Hauseigentümerverband Zürich
Monatsschrift
Home
Verband
Veranstaltungen Seminare
Monatsschrift
Formulare
Handwerker
Links
HEV 4/2003 Inhaltsverzeichnis
Abstimmung vom 18. Mai 2003

Behinderten-Initiative:
für Hauseigentümer unverhältnismässige Kosten

* Rolf Hegetschweiler

Die Behinderten-Initiative verfolgt ein Ziel, hinter dem wir alle stehen: Behinderten Menschen soll das Leben in unserer Gesellschaft erleichtert werden. Seit 2000 ist die Gleichstellung Behinderter in der neuen Bundesverfassung verankert. Im Dezember 2002 hat das Parlament als indirekten Gegenvorschlag zur Initiative das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) verabschiedet. Es tritt am 1. Januar 2004 in Kraft und erfüllt die zentralen Forderungen der Initianten: Damit ist die Initiative von der Realität überholt worden, weshalb sie am 18. Mai abzulehnen ist.

Gemäss BehiG müssen Benachteiligungen gegenüber Behinderten verhindert, verringert oder beseitigt werden. Das Gesetz regelt die Anpassungsbereiche, -massnahmen und den Rhythmus der Anpassungen. Das macht die sich daraus ergebenden Kosten berechenbar. Der Initiativtext ist dagegen sehr offen gehalten – das birgt grosse Gefahren, insbesondere für die Hauseigentümer:
Mit der Initiative werden die Hauseigentümer zu Anpassungen für Behinderte verpflichtet und müssen sofort bei allen Gebäuden, egal ob alt oder neu oder gar unter Heimatschutz stehend, Massnahmen ergreifen. Die Initiative nimmt keine Rücksicht auf besondere Situationen oder die Geschichte des Hauses, auch nicht auf die Erneuerungszyklen von Altbauten. Dass das gelinde gesagt problematisch sein kann, ist bei historischen Gebäuden offensichtlich. Nicht minder problematisch ist es aber bei eben erst erstellten Gebäuden, wenn für die sofortigen Anpassungen womöglich alles wieder aufgerissen werden muss. Auf den ersten Blick weniger problematisch ist die Situation bei Neubauten, weil man ja sowieso bei Null beginnt. Aber geht es nicht zu weit, dass behindertengerechtes Bauen auch gefordert wird, wenn das Gebäude nur drei Wohnungen umfasst und davon auszugehen ist, dass nie Behinderte darin wohnen werden? Die Kosten dieser Massnahmen sind schwer abzuschätzen, gehen aber in die Milliarden und müssen von den Hauseigentümern allein getragen werden. Letztlich werden sie die Mieten spürbar verteuern und – ob gewollt oder nicht – das Angebot an günstigen Wohnungen für einkommensschwache Familien reduzieren.
Nicht zu unterschätzen ist sodann die Gefahr, dass die Initiative zu Klagen nach amerikanischem Muster führt: Laut Initiativtext müssen Benachteiligungen nämlich nicht nur beseitigt, sondern ausgeglichen werden, was kaum möglich ist. Ausnahmeregelungen sind nicht vorgesehen. Damit ist umfangreichen Klagen gegen Hauseigentümer, welche die Auflagen nicht umgehend erfüllen, Tür und Tor geöffnet. Keine wirkliche Hilfe ist das vermeintlich vernünftige Kriterium der «wirtschaftlichen Zumutbarkeit» im Initiativtext. Mit Sicherheit müssten die Gerichte in jedem einzelnen Fall wieder neu beurteilen, was das bedeutet. Von Rechtssicherheit kann keine Rede sein und Besitzer von Wohnhäusern müssen teure Gerichtsverfahren befürchten.
Die Initiative hat insofern ein Ziel erreicht, als dank ihr das BehiG zustande gekommen ist. An ihr festzuhalten ist jedoch kontraproduktiv: Sie will zuviel zu schnell und setzt die gegenüber behinderten Menschen bestehenden Sympathien aufs Spiel.
Demgegenüber setzt sich das BehiG mit einem klar definierten Massnahmenkatalog für die Rechte der Behinderten ein. Nur bei Wohngebäuden mit mehr als acht Wohneinheiten und bei Gebäuden mit mehr als 50 Arbeitsplätzen, wo mit anderen Worten eine erhebliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass auch Behinderte sie betreten, muss der Zugang für Behinderte gewährleistet werden. Zudem sind Anpassungen erst dann vorzunehmen, wenn Hausbesitzer Gebäude neu bauen oder renovieren. Sukzessive werden so alle grösseren Altbauten mittel- bis langfristig angepasst. Dieser Zeit- und Kostenrahmen ist vernünftig und für die betroffenen Hauseigentümer einigermassen tragbar.
Und noch ein entscheidender Unterschied: Laut BehiG müssen keine Anpassungen vorgenommen werden, wenn zwischen dem zu erwartende Nutzen für Behinderte und dem wirtschaftlichen Aufwand ein Missverhältnis besteht. Auch die Interessen des Umweltschutzes sowie des Natur- und Heimatschutzes und die Anliegen der Verkehrs- und Betriebssicherheit sind zu berücksichtigen. Der «wirtschaftlicher Aufwand» ist zudem in dem Sinne präzisiert, dass die Anpassung 5 Prozent des Gebäudeversicherungswertes bzw. des Neuwertes der Anlage oder 20 Prozent der Erneuerungskosten nicht übersteigen darf.
Das Gesetz erleichtert den Behinderten über zahlreiche Massnahmen den Alltag in unserer Gesellschaft. Die Forderungen sind anderseits auch für die Hauseigentümer umsetzbar. Ein NEIN zur Behinderten-Initiative drückt daher nicht mangelndes Verständnis für die Anliegen der Behinderten aus, sondern legt die Basis zu einer konstruktiven Behindertenpolitik.

* Direktor HEV Kanton Zürich und HEV Zürich

     
Inhaltsverzeichnis