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HEV 1/2003 Inhaltsverzeichnis
Unser Garten

Pflanzenjagd – abenteuerlich und gefährlich
* Barbara Scalabrin-Laube

Wer im Winter durch den Garten geht und sich an den gelben Blüten des Jasmins (Jasminum nudiflorum) freut, wird kaum daran denken, dass er dieses Gehölz dem schottischen Pflanzenjäger Robert Fortune (1812-1880) verdankt, welcher 1844 Jasminsamen aus Westchina nach Europa brachte. Damals war er im Auftrag der englischen Horticultural Society nach China gereist, um die chinesische Gartenkunst zu studieren und Samen von neuen, winterharten Pflanzen zu sammeln. Vor allem sollte er nach blauen Pfingstrosen, gelben Kamelien (!), Lilien, Orangenbäumen und verschiedenen Teesorten suchen. Obwohl er unter extremen Temperaturen und Entbehrung litt, ihm die Einheimischen mit Misstrauen begegneten und ihn gar bedrohten, gelang es ihm, seine Aufgabe zu erfüllen. Viele weitere Pflanzen wie z.B. die Weigelie (Weigelia florida) aus Nordchina, die Forsythie (Forsythia viridissima) oder der Rhododendron (Rhododendron fortunei) aus Südostchina fanden dank der Hartnäckigkeit dieses ehrgeizigen Forschers den Weg in unsere Gärten. Später sollte er zudem Japan erforschen, von wo er etwa die Herbstanemone (Anemone hupehensis var. japonica) und die Mahonie (Mahonia japonica) mitbrachte.
      Obwohl die europäische Flora reich und vielfältig ist, fühlten sich Gärtner und Pflanzenfreundinnen schon immer vom Fremden und Exotischen angezogen. So wachsen heute in unseren Gärten Penstemon und Lupinen aus Nordamerika neben Gladiolen und Geranien aus Südafrika. Eine achttausend Kilometer lange Reise haben die Rhododendren aus dem Himalaja hinter sich, während die einheimische Heckenrose schon längst von den edleren Schwestern aus China verdrängt wurde. Die Liste der Fremdlinge könnte unendlich verlängert werden, obwohl nur ein kleiner Teil aller gesammelten Pflanzen kultiviert und als gartenwürdig befunden worden ist.  
 
  Einige Pflanzenjäger wie z.B. Sir Joseph Dalton Hooker (1817-1911), ein Freund von Darwin und Leiter des botanischen Gartens Kew, nahmen die meist entbehrungsreichen und gefährlichen Reisen aus wissenschaftlicher Neugier auf sich. Ihnen ging es darum, die nationalen botanischen Datenbanken zu vervollständigen und die Klassifizierung der Flora voranzutreiben. Andere hingegen waren mehr an Neuheiten für den Garten interessiert, wie die folgenden Beispiele zeigen:  
   
Eine Erfindung von Nathaniel Ward: Verglaste «Pflanzenkäfige» für den Transport  
  Die klassische Schönheit und den einmaligen Duft der Königslilie (Lilium regale) verdanken wir Ernst Wilson (1876-1930). Im August 1910 entdeckte er die zauberhaften Blüten in einem unwegsamen Tal in Sichuan, wo es im Sommer sehr heiss und im Winter äusserst kalt ist. 6000 Zwiebeln gruben die Träger nach der Blüte aus, bevor sie sich zusammen mit ihrem müden, aber glücklichen Führer auf den Rückweg nach Yichang machten. Unterwegs fiel Wilson aus Unachtsamkeit aus der Sänfte, stürzte in eine Felsspalte und brach sich mehrmals das Bein. Während er auf dem Trampelpfad lag und sein Bein mit dem Fotostativ schiente, nahte ein Herde Maultiere, welche über den Verunfallten stolperte, ihn jedoch nicht verletzte. Drei Tage später erreichte die Gruppe ein Missionslager, wo das Bein trotz massiver Infektion gerettet werden konnte.  
  Kaum war der Forscher genesen (er sollte sein Leben lang behindert bleiben), liess er 5000 gepresste Pflanzen und 1285 Samenpakete an seinen Auftraggeber schicken. Darunter befanden sich - wie sich bei der späteren Sichtung herausstellte - 323 neue Arten. Insgesamt verdanken wir diesem Pflanzenjäger über tausend "Neuheiten". In unserem Garten findet man z.B. folgende «Wilsons»: den mit seinen weissen Scheinblütenblättern auffallenden Taschentuchbaum (Davidia involucrata), den Schatten verträglichen immergrünen Schneeball (Viburnum davidii), den Blütenhartriegel (Cornus kousa var. chinensis), die einmal blühende Strauchrose (Rosa moyesii), die gelbe Clematis (Clematis tangutica) und die rosarote Clematis montana var. rubens wie auch das nicht ganz winterharte Bleikraut (Ceratostigma willmotianum).
Vielleicht wachsen in Ihrem Garten Lupinen (Lupinus polyphyllus) und Zierjohannisbeeren (Ribes sanguineum). Beide Pflanzen wurden von David Douglas (1799-1834) in Kalifornien entdeckt. Schon als Elfjähriger begann der Schotte eine sieben Jahre dauernde Gärtnerlehre, während der er wegen seines Interesses an der Botanik auffiel und entsprechend gefördert wurde. 1823 reiste er im Auftrag der neu gegründeten Pfanzengesellschaft Horticultural Society nach Nordamerika, von wo er ein Jahr später mit vielen neuen Sorten von Apfel-, Birn-, Pfirsich- und Zwetschgenbäumen und Trauben sowie unbekannten Zierpflanzen nach England zurückkehrte. Weitere Exkursionen nach Amerika folgten. Diese wurden jeweils von den Mitgliedern der Horticultural Society finanziert, welche je nach Höhe ihrer Subskription eine Anzahl exotischer Samen bekamen.
 
