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Kinder und Hauseigentum: oft gestellte
Fragen * Lukas Kramer
Im Rahmen der unentgeltlichen Rechtsauskünfte für Mitglieder
gehen beim Hauseigentümerverband nicht selten Fragen zum Thema «Hauseigentum und Kinder» ein.
Besonders häufig sind dabei Erkundigungen im Zusammenhang mit der Sicherheit eigener oder z.B. benachbarter
Kinder, also vorwiegend Fragestellungen zum Haftpflichtrecht, wie etwa «muss ich mein Gartenbiotop zum Schutz der
Nachbarkinder einzäunen?» oder «wer haftet, wenn durch eine fehlerhafte Vorrichtung der
gemeinschaftlichen Spielanlage meinem Kind verletzt wird?». Neben der
vertraglichen Haftung (welche eben ein Vertragsverhältnis voraussetzt) gibt es auch eine sogenannte
«ausservertragliche» Haftung, die zumeist keine besondere Rechtsbeziehung zwischen den Akteuren bedingt.
Die Gesamtheit der Gesetzesbestimmungen, welche diesen Problemkreis regeln, bezeichnet man als Haftpflichtrecht. Die
hauptsächlichsten Gesetzesnormen dazu sind die Art. 41 ff. OR, allerdings sind viele sehr bedeutsame Bestimmungen
auch über das restliche Zivilrecht verstreut oder finden sich in Spezialgesetzen, was die Orientierung
gerade für den Laien sehr erschwert. Zu beachten ist, dass die Frage nach einer eventuellen Haftpflicht stets zu
trennen ist von der Frage, ob eine (obligatorische oder freiwillige) Versicherung vorliegt. Haftpflichtig wird in aller
erster Linie stets der nach Gesetz verantwortliche Schädiger, ob er nun versichert ist oder
nicht. Im Zusammenhang mit dem Hauseigentum sind zunächst die Haftung des
Grundeigentümers nach Art. 679 ZGB und jene des Werkeigentümers nach Art. 58 OR zu erwähnen.
Natürlich können Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer auch aus allen übrigen Arten der
Haftung (etwa als Tierhalter gemäss Art. 56 OR oder als Geschäftsherr nach Art. 55 OR, um nur zwei
Beispiele zu nennen) verantwortlich werden. Die diversen gesetzlichen Haftungsgrundlagen schliessen einander allgemein
nicht aus, sondern ergänzen bzw. konkurrieren sich, wobei es jedoch gewisse Rangordnungen gibt. Die erwähnte
Haftung nach Art. 679 ZGB greift dann, wenn zufolge Überschreitung der Grundeigentümerrechte eine benachbarte
Person (also nicht z.B. ein blosser Passant) geschädigt wird. Es handelt sich hiebei um eine sogenannte
Kausalhaftung, d.h. sie wirkt auch ohne ein Verschulden des Grundeigentümers. Die ebenfalls erwähnte
Werkeigentümerhaftung knüpft an das Eigentum eines Werkes (Gebäude, Spielplatz-Anlage, Strasse, etc.)
an, wobei es vor allem um die Folgen mangelhafter Herstellung oder/und mangelhaften Unterhalts geht. Auch diese Haftung
ist kausal, also verschuldensabhängig. Die genannten Kausalhaftungen
beruhen auf der gesetzgeberischen Überlegung, dass den Eigentümer eines Grundstücks bzw. eines Werkes
eine besondere Verantwortung für dessen Sicherheit bezüglich Dritten (eben z.B. Kindern)
trifft. Eine weitere Haftungsgrundlage, welche im Zusammenhang mit dem
Hauseigentum von Interesse sein kann, bildet der sogenannte «Gefahrensatz»: danach ist jeder dafür
verantwortlich, selbst geschaffene Gefahren so zu handhaben, dass keine Schädigung von Dritten eintritt,
ansonsten er haftpflichtig wird. Wer also z.B. auf seinem Grundstück gefahrengeneigte Aktivitäten (z.B.
Bogenschiessen) betreibt oder auch Zustände (z.B. hochgiftige Pflanzen mit einladenden Beerenfürchten)
schafft oder duldet, kann auf dieser Grundlage haftpflichtig werden. Im
Zusammenhang mit Kindern ist allerdings zu erwähnen, dass diese nicht nur als Geschädigte, sondern auch als
Schädiger wie es im Juristendeutsch etwas hart heisst in Erscheinung treten können. Auch ein
Kind (bzw. ein Unmündiger / eine Unmündige) kann nach Art. 19 Abs.3 ZGB haftpflichtig werden, sofern mit
Bezug auf das schädigende Verhalten die sogenannte Urteilsfähigkeit (gemäss Art. 16 ZGB) gegeben ist.
Ein zwölfjähriger Knabe, der etwa mit einem Stein absichtlich eine Fensterscheibe einwirft, dürfte z.B.
insofern als urteilsfähig anzusehen sein und daher haftpflichtig werden, wobei die Eltern nach den Regeln des
Familienrechts gegebenenfalls finanziell einzuspringen haben. Bei von Unmündigen verursachten Schäden kommt
des weiteren auch die «Haftung des Familienhauptes» gemäss Art. 333 ZGB in Spiel, welche die
Verantwortlichkeit des «Familienhauptes» (zumeist werden dies die Eltern sein) statuiert. Dem
«Familienhaupt» steht dabei der Entlastungsbeweis offen, es habe «das durch die Umstände
gebotene Mass an Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet», im übrigen ist die Haftung nach Art. 333 ZGB
eine kausale, d.h. verschuldensunabhängige. Bei Schadenfällen mit Kindern stellt sich daher regelmässig
auch die Frage nach der ausreichenden Beaufsichtigung. Rund um das
Haftpflichtrecht gibt es eine Reihe von Volksweisheiten, die meist erst zum Zug kommen, «wenn das Kind in den
Brunnen gefallen ist»: «aus Schaden wird man klug» oder «wer den Schaden hat, braucht für
den Spott nicht zu sorgen», aber auch «vorbeugen ist besser als heilen». Gerade der letzte Satz
findet auch im Gesetz eine Entsprechung, indem es möglich ist, gefahrenträchtige Zustände auch
vorbeugend anzugehen, etwa mittels Präventivklage nach Art. 59 OR (bezüglich Bedrohung durch Werke bzw.
Gebäude). Im Sinne des Vorbeugens empfiehlt sich generell, Gefahren möglichst gering zu halten und alles
vorzukehren, was von einem umsichtigen Haus- oder Werkeigentümer erwartet werden kann. Leichtfertiges Handeln nach
dem Motto «wird schon (nichts) schiefgehen» führt allzu oft zu unerfreulichen Vorfällen. Gegen
die finanziellen Folgen sollte ferner, namentlich bei tendenziell gefährlichen Situationen oder Aktivitäten,
der Abschluss entsprechender Versicherungsverträge geprüft werden (z.B. «Bauherrenhaftpflicht»
bei Bautätigkeit). Passiert dennoch einmal etwas, lohnt es sich zumeist, unabhängigen rechtlichen Rat
einzuholen. Für Mitglieder des Hauseigentümerverbandes besteht die Möglichkeit, dies im nächsten
Dienstleistungszentrum zu tun.
* lic. iur., HEV Winterthur |
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