Hauseigentümerverband Zürich
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HEV 8/2003 Inhaltsverzeichnis
Fluglärm

 

Sind Entschädigungsbegehren für übermässigen
Fluglärm möglich?

* Dr. Peter Ettler

Das Schweizerische Bundesgericht hat 1995 und 1996 elf Anwohnern des Flughafens Genf Minderwertentschädigungen (aus sog. formeller Enteignung der Abwehrrechte) von zwischen 25 und 35% des geschätzten Verkehrswertes zugesprochen, weil ihre Grundstücke übermässigem Fluglärm und teilweise tiefen Überflügen von Grossflugzeugen ausgesetzt sind. Nach Bundesgericht ist eine Entschädigung zuzusprechen, wenn der Schaden die betroffenen Eigentümer schwer und speziell (= mehr als andere, = Klagevoraussetzung 1) trifft und zudem im Zeitpunkt des Erwerbs der Liegenschaften unvorhersehbar (= Klagevoraussetzung 2) gewesen ist.
 
     
  1. Schwere und Spezialität des Schadens  
 
Empfindlichkeitsstufe
nach LSV (ES)
Immissionsgrenzwert in dB(A) Leq tags  
II
III
60/50
65/55
Klagevoraussetzung 1:
Ihre Liegenschaft muss an sich über einem dieser Immissionsgrenzwerte belastet sein.
 
     
  Im Bereich des Südanflugs auf Piste 34 werden tagsüber mit Ausnahme eines kleinen Spickels im nördlichen Schwamendingen keine Überschreitungen des Immissionsgrenzwertes ausgewiesen¹. Die Südanflüge während 3 bis 5 Stunden am Tag während Erholungszeiten genügen nicht, um den Tages-Leq über den Immissionsgrenzwert anzuheben. Weil erst ab 6.00 Uhr geflogen wird, entfällt die Belastung zur dritten Nachtstunde. In der ersten und zweiten Nachtstunde erfolgen Landungen, wenn die kurze Piste 28 nicht ausreicht (z.B. Grossflugzeug und nasse Piste). Angeblich wird deswegen aber kein Nacht-Immissionsgrenzwert überschritten (das ist noch zu überprüfen!). Daher ist die vom Bundesgericht aufgestellte Anforderung an die Klage an sich nicht erfüllt. Dennoch sind – bei erhöhtem Prozessrisiko – Erfolgsaussichten da: Denn wer jeden Tag ab 6.00 Uhr aus dem Bett gerissen wird und an arbeitsfreien Tagen frühmorgens und zum Teil abends starken Fluglärm erdulden muss, ist – ganz unabhängig vom Leq – massiv beeinträchtigt. In Anlehnung an Art. 679/684 ZGB muss die Schwere der Störung bejaht werden.
Der Lärmkorridor ist bei Anflügen relativ schmal. Wenn Sie in dem Bereich wohnen, in welchem Dachziegelklammerungen vorgenommen wurden oder bevorstehen, sind Sie mit Sicherheit auch im Lärmkorridor. Wenn Sie nichts von Dachziegelklammerungen gehört haben, ersehen Sie behelfsmässig das Gebiet der übermässigen Lärmbelastung aus einer sonst nicht mehr aktuellen Karte².
 
     
  2. Voraussehbarkeit des Schadens
In den Genfer Entscheiden sprach das Bundesgericht Entschädigungen nur Eigentümern von Liegenschaften zu, welche sie vor dem 1. Januar 1961 gekauft hatten. Erben, deren Erblasser diese Bedingung erfüllte, wurden auch entschädigt. Alle anderen Eigentümer gingen leer aus, da sie angeblich den zunehmenden Fluglärm voraussehen konnten.
Im Bereich des Südanfluges gab es bisher keinen zivilen Fluglärm und er war wegen der Riegelfunktion des Militärflugplatzes Dübendorf auch nicht voraussehbar. Daher durften sich Eigentümer nach Treu und Glauben darauf verlassen, dass sie nicht mit zivilem Fluglärm zu rechnen haben würden. Der Stichtag vom 1. Januar 1961 kann Eigentümern im Süden deshalb nicht entgegengehalten werden.
Eine Verjährung solcher Forderungen ist sicher nicht eingetreten, da im ganzen Gebiet (Militärfluglärm ausgenommen) bisher kein übermässiger Fluglärm herrschte.
 
     
  3. Und wenn der Südanflug nur eine Übergangslösung ist?
Begehren um Entschädigung wegen übermässigem Fluglärm werden nach den Vorschriften über formelle Enteignung des Enteignungsgesetzes behandelt. Art. 5 Enteignungsgesetz ermöglicht auch die Entschädigung von bloss vorübergehenden Schäden. Allerdings würde diese natürlich erheblich tiefer angesetzt als bei dauernder Inanspruchnahme von Eigentum. Weil das Enteignungsverfahren ohnehin mehrere Jahre beanspruchen wird, wird man bis zu seinem Abschluss wissen, ob die geänderten Flugverfahren ein Provisorium oder eine definitive Lösung sind.
 