  Wer in jener Zeit in der neureichen, englischen Gesellschaft Rang und Namen haben wollte, musste seinen Erfolg unter anderem mit dem Kauf eines Landhauses mit passendem Garten beweisen. David Douglas' wohl berühmtester Fund war - neben vielen weiteren Koniferen - die Douglasie (Pseudotsuga menziesii) aus den kanadischen Bergen. Da er über seine Exkursionen Tagebuch führte, ist bekannt, welche Abenteuer und Gefahren er zu bestehen hatte. Von seiner letzten Exkursion auf Hawaii kehrte er nicht mehr zurück, denn nach einer Nacht bei einem Trapper fiel er in eine Falle und wurde vom darin gefangenen Bullen zu Tode getrampelt. Gerüchten zufolge soll ihn der Trapper eigenhändig in die Falle gestossen haben, weil der Forscher ein Verhältnis mit dessen Frau gehabt hatte. Das Geheimnis wurde nie gelüftet.      

Illustration von Miss Drake:
Pflanzen, welche David Douglas aus Nordwestamerika nach Europa brachte.
 
  Natürlich reisten nicht nur Briten in ferne Länder, um Pflanzen zu suchen, sondern auch deutsche, französische und holländische Forscher waren unterwegs, um «grünes Gold» zu finden. So reiste der Mediziner Philipp Franz von Siebold (1796-1866) 1823 nach Nagasaki, wo er sich auf der Vorinsel Dejima einrichtete. Ausländern war das Betreten Japans damals nicht erlaubt, doch dank Beziehungen zu japanischen Ärzten gelang es ihm, Pflanzen zu bekommen und ins Landesinnere zu reisen. Sechs Jahre nach seiner Ankunft wurde er wegen Verdachts auf Spionage des Landes verwiesen und nach Holland zurück geschickt. 120 Kisten mit gesammelten Schätzen waren in seinem Gepäck; 250 der 500 gesammelten Pflanzen überlebten den Transport, darunter die Sternmagnolie (Magnolia stellata), die Glyzinie (Wisteria floribunda) und der Blauglockenbaum (Paulownia tomentosa). Kurz vor seinem Tod konnte der Sammler mit seinem deutschen Sohn zusammen nach Japan zurück kehren und seine japanische Frau und die gemeinsame Tochter besuchen. Offenbar hatten die niederländischen Diplomaten in Japan den Eindruck, dass Siebold sich zu sehr in ihre Geschäfte einmischte, was möglicherweise stimmte. In der Folge wurde er nach Europa zurück berufen, wo er kurz darauf starb.
Die «Jagdgeschichten» sind nicht abgeschlossen, denn noch immer werden Exkursionen gesponsert. Vor etwa zehn Jahren brachte der Engländer Roy Lancaster beispielsweise den blauen Lerchensporn (Corydalis flexuosa) aus China in unsere Gärtnereien. Sheila und Spencer Hannay fanden gleichzeitig die rotblättrige Wolfsmilch Euphorbia «Chamäleon» in der Dordogne, während Elizabeth Strangman auf einer Exkursion im ehemaligen Jugoslawien auf den Storchenschnabel Geranium phaeum «Samobor» stiess. Von Bleddyn und Sue Wynn Jones weiss ich, dass sie ihre Crûg Farm Nursery in Nordwales jeweils im Oktober für drei Monate schliessen, um auf Pflanzenjagd nach Asien zu fliegen. Falls Sie sich für ihre Expeditionen interessieren, erfahren Sie mehr unter www.crug-farm.co.uk. Alle diese Sammlerinnen und Sammler bringen vorzugsweise Samen und Stecklinge zurück, um die Flora zu schonen.
Neugierig verfolge ich jeweils die Berichte über Pflanzenexpeditionen. Dabei suche ich nicht nur nach unbekannten Kostbarkeiten für den Garten, sondern freue mich, dass trotz des grossen Wissens über die Flora weiterhin erfolgreich geforscht werden kann. Ausserdem gleichen die Expeditionsberichte der einzelnen Forscher und Forscherinnen oft Abenteuerromanen. Vielleicht haben Sie Lust, die Porträts der deutschen Pflanzenjäger im neu erschienen Buch «Pflanzenjäger» (Piper, München 2002) von Kej Hielscher und Renate Hücking zu lesen.

* Cottage Garden, 8453 Alten

 
     
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