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Pflanzenabstände zum
Nachbargrundstück * Sandra
Dormann
Wenn die Pflanzen ihr
stärkstes Wachstum hinter sich haben, wird die Frage nach den
Abständen von Bäumen und Sträuchern zum nachbarlichen
Grundstück jeweils wieder sehr aktuell und bildet häufig das Thema
von Anfragen an die telefonische Rechtsauskunft.
Ausgangspunkt bildet Art. 688 ZGB, wonach die
Kantone befugt sind, «für Anpflanzungen je nach der Art des
Grundstückes und der Pflanzen bestimmte Abstände vom nachbarlichen
Grundstück vorzuschreiben
» Der Kanton Zürich hat von
diesem Recht Gebrauch gemacht und regelt in den §§ 169 ff. EG ZGB die
Abstände von Bäumen und Sträuchern zum Nachbargrundstück.
Es gelten dabei folgende Grenzabstände: |
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Für Gartenbäume, kleinere Zierbäume,
Zwergobstbäume und Sträucher 60 cm, wobei diese überdies bis auf
4 m von der Grenze so unter der Schere gehalten werden
müssen, dass ihre Höhe nie mehr als das Doppelte ihrer Entfernung
beträgt. |
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Für einzelne Waldbäume, grosse Zierbäume
wie Pappeln, Kastanienbäume, Platanen und Nussbäume 8
m. |
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Für Feldobstbäume und kleinere, nicht unter
der Schere zu haltende Zierbäume wie etwa die Weissbuche und den Goldregen
4 m. |
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Sträucher, die eine Einheit bilden) die Hälfte
ihrer Höhe, mindestens aber 60 cm. Das heisst für eine
140 cm hohe Hecke gilt ein Mindestabstand von 70 cm,
für eine 100 cm hohe ein solcher von 60
cm. |
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Für andere Einfriedungen, wie so genannte tote
Hecken, Holzwände oder Mauern, welche höher als 150 cm
sind, die Hälfte der Höhe über 150 cm, d.h.
für eine 2 m hohe Hecke 25 cm. Bis zu einer
Höhe von 150 cm dürfen solche Vorrichtungen auf der
Grenze angebracht werden. |
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Die zitierten
Gesetzesbestimmungen können durch Abmachung der Nachbarn abgeändert,
d.h. vergrössert, verkleinert oder ganz aufgehoben werden. Soll eine
solche Vereinbarung allerdings auch für einen Rechtsnachfolger bindend
sein, muss die Dienstbarkeit zur Duldung der kleineren Abstände ins
Grundbuch eingetragen werden. Bei
Verletzung der besagten Abstände hat der betroffene Nachbar gemäss
§ 173 EG ZGB die Möglichkeit, innert 5 Jahren seit der
Anpflanzung die Beseitigung des betreffenden Baumes/Strauches zu verlangen.
Trotz der kantonalrechtlichen zeitlichen Beschränkung der
Klagemöglichkeit hat das Bundesgericht in einem neueren Entscheid (BGE 126
III 452) festgelegt, dass sich ein Beseitigungsanspruch auch aus
bundesrechtlichem Nachbarrecht ergeben könne, weil dem Immissionsschutz
nach ZGB die Bedeutung einer Mindestgarantie zukomme. Allerdings gilt dies nur,
wenn die Einwirkung auf das Nachbargrundstück übermässig ist.
Zur Beurteilung der Übermässigkeit steht dem Richter ein relativ
grosser Ermessensspielraum offen. Im erwähnten Entscheid handelte es sich
um mehrere Waldbäume mit einer Höhe von über 20
Metern, deren Schattenwurf im betreffenden Fall als übermässig
angesehen wurde. Das Zürcherische
Prozessrecht sieht für die kantonale Beseitigungsklage als in der Regel
sofort beweisbaren Anspruch ein summarisches Verfahren vor dem Einzelrichter
vor. Bei gegebenen Voraussetzungen kann der Richter den Befehl auf Beseitigung
oder Versetzung der zu nahe an der Grenze stehenden Pflanze erlassen. Bei
Pflanzen, die unter der Schere gehalten werden müssen (die oben unter
Punkt 1 aufgezählten Kategorien), kann er zudem statt die Beseitigung oder
Versetzung lediglich das Zurückschneiden anordnen. Da der
Beseitigungsanspruch nach kantonalem Recht nur dem Eigentümer zusteht,
muss der lediglich obligatorisch am Grundstück berechtigte Nachbar
(Mieter/Pächter) über die bundesrechtliche Besitzesschutzklage
gemäss Art. 928/929 ZGB innert Jahresfrist seit Beginn der Störung
die Beseitigung und allenfalls Schadenersatz verlangen. Vom Beseitigungsanspruch ist das Kapprecht nach Art. 687
ZGB zu unterscheiden, wonach der Nachbar überragende Äste und
eindringende Wurzeln kappen und für sich behalten kann, wenn sie sein
Eigentum schädigen (z.B. durch starke Beschattung) und auf seine
Beschwerde hin nicht beseitigt werden. Sind die Voraussetzungen für eine Kappung erfüllt und
werden die schädigenden Wurzeln und Äste nicht innert angemessener
Frist zurückgeschnitten, kann der geschädigte Nachbar zur Selbsthilfe
greifen und die störenden Pflanzen kappen, wobei er Eigentümer des
gekappten Materials wird. Ob ihm ein Ersatzanspruch für die entstandenen
Auslagen zusteht, ist umstritten. Die herrschende Lehre verneint ihn aber.
Anders als der Beseitigungsanspruch ist das Kapprecht nicht zeitlich
beschränkt. Auch der Anspruch auf
Zurückschneiden der Pflanze auf die maximale Höhe gemäss
§ 169 EG ZGB ist von der 5-jährigen
Verjährungsfrist nicht erfasst und kann grundsätzlich immer verlangt
werden. |
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lic. iur., Rechtsanwältin, HEV Zürich |
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