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Flachdach
nicht saniert = mangelhafter Unterhalt *
Dr. Felix Hunziker-Blum Das 1976
erbaute Einfamilienhaus in einer Flughafengemeinde ist mit einer Sarnafil-Folie
abgedeckt. Im Zweifel darüber, wie es mit der Fluglärmbelastung
weitergehe und ob sich eine substanzielle Investition ins Haus deswegen
verantworten liesse (Aufstocken oder Aufbau eines Satteldaches mit
Dachstockausbau), schob der Hauseigentümer den Ersatz der Folie hinaus und
erhöhte die Frequenz, mit welcher er das Dach kontrollierte. Er liess auch
an verschiedenen Stellen, so namentlich am Kaminabschluss, Reparaturen der
Folie vornehmen. Bei seinen Kontrollen musste er gelegentlich auch etwas Kies
verschieben. Im Frühling 2001 zog ein Hagelsturm über das Dorf. Auf
dem Flachdach wurde Kies von den Rändern abgeschwemmt, und eiergrosse
Hagelkörner schlugen Löcher in die blankgelegte Sarnafil-Folie. Die
Wiederherstellungskosten belaufen sich auf rund CHF 30'000..
Die Gebäudeversicherung Zürich lehnte eine Entschädigungspflicht
ab. Die Rekurskommission bestätigte diesen Entscheid, ebenso das
Verwaltungsgericht. Hagelschäden
sind Elementarschäden und als solche versichert (§ 19
Ziffer 2 GebVersG). Das Verwaltungsgericht hält jedoch an
seiner Rechtssprechung fest, dass als Elementarereignisse nur solche Ereignisse
gelten können, die wegen ihrer Heftigkeit unvorhersehbar sind. Das ist
begrifflich nicht lupenrein, denn Elementarereignisse sind ja immer Ereignisse,
bei denen die Elemente hemmungslos ihre Gewalt spielen lassen, und diese
Ereignisse sind nicht voraussehbar, oder höchstens sehr kurzfristig, ohne
Reaktionsmöglichkeit. Die Unvorsehbarkeit müsste sich auf den
Schadenseintritt beziehen und dabei wäre entscheidend, ob objektiv nicht
voraussehbar war, dass das ein Elementarereignis den Schaden, wie er
eingetreten ist, verursachen könnte. Dieser Zusammenhang von Heftigkeit
und Schadenseintritt wäre in den seltensten Fällen voraussehbar. Das
Gesetz kennt aber noch ein zweites Kriterium: die Vermeidbarkeit. Daraus leitet
das Verwaltungsgericht ab, der Hauseigentümer habe alle Massnahmen zu
treffen, um Elementarschäden zu vermeiden, konkret: die Sarnafil-Folie so
rechtzeitig zu ersetzen, dass ein Elementarschaden vermieden wird. Entgegen dem
Wortlaut von § 20 Ziffer 3 GebVersG hält
das Gericht an seiner Praxis fest, dass Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit
nicht kumulativ, sondern bloss alternativ Vorhersehbarkeit oder
Vermeidbarkeit gegeben sein müssen, damit eine Schadensdeckung
abgelehnt werdenkönne. Häufigere Kontrollen, Reparaturen und
Wiederherstellung des Kiesschutzes sind in den Augen des Hauseigentümers
erhöhter Gebäudeunterhalt. Das Verwaltungsgericht sieht das anders,
anerkennt das nicht als Unterhalt und erkennt auf mangelhaften
Gebäudeunterhalt, wenn die Lebensdauer einer Dachfolie mit
Unterhaltsmassnahmen verlängert wird. Das Verwaltungsgericht drehte den
Spiess sogar um und hielt dem Hauseigentümer entgegen, dass er mit der
Intensivierung des Unterhalts eingestehe, um die Sanierungsbedürftigkeit
des Flachdaches gewusst zu haben. Das war gar nicht bestritten, sondern genau
der Grund für die Intensivierung des Unterhalts gewesen, mit dem Zweck,
sich die Handlungsoptionen möglichst lange offen zu
lassen. Konkret war die Sarnafilfolie am
Schadenstag 25 % älter als die Fachleute die Lebensdauer der
damaligen Sarnafilfolien heute schätzen (25 statt 20 Jahre). Es hatte sich
mit der Zeit gezeigt, dass diese alten Folientypen durch die Bewitterung
aushärten; sie werden spröde und ziehen sich zusammen. Das
Verwaltungsgericht stellt es den Eigentümern frei, das daraus entstehende
Risiko auf sich zu nehmen, doch dürfen sie im Schadenfalle nach Ablauf der
Lebensdauer der Folie nicht erwarten, dass sich die Gebäudeversicherung an
den aufgeschobenen Sanierungskosten beteilige. «Die Nichtersetzung einer
überalterten Flachdachfolie hat als mangelhafter Gebäudeunterhalt zu
gelten.» Daran ändert nach Ansicht des Verwaltungsgerichts nichts,
dass die Gebäudeversicherung das Flachdach zum Neuwert versichert hatte,
