gleichen Situation wie der betroffene Nachbar befindet. Ausserdem wird bei der Beurteilung
die Art und Dauer der Immission sowie die Lage und Beschaffenheit des Grundstücks berücksichtigt. Unter der
Lage eines Grundstücks sind die örtlichen Verhältnisse, d.h. in welcher Umgebung sich das
Grundstück befindet, zu verstehen. Mit Beschaffenheit ist vor allem der Verwendungszweck der betroffenen
Grundstücke gemeint. Können sich die Nachbarn nicht gütlich
einigen und das Lärmproblem nicht lösen, bleibt dem betroffenen Nachbarn nur der Rechtsweg offen. Doch dieser
Schritt sollte gut überlegt sein, weil bei der Beurteilung des konkreten Falls dem Richter ein erheblicher
Ermessensspielraum zukommt.
* lic. iur., HEV Zürich |
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