 |
Behindertengleichstellung Augenmass, auch im
Interesse der Betroffenen Die Gleichstellung von behinderten Menschen ist ein
Verfassungsauftrag. In Artikel 8 heisst es: «Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von
Benachteiligungen der Behinderten vor.» In der letzten Woche der Sommersession ist der Nationalrat den
Behinderten ein Stück weit entgegengekommen. Zu wenig, finden diese und geben sich enttäuscht, kommt die
nationalrätliche Lösung doch bei weitem nicht an die Ziele der Volksinitiative «Gleiche Rechte für
Behinderte» heran, welche im Juni 1999 eingereicht wurde. Die grosse Kammer ist zwar bereit, die Gleichstellung
voranzutreiben. Sie liess aber auch durchblicken, dass nicht alle Wünsche erfüllbar sind. Die alIzu hohen
Erwartungen, die nach den Kommissionsberatungen geweckt wurden, sind auf realistische Ziele reduziert worden. Dies
nicht zuletzt im Interesse der Behinderten selbst, denn was nützt ihnen eine gut gemeinte Gesetzesformulierung,
wenn die Furcht vor hohen zusätzlichen Kosten die Arbeitgeber davon abhält, in Zukunft Behinderten eine
Stelle anzubieten. Die nationalrätlichen Beschlüsse haben auch bei
Immobilien kostenintensive Folgen. Einmal mit der Ausdehnung des Geltungsbereichs auf Altbauten bei öffentlich
zugänglichen Gebäuden, zum anderen im gesamten Mietwohnungsbereich, sofern eine Liegenschaft mehr als acht
Wohnungen aufweist. Für behindertengerechte Einrichtungen beim öffentlichen Verkehr will der Gesetzgeber 300
Millionen Franken aus Steuergeldern zur Verfügung stellen, hingegen ist er nicht bereit, bei Mietwohnungen an die
entsprechenden Anpassungen Beiträge zu leisten. Ein entsprechender Antrag des Verfassers dieses Artikels wurde
abgelehnt. Bei Mietwohnungen sind auch Altbauten mit mehr als acht Wohnungen
den neuen Bestimmungen unterstellt, sobald sie «erneuert» werden. Was als Erneuerung gilt, wird später
vom Bundesrat auf Verordnungsebene bestimmt. Die Unterstellung verlangt, dass ein behindertengerechter Zugang zu allen
Wohnungen uncl natürlich zum Gebäude selbst realisiert wird, also Rampen statt Treppen beim Zugang zum Haus
und Lift im Inneren. Die damit verbundenen Kosten können beträchtlich sein und in vielen Fällen dazu
führen, dass Hausbesitzer und Verwaltungen von Erneuerungen absehen oder diese hinausschieben, um nicht unter die
neuen Bestimmungen zu fallen. Damit wäre den Behinderten selbst am wenigsten gedient und gerade deshalb ist bei
der Umsetzung des Behindertengesetzes Augenmass am Platz. |
 |