     
  4. Nach dem Schrumpfungsprozess am Flughafen ist das Lärmproblem entschärft ...
Auch nach früheren Einbrüchen hat sich der Luftverkehr stets wieder überproportional erholt. Sämtliche Prognosen rechnen auch jetzt mit einer baldigen Erholung und starkem weiteren Wachstum. Selbst wenn der Flughafen Zürich in die 2. Liga zurückgestuft wird, wird auch für ihn wieder etwas davon abfallen. Sind die grossen Hubs aufgefüllt, schlägt die Stunde der kleinen Flughäfen mit guten Umsteigebeziehungen.
Damit gibt es aus Eigentümersicht keinen Grund, wegen sinkenden Bewegungszahlen abzuwarten. Im Gegenteil: Zuwarten ist immer ein Spiel mit einem Verjährungsrisiko, das nur schwer kalkulierbar ist.
 
     
  5. Vorgehen zur Geltendmachung der Forderungen
Rechtsbegehren sind an Unique Flughafen Zürich AG als heutige Flughafenhalterin zu richten. Der Eingabe sollen ein Grundbuchauszug enthaltend das Kaufdatum, ein Katasterplan und die letzte Schätzung (nicht Rechnung!) der Gebäudeversicherung beiliegen. Beziffern müssen Sie Ihre Forderung nicht. Es genügt, Entschädigung für Minderwert wegen übermässigen Fluglärms zu beantragen.
Das Enteignungsrecht sagt nichts darüber, ab wann Entschädigungen wegen übermässigen Lärms geltend gemacht werden können. Wer ganz vorsichtig ist, wartet daher ab, bis sein Grundstück überflogen wird, d.h. bis der Schaden real eingetreten ist. Man kann sich –mit einem ein wenig erhöhten Prozessrisiko – aber auch auf den Standpunkt stellen, der Schaden sei mit der Genehmigung der Südanflugverfahren bereits eingetreten und die Forderung bereits jetzt anmelden. Das hat den in der heutigen fragilen politischen Situation nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass man frühzeitig weiss, wie Viele Entschädigungsforderungen in welcher Höhe gestellt werden.
Wir raten Ihnen dringend, mit der Geltendmachung solcher Forderungen ein auf öffentliches Recht und Enteignungsrecht spezialisiertes Anwaltsbüro zu beauftragen. Unserer obigen knappen Darstellung können Sie entnehmen, dass nur eine sehr sorgfältige Argumentation zum Ziele führen kann.
Das Prozessrisiko ist gering. Selbst wenn Sie den Prozess verlieren, muss Unique die Verfahrenskosten übernehmen und eine Prozessentschädigung bezahlen (!). Das gilt jedenfalls bei sorgfältiger Prozessführung. Wir weisen Sie ferner auf die Möglichkeit hin, dass sich mehrere Eigentümer zusammenschliessen und eine Art Klagepool bilden. Dies reduziert unserer Erfahrung nach die vorzuschiessenden Anwaltskosten.
 
     
  6. Checkliste      
  Klagevoraussetzung 1   Sie wohnen im Bereich der Anflugschneise Süd und werden künftig am frühen Morgen und an arbeitsfreien Tagen zu Ausschlafenszeiten sowie teilweise abends mit starkem Fluglärm konfrontiert (erhöhtes Prozessrisiko!)
oder
Ihre Liegenschaft wird im Tiefstflug (ca. 100 – 150 m) überflogen (trifft nur für Glattbrugg zu).
 
         
  Klagevoraussetzung 2   Sie haben Ihr Eigentum im Bereich des Südanflugs vor ca. Mitte 2001 erworben.  
         
  Zeitpunkt für
Forderungsanmeldung
  Grundsätzlich bei Aufnahme der Südanflüge. Im Sinne einer politischen Demonstration aber auch schon jetzt möglich.  
         
  Im Übrigen zu beachten:   Auf einen schnellen Erfolg dürfen Sie nicht hoffen. Das Enteignungsverfahren braucht wahrscheinlich mehrere Jahre Zeit.  
     
  ¹ Diese Karte kann im Internet abgerufen werden unter http://www.uniqueairport.com/partner/Politik/betriebsreglement.htm • EMPA Karte 4: Fluglärmbelastung Phase 2 oder unter http://www.uniqueairport.com/public/files/laermkarte_06-22.jpg  
     
  ² http://www.uniqueairport.com/public/files/laermkarte_05-06.jpg. Diese gab im 1 Stunden-Leq die Lärmbelastung zwischen 05.30 - 06.00 Uhr wieder, in welcher Zeit ja jetzt nicht geflogen wird. Im 1 Stunden-Leq ausgedrückt dürfte die Lärmbelastung zwischen 06.00 und 07.00 Uhr sowie in den folgenden beiden Stunden mindestens so hoch sein. Die Karte bleibt daher eine gute Orientierungshilfe.  
     
  * Rechtsanwalt, Zürich  
     
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