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Schlingpflanzen, Kletterpflanzen, Lianen * Gernot Grueber Warum haben Pflanzen
eigentlich angefangen, in die Luft zu gehen? Richtig: Weil sie unten am Boden zu wenig Licht bekamen. Wenn man beim
Bild bleibt: Sie gehen nicht in die Luft, sondern ins Licht. Spätestens hier können wir feststellen, dass
fast jede Pflanzengattung eine eigene Klettermethode entwickelt hat. Grundsätzlich geht es um die Erhaltung der
Art,
darum, sich nicht unterdrücken zu lassen,
im Konkurrenzkampf (ums Licht) Sieger zu
bleiben. Eine schlingt regelrecht mit einer spiraligen Bewegung. Beobachten Sie einmal, welche Lianen einen Rechts-
und welche einen Linksdrall haben! Bohnen? Glycinien/Blauregen? Die einheimischen Geissblätter/Lonicera
caprifolium, periclymenum und viele andere gartenwerte Arten. Aber dann gibt es auch die Spreizklimmer, die sich durch
lange Ruten über die Äste der Trägerpflanzen legen, nach oben hangeln. Ja, auch so kommt man ans Licht.
Kletterrosen, grosse Parkrosen, Pauls Hymalayan Musk und Brombeeren und ihre Verwandten, z.B. Rubus cockburnianus,
passen zu diesem Verhaltenstypus. Kiwi schlingen und spreizklimmen. Andere, da gehören die Clematis dazu, haben
ihre Blattstiele zu Kletterhilfen umfunktioniert. |
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Die Weinreben und
Jungfernreben haben intermittierend anstelle von Blättern Halteranken entwickelt. Wenn man nur nach oben kommt
es ist ihnen auch die Spreizklimm-Methode recht. Besonders wirksam ist die Kombination von mehreren Methoden.
Der Efeuwein Parthenocissus Veitchi ist sozusagen ein Fassadenkletterer. Dazu hat er einen Teil seiner Blätter zu
Haftpfötchen umfunktioniert, die sich auch an glatten Oberflächen ansaugen können. Efeu und die
fernöstlichen Pfaffenkäppchen/ Euonymus-fortunel-Kultivare klettern mit ihren Haftwurzeln; zumindest solange
sie im kleinblättrigen und unfruchtbaren Jugendstadium sind. Dasselbe gilt auch für die
Kletterhortensie/Hyprangea petiolaris. Diese Unterschiede in den Methoden können wir auch bei den einjährigen
«Schlingern» beobachten. Denken Sie nur an Trichterwinde, Schwarzaugen-Susanne, Cobaea scandens und die
Zierwicken. Welche Methode wendet der Hopfen an? Windet er rechts oder links? Machen Sie einen Trip in die Stammheimer
Gegend und finden Sie die Antwort. |
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 Glycinien |
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Wenn Sie einen Hopfen im Garten ansiedeln wollen und sich
auf die dekorativen Zäpfchen freuen, müssen Sie sicher sein, ein «Weibchen» zu kaufen.
Übrigens, damit Sie nicht meine Telefonnummer erfragen müssen: rechtswindend ist so, wie die Uhr läuft.
Und dann kommen noch die vielen Meinungsfragen: Wirken Pflanzen an der Fassade tatsächlich als wärmender,
schützender Pflanzenpelz, oder ist die Wirkung eher auf der Seite «Schaden am Verputz» zu suchen?
Meines Grossvaters Haus war ein Riesenklotz von drei Stockwerken talseits, 20x12 Meter. Diese Riesenflächen waren
rundum and bis unters Dach mit Efeuwein begrünt. Die Fensterläden konnte man kaum mehr bedienen; es wollte
sie auch niemand am Abend zumachen. Die Fensterausschnitte mussten einmal pro Jahr freigeschnitten werden.
Eichhörnchen spielten in der Horizontalen «Fangis» ums Haus herum. Sie trieben es bisweilen zu weit,
gelegentlich knabberten sie ein Duvet in den Schlafzimmern im oberen Stockwerk an, um damit ihre Kinderstube zum
5-Sterne-Hotel zu machen. Das wurde nicht lange geduldet. Spinnen nisteten in diesem Pelz und sorgten dafür, dass
es den Fliegen nicht zu wohl wurde. Während der Bütezeit war der ganze Pflanzenpalast ein gewaltiges Gesummse
von Bienen, denen der Nektar, bzw. der Bütenstaub behagte, and im Herbst war kein Haus in der ganzen Stadt ein
solches Farbenspiel von Gelb über Gelborange zu Karminrot. Die Blätter fielen innert kurzer Zeit ab and sie
waren gross genug, dass sie auf dem nassen Pflaster beim Zusammennehmen nicht klebten. Die Ranken, die bis zur
Dachuntersicht wuchsen, waren manierlich genug, um nicht in die Ritzen hineinzuwachsen and Schaden zu stiften.
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Sie sehen: Ich
hätte mindestens 50 verschiedene Optionen vor Ihnen ausbreiten können. Manchmal muss es auch einem Autor
gewährt werden, seinen Gefühlsüberschwang loszuwerden. Jetzt wurde aus meinem Lianen-Sightseeing ein
Pädoyer fur den Efeuwein. Auf dem beigefügten Bild sehen Sie die allbekannte Glycinie/Wistaria sinensis.
Von den Glycinien gibt es mehr als zehn verschiedene Sorten, die in wenigen spezialisierten Betrieben herangezogen and
zum Verkauf angeboten werden. Es gibt Farbvarianten zwischen Lilablau über Rosa bis Weiss. Eine davon heisst auf
englisch Maidenlips; die Blüten sind weiss mit einem rosaroten Hauch auf den äusseren Bütenzipfeln. Eine
andere hat den viel versprechenden Namen Drachenglycinie, sie ist eher im dunkleren Farbenbereich. Manche haben
Blütentrauben von bis zu 50 cm Länge, manche duften and andere haben die Tendenz, eine zweite
Blüte aufzutischen. Longissima Alba, Carolyne, Lawrence, Floribunda Longissima, Prolific and Issal sind weitere
Perlen in diesem Collier. |
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 Selbstklimmender Efeuwein Parthenocissus Veitchi |
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Etwas sehr Wichtiges: Glycinien müssen unbedingt
veredelt sein. Sonst erleben Sie ein fast unendliches Wachstum, ohne zu der erhofften Blütenfülle zu kommen.
Der Grund: Alle im Handel angebotenen Sorten sind Frühentwickler, die mit der geringen Sonnenschein und
Sommerdauer unserer Breitengrade in die Altersphase mit entsprechender Blühinduktion «kippen»
können. Aus diesem Grund muss auch bei jüngeren Pflanzen darauf geachtet werden, dass keine Wildtriebe aus
der Unterlage unterhalb der Veredlung toleriert werden. Glycinien wachsen schnell and erobern spielend grosse
Flächen (schattige Autoabstellpergola). Sie ranken ohne Mühe vier Stockwerke hoch. Allerdings muss man sie
daran hindern, in hölzerne Dachuntersichten einzudringen. Im Übrigen sind sie ein Gespräch zwischen
Gartenamateur und Fachmann wert.
* Pflanzenschulen, Langnau am Albis |
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