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Zwingend,
relativ zwingend, dispositiv * Sandra
Dormann
Das Verhältnis
zwischen Mieter und Vermieter wird hauptsächlich durch den von ihnen
abgeschlossenen Vertrag bestimmt. Dieser kann bekanntlich schriftlich,
mündlich oder konkludent (etwa durch den Gebrauch des Mietobjektes und die
Entgegennahme von Mietzinsen) zustande kommen. So frei die Parteien in Bezug
auf die Form des Vertrags sind, so wenig sind sie es in Bezug auf dessen
Inhalt. Die im Privatrecht grosse Autonomie bezüglich des Vertragsinhaltes
ist im Mietrecht, wie beispielsweise auch im Arbeitsrecht, beschränkt
durch zahlreiche Bestimmungen, die unter Umständen der individuellen
Abmachung vorgehen.
Man unterscheidet zwischen
zwingenden und relativ zwingenden und dispositiven Bestimmungen:
Zwingend Zwingende
Bestimmungen sind solche, von denen die Vertragsparteien nicht abweichen
dürfen, auch nicht in einer individuellen Vereinbarung. Tun sie es
trotzdem, ist der entsprechende Teil der Vereinbarung ungültig und wird
somit im Streitfalle von einem Gericht nicht beachtet. Ein Beispiel für zwingende Bestimmungen im
Mietrecht sind die Formvorschriften der Kündigung. Vereinbaren die
Vertragsparteien (z.B. zwei gut Freunde), dass der Vermieter nicht auf dem
amtlich genehmigten Formular zu kündigen braucht, sondern dass ein
normales Schreiben genügt, so ist diese Vereinbarung ungültig. Sie
verstösst nämlich gegen die zwingende Vorschrift von Art. 266l
OR.
Relativ
zwingend Von den relativ zwingenden
Bestimmungen darf vertraglich zwar abgewichen werden, aber nur zugunsten und
nicht zuungunsten der Mieterschaft. Die relativ zwingenden Bestimmungen zielen
auf einen Mindestschutz der einen Partei ab. Im Mietrecht ist das immer der
Mieter. Vermieter und Mieter können also durchaus etwas anderes
vereinbaren als im Gesetz steht, gültig ist diese Vereinbarung aber nur,
wenn sie für den Mieter günstiger als die gesetzliche Regel
ausfällt. Die Bestimmungen des
Mietrechts zu den Kündigungsfristen gelten als relativ zwingend. Art. 266a
OR erklärt das ausdrücklich, indem er festlegt, die gesetzlichen
Fristen seien einzuhalten, sofern keine längeren vereinbart worden seien.
Ist in Art. 266c für Wohnungen eine Kündigungsfrist von 3 Monaten
vorgesehen, so heisst das nach dem Gesagten, dass die Vertragsparteien
rechtsgültig diese Frist auf 4 oder 5 Monate verlängern, nicht aber
auf 2 verkürzen können.
Dispositiv Mit Bezug
auf dispositive Bestimmungen haben die Vertragsparteien völlig freie Hand,
d.h. sie können frei davon abweichen. So kommen denn die dispositiven
Bestimmungen nur dann zur Anwendung, wenn der konkrete von den
Mietvertragsparteien abgeschlossene Vertrag keine andere Regel
enthält. Als Beispiel für eine
dispositive Bestimmung gilt Art. 257c OR, der die Fälligkeit des
Mietzinses regelt. Er bestimmt zwar, dass der Mietzins am Ende des Monats
bezahlt werden muss, schränkt aber ein, «wenn kein anderer Zeitpunkt
vereinbart oder ortsüblich ist.» Die Parteien sind somit in der
Bestimmung des Zahlungstermins völlig frei.
Es ist also absolut
zulässig, individuell formulierte Mietverträge abzuschliessen. Man
muss sich dabei aber des Risikos bewusst sein, etwas abzumachen, das vielleicht
aus den dargelegten Gründen nicht durchgesetzt werden kann. Leider sieht
man nicht jeder Gesetzesbestimmung an, ob sie zwingender Natur ist oder nicht.
Häufig muss das erst durch die Gerichte mittels Auslegung eruiert werden.
Eine fundierte rechtliche Beratung vor Vertragsabschluss ist jedenfalls sehr zu
empfehlen. Bei dieser Gelegenheit sei daran erinnert, dass der HEV Zürich
zusammen mit der Zürcher Sektion des SVIT und der VZI
Formularverträge herausgibt, mit welchen man sich solche Probleme ersparen
kann.
* lic. iur.,
HEV Zürich |
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