Hauseigentümerverband Zürich
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HEV 5/2003 Inhaltsverzeichnis
Gebäudeversicherung

Flachdach nicht saniert = mangelhafter Unterhalt
* Dr. Felix Hunziker-Blum

Das 1976 erbaute Einfamilienhaus in einer Flughafengemeinde ist mit einer Sarnafil-Folie abgedeckt. Im Zweifel darüber, wie es mit der Fluglärmbelastung weitergehe und ob sich eine substanzielle Investition ins Haus deswegen verantworten liesse (Aufstocken oder Aufbau eines Satteldaches mit Dachstockausbau), schob der Hauseigentümer den Ersatz der Folie hinaus und erhöhte die Frequenz, mit welcher er das Dach kontrollierte. Er liess auch an verschiedenen Stellen, so namentlich am Kaminabschluss, Reparaturen der Folie vornehmen. Bei seinen Kontrollen musste er gelegentlich auch etwas Kies verschieben. Im Frühling 2001 zog ein Hagelsturm über das Dorf. Auf dem Flachdach wurde Kies von den Rändern abgeschwemmt, und eiergrosse Hagelkörner schlugen Löcher in die blankgelegte Sarnafil-Folie. Die Wiederherstellungskosten belaufen sich auf rund CHF 30'000.–. Die Gebäudeversicherung Zürich lehnte eine Entschädigungspflicht ab. Die Rekurskommission bestätigte diesen Entscheid, ebenso das Verwaltungsgericht.
Hagelschäden sind Elementarschäden und als solche versichert (§ 19 Ziffer 2 GebVersG). Das Verwaltungsgericht hält jedoch an seiner Rechtssprechung fest, dass als Elementarereignisse nur solche Ereignisse gelten können, die wegen ihrer Heftigkeit unvorhersehbar sind. Das ist begrifflich nicht lupenrein, denn Elementarereignisse sind ja immer Ereignisse, bei denen die Elemente hemmungslos ihre Gewalt spielen lassen, und diese Ereignisse sind nicht voraussehbar, oder höchstens sehr kurzfristig, ohne Reaktionsmöglichkeit. Die Unvorsehbarkeit müsste sich auf den Schadenseintritt beziehen und dabei wäre entscheidend, ob objektiv nicht voraussehbar war, dass das ein Elementarereignis den Schaden, wie er eingetreten ist, verursachen könnte. Dieser Zusammenhang von Heftigkeit und Schadenseintritt wäre in den seltensten Fällen voraussehbar. Das Gesetz kennt aber noch ein zweites Kriterium: die Vermeidbarkeit. Daraus leitet das Verwaltungsgericht ab, der Hauseigentümer habe alle Massnahmen zu treffen, um Elementarschäden zu vermeiden, konkret: die Sarnafil-Folie so rechtzeitig zu ersetzen, dass ein Elementarschaden vermieden wird. Entgegen dem Wortlaut von § 20 Ziffer 3 GebVersG hält das Gericht an seiner Praxis fest, dass Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit nicht kumulativ, sondern bloss alternativ – Vorhersehbarkeit oder Vermeidbarkeit – gegeben sein müssen, damit eine Schadensdeckung abgelehnt werdenkönne. Häufigere Kontrollen, Reparaturen und Wiederherstellung des Kiesschutzes sind in den Augen des Hauseigentümers erhöhter Gebäudeunterhalt. Das Verwaltungsgericht sieht das anders, anerkennt das nicht als Unterhalt und erkennt auf mangelhaften Gebäudeunterhalt, wenn die Lebensdauer einer Dachfolie mit Unterhaltsmassnahmen verlängert wird. Das Verwaltungsgericht drehte den Spiess sogar um und hielt dem Hauseigentümer entgegen, dass er mit der Intensivierung des Unterhalts eingestehe, um die Sanierungsbedürftigkeit des Flachdaches gewusst zu haben. Das war gar nicht bestritten, sondern genau der Grund für die Intensivierung des Unterhalts gewesen, mit dem Zweck, sich die Handlungsoptionen möglichst lange offen zu lassen.
Konkret war die Sarnafilfolie am Schadenstag 25 % älter als die Fachleute die Lebensdauer der damaligen Sarnafilfolien heute schätzen (25 statt 20 Jahre). Es hatte sich mit der Zeit gezeigt, dass diese alten Folientypen durch die Bewitterung aushärten; sie werden spröde und ziehen sich zusammen. Das Verwaltungsgericht stellt es den Eigentümern frei, das daraus entstehende Risiko auf sich zu nehmen, doch dürfen sie im Schadenfalle nach Ablauf der Lebensdauer der Folie nicht erwarten, dass sich die Gebäudeversicherung an den aufgeschobenen Sanierungskosten beteilige. «Die Nichtersetzung einer überalterten Flachdachfolie hat als mangelhafter Gebäudeunterhalt zu gelten.» Daran ändert nach Ansicht des Verwaltungsgerichts nichts, dass die Gebäudeversicherung das