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Schreibübung mit Schönheitsfehlern
Seit bald drei Jahren tagen 100 Bürgerinnen
und Bürger regelmässig im Verfassungsrat und debattieren über
das Gemeinwohl. Aus eher formalen Gründen soll die zürcherische
Kantonsverfassung total revidiert werden. Man erhofft sich neben der Behebung
einiger Mängel des etwas in die Jahre gekommenen Erlasses vor allem auch
einen Gewinn an Orientierungskraft und die Chance einer Besinnung des Standes
auf seine Identität. Ich habe seinerzeit zu den Gegnern dieses Ansinnens
gehört. Ich bleibe dabei; trotz riesigem personellem und finanziellem
Aufwand wird es am Schluss bei einer «Schönschreibübung»
bleiben mit der letztlich niemand zufrieden sein wird. Die bisherigen
Beratungen haben denn auch einen Entwurf hervorgebracht, der weder im Lichte
der Revisionsziele noch unter dem Aspekt der Mehrheitsfähigkeit zu
überzeugen vermag. Irgendwie drohen
Verfassung und Revisionsbestrebungen zum staatsphilosophischen
Selbstläufer zu werden. Der Verfassungsrat zeichnet sich vor allem auch
durch Scheu vor politischen Entscheidungen aus. Als Beispiel etwa die Frage der
Beibehaltung oder Abschaffung des Geschworenengerichts: für diesen
Entscheid orientierte man sich schlicht an den Beratungen einer
kantonsrätlichen Kommission. Dabei erwartete ich so sehnlich, der
Verfassungsrat würde mich und meine böse Kritik Lügen strafen.
Anbieten würde sich etwa eine deutlich über die in der
Bundesverfassung verankerte Eigentumsgarantie hinausgehende
Grundrechtsformulierung. Wie wäre es mit einer griffigen
Wohneigentumsförderung, die in breiten Bevölkerungskreisen dringend
gewünscht wird? Stattdessen
formulierte der Verfassungsrat einen Steuerkatalog, angefangen bei der
Einkommens-, endend bei der Hundesteuer. In dieser Aufzählung nicht
vergessen ging die Handänderungssteuer. Diese soll beibehalten werden; der
Hauseigentümerverband habe ja eine Initiative lanciert, worüber
schliesslich das Volk entscheiden könne. Mit etwas mehr Mut des
Verfassungsrates hätte es nicht so weit kommen müssen. Am 23.
Juni 2003 wird der Kantonsrat in erster Lesung unsere Volksinitiative
beraten. Ich bin rundum zuversichtlich, dass diese ungerechte, für
Hauseigentümer und Mieter gleichermassen schädliche, preistreibende
und unsoziale Steuer abgeschafft werden wird. Ich hoffe, der Verfassungsrat
wird uns diesen Entscheid auch abschreiben. |
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