also trotz Abschreibung des Daches die vollen Prämien einkassierte. Es ist
stossend, aber gesetzlich leider zulässig, dass die
Gebäudeversicherung anders als eine private Sachversicherung
in solchen Fällen einen alles-oder-nichts-Entscheid treffen darf: entweder
volle Schadensdeckung, oder Ablehnung der Leistungspflicht. Der
Hauseigentümer hätte es wohl verstanden, wenn die Leistung
gekürzt worden wäre, und er verlangte vor Verwaltungsgericht denn
auch nur einen Beitrag von 50 % der Sanierungskosten, dies in der
Meinung, dass er mit weiteren Reparaturen die Lebensdauer des Flachdaches noch
einige Jahre weiter hätte verlängern können, wenn der Hagel
nicht so brutal zugeschlagen hätte. Das Argument, angesichts der ungewissen Entwicklung und wechselnden
Pistenbenützungen auf dem Flughafen Kloten sei dem Hausgentümer ein
Entscheid über das Vorgehen noch nicht zuzumuten gewesen, lehnte das
Verwaltungsgericht ab. Die Liegenschaft befinde sich zwar «im
Einzugsgebiet» (effektiv: neben einer Anflug- und unter einer
Abflugroute), aber diese Ungewissheit sei «dem wirtschaftlichen Risiko
des Beschwerdeführers zuzurechnen». Die Gebäudeversicherung
decke dieses Risiko nicht, sondern Feuer-, Elementar- und Erdbebenschäden.
Nur wenn ein Mass an Fluglärm gedroht hätte, dass die Liegenschaft
nicht mehr bewohnt werden könnte, wäre eine Sanierung des Flachdaches
nicht mehr zumutbar gewesen. Das
Verwaltungsgericht verwarf auch den Einwand des Hauseigentümers, bei der
letzten Schätzung 1990 hätte sich im Sinne einer
Aufklärungspflicht fairerweise ein Hinweis der fachkundigen Schätzer
aufgedrängt, dass die Lebensdauer des Flachdaches im Jahre 1996 ablaufe.
Eine flächendeckende Aufklärungspflicht der Gebäudeversicherung
widerspreche der Systematik des Gesetzes. Ist aber Versicherung eine
Dienstleistung, so widerspricht diese Auffassung dem Zweck jeder Versicherung,
und wenn man die ausgedehnten Präventionsbemühungen der
Gebäudeversicherung im Brandschutz in Betracht zieht, kann diese
Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht richtig sein. Die
Gebäudeversicherung und ihre Schätzer werden sich auch deshalb zu
einer Dienstleistungbereitschaft bewegen müssen, weil sonst Ressourcen
(die Fachkunde der Schätzer) verschwendet werden. Hier zeigt sich der
Nachteil der fehlenden Konkurrenz für diese Monopolanstalt: Sie muss sich
nicht um ihre Kunden bemühen. In
diesem Zusammenhang ist die lange Blockierung der Sanierung zu rügen. Erst
ein gutes Jahr nach dem Hagelschlag, bei einem Augenschein auf dem Dach, gab
die Rekurskommission das Dach zur Sanierung frei. Der Augenschein war
nötig geworden, weil die Schätzer den Schaden ungenügend
dokumentiert hatten. Nach diesem Augenschein bot der Hauseigentümer den
Dachdecker auf, und noch bevor dieser zum Einsatz kam, wurde das Dach gleich
ein zweites Mal verhagelt und es entstanden wieder Wasserschäden. Bei der
Revision des Gebäudeversicherungsgesetzes des Kantons Schaffhausen hat der
HEV Schaffhausen deshalb beantragt, dass ein Schadenobjekt nach maximal 30
Tagen freigegeben werden müsse. Die GV-SH wehrt sich noch dagegen. Aber
wenn die Abschätzung professionell ist und der Schadenfall gut
dokumentiert wird, besteht kein Grund, einen Hauseigentümer so lange
warten zu lassen notabene bei voller Prämienzahlung und ohne Risiko
für die Gebäudeversicherung. Das ist ganz einfach nicht
fair. Das Verwaltungsgericht liess
erkennen, dass es von seiner Praxis bei Flachdächern nicht abrücken
werde. Auf den Einwand, bei uralten Ziegeldächern, die schon seit
Jahrzehnten keinen Dachdecker mehr gesehen hatten, sei die
Gebäudeversicherung niemals so kritisch wie bei Flachdächern, trat
bereits die Rekurskommission nicht ein. Hier wird sicher mit ungleichen Ellen
gemessen. Dieser sozusagen betonierten Praxis ist aber offenbar mit
Rechtsmitteln nicht beizukommen, und der Hauseigentümer ist gut beraten,
bei Flachdächern, die «ins Alter» kommen, rechtzeitig die
Sanierung an die Hand zu nehmen.
(Verwaltungsgerichtsentscheid vom 5.2.2003-VB.2002.00345)
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