Flachdach zum Neuwert versichert hatte, also trotz Abschreibung des Daches die vollen Prämien einkassierte. Es ist stossend, aber gesetzlich leider zulässig, dass die Gebäudeversicherung – anders als eine private Sachversicherung – in solchen Fällen einen alles-oder-nichts-Entscheid treffen darf: entweder volle Schadensdeckung, oder Ablehnung der Leistungspflicht. Der Hauseigentümer hätte es wohl verstanden, wenn die Leistung gekürzt worden wäre, und er verlangte vor Verwaltungsgericht denn auch nur einen Beitrag von 50 % der Sanierungskosten, dies in der Meinung, dass er mit weiteren Reparaturen die Lebensdauer des Flachdaches noch einige Jahre weiter hätte verlängern können, wenn der Hagel nicht so brutal zugeschlagen hätte.
Das Argument, angesichts der ungewissen Entwicklung und wechselnden Pistenbenützungen auf dem Flughafen Kloten sei dem Hausgentümer ein Entscheid über das Vorgehen noch nicht zuzumuten gewesen, lehnte das Verwaltungsgericht ab. Die Liegenschaft befinde sich zwar «im Einzugsgebiet» (effektiv: neben einer Anflug- und unter einer Abflugroute), aber diese Ungewissheit sei «dem wirtschaftlichen Risiko des Beschwerdeführers zuzurechnen». Die Gebäudeversicherung decke dieses Risiko nicht, sondern Feuer-, Elementar- und Erdbebenschäden. Nur wenn ein Mass an Fluglärm gedroht hätte, dass die Liegenschaft nicht mehr bewohnt werden könnte, wäre eine Sanierung des Flachdaches nicht mehr zumutbar gewesen.
Das Verwaltungsgericht verwarf auch den Einwand des Hauseigentümers, bei der letzten Schätzung 1990 hätte sich im Sinne einer Aufklärungspflicht fairerweise ein Hinweis der fachkundigen Schätzer aufgedrängt, dass die Lebensdauer des Flachdaches im Jahre 1996 ablaufe. Eine flächendeckende Aufklärungspflicht der Gebäudeversicherung widerspreche der Systematik des Gesetzes. Ist aber Versicherung eine Dienstleistung, so widerspricht diese Auffassung dem Zweck jeder Versicherung, und wenn man die ausgedehnten Präventionsbemühungen der Gebäudeversicherung im Brandschutz in Betracht zieht, kann diese Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht richtig sein. Die Gebäudeversicherung und ihre Schätzer werden sich auch deshalb zu einer Dienstleistungbereitschaft bewegen müssen, weil sonst Ressourcen (die Fachkunde der Schätzer) verschwendet werden. Hier zeigt sich der Nachteil der fehlenden Konkurrenz für diese Monopolanstalt: Sie muss sich nicht um ihre Kunden bemühen.
In diesem Zusammenhang ist die lange Blockierung der Sanierung zu rügen. Erst ein gutes Jahr nach dem Hagelschlag, bei einem Augenschein auf dem Dach, gab die Rekurskommission das Dach zur Sanierung frei. Der Augenschein war nötig geworden, weil die Schätzer den Schaden ungenügend dokumentiert hatten. Nach diesem Augenschein bot der Hauseigentümer den Dachdecker auf, und noch bevor dieser zum Einsatz kam, wurde das Dach gleich ein zweites Mal verhagelt und es entstanden wieder Wasserschäden. Bei der Revision des Gebäudeversicherungsgesetzes des Kantons Schaffhausen hat der HEV Schaffhausen deshalb beantragt, dass ein Schadenobjekt nach maximal 30 Tagen freigegeben werden müsse. Die GV-SH wehrt sich noch dagegen. Aber wenn die Abschätzung professionell ist und der Schadenfall gut dokumentiert wird, besteht kein Grund, einen Hauseigentümer so lange warten zu lassen – notabene bei voller Prämienzahlung und ohne Risiko für die Gebäudeversicherung. Das ist ganz einfach nicht fair.
Das Verwaltungsgericht liess erkennen, dass es von seiner Praxis bei Flachdächern nicht abrücken werde. Auf den Einwand, bei uralten Ziegeldächern, die schon seit Jahrzehnten keinen Dachdecker mehr gesehen hatten, sei die Gebäudeversicherung niemals so kritisch wie bei Flachdächern, trat bereits die Rekurskommission nicht ein. Hier wird sicher mit ungleichen Ellen gemessen. Dieser sozusagen betonierten Praxis ist aber offenbar mit Rechtsmitteln nicht beizukommen, und der Hauseigentümer ist gut beraten, bei Flachdächern, die «ins Alter» kommen, rechtzeitig die Sanierung an die Hand zu nehmen.

(Verwaltungsgerichtsentscheid vom 5.2.2003-VB.2002.00345)
     
  * Rechtsanwalt, Zürich  
     
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