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Rückbehaltungsrecht zur Durchsetzung des
Nachbesserungsanspruches * Cornel
Tanno
Der Besteller hat die
Vergütung bei Ablieferung des Werkes (z.B. Erstellung eines
Einfamilienhauses, Anbau eines Wintergartens) zu bezahlen. Wurde hingegen ein
mangelhaftes Werk abgeliefert, so kann der Besteller nach Auffassung des
Bundesgerichtes «mangels anderweitiger vertraglicher Abrede die Zahlung
des Werklohnes gestützt auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrages
verweigern.» Dieses Recht auf Zurückhaltung der Vergütung
ergibt sich daraus, dass die Zahlung des Werklohnes und die Ablieferung des
mängelfreien Werkes miteinander im Austauschverhältnis gemäss
Art. 82 OR («Leistung Zug um Zug») stehen.
Wurde ein mangelhaftes Werk abgeliefert, so hat
der Besteller, der sein Nachbesserungsrecht ausübt, nach Art. 82 OR das
Recht, die Vergütung bis zur Erfüllung der Nachbesserungsschuld
zurückzuhalten. Dieses Recht, das durch entsprechende
Willenserklärung geltend zu machen ist, besteht bis zu dem Zeitpunkt, da
der Unternehmer die verlangte Mängelbeseitigung im Rahmen des objektiv
Möglichen) vollständig und ordnungsgemäss ausgeführt und
die Nachbesserungsarbeit abgeliefert hat. Somit ist die Zurückhaltung des
Werklohnes ein zulässiges Mittel zur Durchsetzung des
Verbesserungsanspruches. Dass der Besteller das Werk bereits in Gebrauch
genommen hat, ändert nichts an seinem
Zurückbehaltungsrecht. Hingegen
setzt das Rückbehaltungsrecht voraus, dass ein Nachbesserungsrecht
tatsächlich besteht. Und dies setzt wieder um voraus, dass der Besteller
spätestens dann, wenn er die Einrede des nicht erfüllten Vertrages
erhebt, auch die Nachbesserungsschuld begründet, indem er vom Unternehmer
die Nachbesserung zu Recht verlangt. Verlangt der Besteller die Nachbesserung
nicht oder steht ihm überhaupt kein Nachbesserungsrecht zu, so ist er
nicht befugt, die Vergütung zurückzuhalten. Steht im Einzelfall fest, dass der Besteller ein
Rückbehaltungsrecht hat, so stellt sich im Folgenden die Frage nach der
Höhe des Betrages, den er zurückhalten kann. Dem Grundsatz nach erstreckt sich das
Rückbehaltungsrecht auf die ganze noch ausstehende Vergütung, die
jetzt mit der vom Unternehmer geschuldeten Verbesserung im
Austauschverhältnis steht. Die Zurückhaltung der Vergütung ist
einerseits zwar ein Sicherungsmittel, dient umgekehrt aber nicht nur dem Zweck
der Leistungssicherung. Vielmehr ist sie ausserdem ein zulässiges
Druckmittel, um den Unternehmer zur geschuldeten Verbesserung anzuhalten. Der
Besteller hat deshalb das Recht, den Betrag, den er zurückhalten will,
über die Verbesserungskosten hinaus so hoch anzusetzen, dass es ausreicht,
um beim Unternehmer den Willen zur schleunigen Nachbesserung zu wecken und auf
diese Weise den Nachbesserungsanspruch (ohne staatliche Hilfe) durchzusetzen.
In Anlehnung an die deutsche Gerichtspraxis ist der zulässige
Rückbehalt in etwa auf das Zwei- oder Dreifache der zu erwartenden
Verbesserungskosten festzusetzen. Diese Grösse ist aber lediglich als
Richtgrösse zu betrachten. Absolute Gültigkeit kann und soll der
erwähnte Richtwert allerdings nicht haben, da es letztlich immer von den
Umständen des Einzelfalles abhängt (z.B. bei Vorliegen eines relativ
geringfügigen Mangels). Art 82 OR
stellt hingegen dispositives Recht dar, d.h., durch vertragliche Abreden
können die Parteien das Rückbehaltungsrecht des Bestellers näher
ausgestalten, es beschränken (z.B. auf schwer wiegende Mängel) oder
gänzlich aufheben. So können die Parteien vereinbaren, dass der
Besteller nicht berechtigt ist, die Bezahlung der geschuldeten Vergütung
wegen «vorhandener» oder «behaupteter» Mängel zu
verweigern. Eine solche Vereinbarung lässt die Mängelrechte des
Bestellers (auch das Nachbesserungsrecht) zwar unberührt, nimmt dem
Besteller aber das Rückbehaltungsrecht. Der Besteller hat deshalb die
geschuldete und fällige Vergütung zu bezahlen, ohne dem
nachbesserungspflichtigen Unternehmer die Einrede des nicht erfüllten
Vertrages (Art. 82 OR) entgegensetzen zu können. |
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