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HEV 10/2003 Inhaltsverzeichnis
Vom Bauen

 

Rückbehaltungsrecht zur Durchsetzung des Nachbesserungsanspruches
* Cornel Tanno

Der Besteller hat die Vergütung bei Ablieferung des Werkes (z.B. Erstellung eines Einfamilienhauses, Anbau eines Wintergartens) zu bezahlen. Wurde hingegen ein mangelhaftes Werk abgeliefert, so kann der Besteller nach Auffassung des Bundesgerichtes «mangels anderweitiger vertraglicher Abrede die Zahlung des Werklohnes gestützt auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrages verweigern.» Dieses Recht auf Zurückhaltung der Vergütung ergibt sich daraus, dass die Zahlung des Werklohnes und die Ablieferung des mängelfreien Werkes miteinander im Austauschverhältnis gemäss Art. 82 OR («Leistung Zug um Zug») stehen.

Wurde ein mangelhaftes Werk abgeliefert, so hat der Besteller, der sein Nachbesserungsrecht ausübt, nach Art. 82 OR das Recht, die Vergütung bis zur Erfüllung der Nachbesserungsschuld zurückzuhalten. Dieses Recht, das durch entsprechende Willenserklärung geltend zu machen ist, besteht bis zu dem Zeitpunkt, da der Unternehmer die verlangte Mängelbeseitigung im Rahmen des objektiv Möglichen) vollständig und ordnungsgemäss ausgeführt und die Nachbesserungsarbeit abgeliefert hat. Somit ist die Zurückhaltung des Werklohnes ein zulässiges Mittel zur Durchsetzung des Verbesserungsanspruches. Dass der Besteller das Werk bereits in Gebrauch genommen hat, ändert nichts an seinem Zurückbehaltungsrecht.
Hingegen setzt das Rückbehaltungsrecht voraus, dass ein Nachbesserungsrecht tatsächlich besteht. Und dies setzt wieder um voraus, dass der Besteller spätestens dann, wenn er die Einrede des nicht erfüllten Vertrages erhebt, auch die Nachbesserungsschuld begründet, indem er vom Unternehmer die Nachbesserung zu Recht verlangt. Verlangt der Besteller die Nachbesserung nicht oder steht ihm überhaupt kein Nachbesserungsrecht zu, so ist er nicht befugt, die Vergütung zurückzuhalten.
Steht im Einzelfall fest, dass der Besteller ein Rückbehaltungsrecht hat, so stellt sich im Folgenden die Frage nach der Höhe des Betrages, den er zurückhalten kann.
Dem Grundsatz nach erstreckt sich das Rückbehaltungsrecht auf die ganze noch ausstehende Vergütung, die jetzt mit der vom Unternehmer geschuldeten Verbesserung im Austauschverhältnis steht. Die Zurückhaltung der Vergütung ist einerseits zwar ein Sicherungsmittel, dient umgekehrt aber nicht nur dem Zweck der Leistungssicherung. Vielmehr ist sie ausserdem ein zulässiges Druckmittel, um den Unternehmer zur geschuldeten Verbesserung anzuhalten. Der Besteller hat deshalb das Recht, den Betrag, den er zurückhalten will, über die Verbesserungskosten hinaus so hoch anzusetzen, dass es ausreicht, um beim Unternehmer den Willen zur schleunigen Nachbesserung zu wecken und auf diese Weise den Nachbesserungsanspruch (ohne staatliche Hilfe) durchzusetzen. In Anlehnung an die deutsche Gerichtspraxis ist der zulässige Rückbehalt in etwa auf das Zwei- oder Dreifache der zu erwartenden Verbesserungskosten festzusetzen. Diese Grösse ist aber lediglich als Richtgrösse zu betrachten. Absolute Gültigkeit kann und soll der erwähnte Richtwert allerdings nicht haben, da es letztlich immer von den Umständen des Einzelfalles abhängt (z.B. bei Vorliegen eines relativ geringfügigen Mangels).
Art 82 OR stellt hingegen dispositives Recht dar, d.h., durch vertragliche Abreden können die Parteien das Rückbehaltungsrecht des Bestellers näher ausgestalten, es beschränken (z.B. auf schwer wiegende Mängel) oder gänzlich aufheben. So können die Parteien vereinbaren, dass der Besteller nicht berechtigt ist, die Bezahlung der geschuldeten Vergütung wegen «vorhandener» oder «behaupteter» Mängel zu verweigern. Eine solche Vereinbarung lässt die Mängelrechte des Bestellers (auch das Nachbesserungsrecht) zwar unberührt, nimmt dem Besteller aber das Rückbehaltungsrecht. Der Besteller hat deshalb die geschuldete und fällige Vergütung zu bezahlen, ohne dem nachbesserungspflichtigen Unternehmer die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (Art. 82 OR) entgegensetzen zu können.
 
     
  * lic. iur., Rechtsanwalt, HEV Zürich  
     
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