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Echte Wohnungsnot oder nur mehr Lust zum
«schöner Wohnen»? Nach einigen Jahren, in denen viele
Wohnungen leer standen und Wohnungssuchende gewissermassen die Qual der Wahl hatten, stieg in den letzten zwei, drei
Jahren die Nachfrage nach Wohnraum wieder spürbar an. Sofort ertönte der Ruf «Wohnungsnot!» und
natürlich die Forderung nach Massnahmen für einen besseren Mieterschutz. Was war aber überhaupt
geschehen? Es war keineswegs so, dass die Wohnbevölkerung plötzlich explodiert ist oder dass massenweise
Wohnhäuser abgerissen worden wären und deswegen Wohnungen zur Mangelware geworden sind. Gemäss dem
Statistischen Jahrbuch des Kantons Zürich hat der Wohnungsbestand in den vergangenen zehn Jahren nämlich mehr
als doppelt so stark zugenommen wie die Wohnbevölkerung. Je nach wirtschaftlicher Grosswetterlage verspüren
offenbar viele Mieter vermehrt Lust zum «schöner Wohnen». Die «Schuld» an der Verknappung
von Wohnraum liegt also nicht bei den Hauseigentümern, sie hängt vielmehr ab von der neu erwachten Nachfrage
und dem Verhalten der Mieter. Bei uns bedeutet Wohnungsnot also nichts anderes, als dass nicht alle Mieter so schnell,
wie sie es wünschten, eine grössere oder komfortablere Wohnung angeboten erhalten. Dabei liegt die
durchschnittlich beanspruchte Wohnfläche pro Einwohner bei uns im europäischen Vergleich an der Spitze. Von
echter Not kann also keine Rede sein. So überrascht auch wenig, dass bei Neuvermietungen regelmässig die
attraktivsten Wohnungen als erste vermietet werden. Gemäss einer
gesetzlichen Vorschrift ist in Zeiten von (echtem!) Wohnungsmangel beim Abschluss eines Mietvertrages ein im
Obligationenrecht vorgesehenes Formular zu verwenden. Damit sollen Mieter vor missbräuchlichen Anfangsmietzinsen
geschützt werden. Der Begriff des Wohnungsmangels ist umstritten, die
Zahlen werden jedenfalls wenig zuverlässig erhoben. Lediglich neun (1999) bzw. sechs (2000) Mal wurde im ganzen
Kanton Zürich in den vergangenen Jahren der Anfangsmietzins vor einer Schlichtungsbehörde angefochten. Dies
obwohl jedes Jahr 50'000 bis 80'000 neue Mietverträge abgeschlossen werden. Sogar das Bundesgericht hat
festgestellt, dass die Formularpflicht «nicht unentbehrlich» (also entbehrlich) sei. Die Formularpflicht
ist nichts als eine bürokratische Schikane und ändert mit Bestimmtheit nichts daran, ob Wohnungsnot herrscht
oder nicht. Sie schafft auch keine neuen Wohnungen. Die Verwendung des Formulars verschafft dem Mieter keinerlei
Rechte, die er nicht ohnehin hat. Auch beschränkt das Formular die Möglichkeit des Vermieters nicht, den
Anfangsmietzins nach eigenem Gutdünken festzusetzen. Das Nichtverwenden des Formulars bleibt faktisch auch ohne
Folgen. Die Formularpflicht beim Abschluss eines neuen Mietvertrages ist also nichts als überflüssiger
bürokratischer Leerlauf, der niemandem nützt! Mit einer Parlamentarischen Initiative haben Exponenten des HEV
Kanton Zürich im Kantonsrat die rasche Abschaffung verlangt. In der letzten April-Sitzung hat der Kantonsrat das
Anliegen mit überwältigender Mehrheit unterstützt und verabschiedet. Bedauerlicherweise wollen sich
Exponenten des Mieterverbandes diesem Verdikt nicht unterziehen und haben das Referendum angedroht. Einstweilen
dürfen also weiterhin sinnlos Tausende von Formularen ausgefüllt werden. |
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