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HEV 11/2003 Inhaltsverzeichnis
Mietrecht

 

«Zu niedrige» Akontozahlungen
* Sonja Huber

Verschiedentlich sind Gerichtsentscheide veröffentlicht worden, gemäss welchen ein Mieter eine Nebenkostennachforderung nicht oder nur teilweise bezahlen musste, weil die Akontozahlungen in einem Missverhältnis zu den effektiven Kosten standen. Das Mietgericht Uster kam in folgendem Fall zum gegenteiligen Schluss.

Nach Erstellung der Heiz- und Nebenkostenabrechnung stellte die Vermieterschaft den Mietern eine Nachforderung. Diese akzeptierten sie nicht und machten folgende Gründe geltend:
 
 
Teilungültigkeit des Mietvertrages wegen absichtlicher Täuschung (Art. 28 OR in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 OR);
Teilungültigkeit des Mietvertrages wegen wesentlichem Irrtum (Art. 23 OR in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 OR);
Rechtsmissbräuchlichkeit der Höhe der Nebenkosten gestützt wegen Verletzung von Pflichten im vorvertraglichen Verhandlungsstadium («culpa in contrahendo»);
Unlauteres Verhalten der Vermieterschaft gemäss Art 3 lit. b UWG (Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb)
Lockvogelpolitik gemäss Art. 3 lit. f UWG.
 
     
 

Teilungültigkeit des Mietvertrages wegen absichtlicher Täuschung
Gemäss Art. 28 OR ist ein Vertrag für den Vertragsschliessenden unverbindlich, wenn er durch absichtliche Täuschung seitens des andern zum Vertragsabschluss verleitet worden ist. Dies gilt auch, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war. Die Täuschung kann einerseits bewirken, dass sie unmittelbar zum Vertragsabschluss geführt hat, oder andererseits, dass der Getäuschte den Vertrag anders abgeschlossen hätte, wenn er sich der Täuschung bewusst gewesen wäre. Ist der Willensmangel auf das unredliche Verhalten der anderen Vertragspartei zurückzuführen, hat die getäuschte Person die Möglichkeit, sich ganz vom Vertrag zu lösen oder diesen unter veränderten Bedingungen aufrechtzuerhalten.
Im vorliegenden Fall wollten die Mieter das Mietverhältnis nicht auflösen, sondern die vom Vermieter geforderten Nebenkosten auf ein – aus ihrer Sicht – vernünftiges Mass reduzieren. Die Mieter bemängelten nicht etwa die Höhe der effektiven Nebenkosten, vielmehr machten sie geltend, dass ihnen die Höhe anlässlich des Abschlusses des Vertrages verschwiegen worden sei. Das Bezirksgericht kam bei der Beurteilung der absichtlichen Täuschung zu folgendem Schluss: Selbst wenn die Mieter bereits bei den Vertragsverhandlungen die effektive Höhe der Nebenkosten gekannt hätten, hätten sie den Vertrag nicht zu anderen Konditionen abschliessen können. Sie hätten auch dann nicht auf niedrigere Nebenkosten pochen können, da von der Mieterschaft die tatsächlich anfallenden Nebenkosten zu bezahlen sind. Hätten die Mieter also die wirkliche Höhe der Nebenkosten gekannt, hätten sie nur die Möglichkeit gehabt, den Vertrag abzuschliessen oder auf das Mietobjekt zu verzichten. Eine Teilanfechtung des Vertrages sei nur möglich, wenn der Getäuschte den Vertrag anders abgeschlossen hätte, hätte er den Irrtum gekannt. Dies treffe vorliegend nicht zu, sodass eine Teilanfechtung des Vertrages nicht möglich sei. Ob überhaupt eine Täuschung vorliege, wurde vom Bezirksgericht offen gelassen.

Teilungültigkeit des Mietvertrages wegen wesentlichem Irrtum
Ein Vertrag ist gemäss Art. 23 OR für denjenigen unverbindlich, der sich bei Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat. Um einen wesentlichen Irrtum handelt es sich beim Grundlagenirrtum gemäss Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR. Der Irrtum betrifft bei dieser Bestimmung einen Sachverhalt, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde. Erstreckt sich der Willensmangel lediglich auf einen Teil des Vertrages, so soll in analoger Anwendung zu Art. 20 Abs. 2 OR nur dieser bestimmte Teil nichtig sein, falls anzunehmen ist, dass der Vertrag ohne diesen Teil nicht abgeschlossen worden wäre. Dabei ist vom mutmasslichen Parteiwillen auszugehen, wobei die Einschätzung objektiv vorgenommen werden muss.
Diesbezüglich führte das Mietgericht aus, dass es der Vermieterschaft nur darum gehe, dass ihre Ausgaben im Bereich der Nebenkosten in jedem Fall gedeckt seien, weshalb sie nach Kenntnis der effektiven Höhe der Nebenkosten denn auch auf der Bezahlung beharrt habe. Die Berufung auf Grundlagenirrtum mit der verlangten Teilnichtigkeit seitens der Mieterschaft falle somit ausser Betracht. Im Übrigen gelten weit gehend die selben Überlegungen wie bei der der absichtlichen Täuschung.

Rechtsmissbräuchlichkeit der Höhe der Nebenkosten gestützt auf «culpa in contrahendo »
Verstösst ein Vertragspartner gegen die Pflicht, sich nach Treu und Glauben zu verhalten, so haftet er dem andern für den dadurch entstandenen Schaden. Eine Vertragspartei, welche im Verhandlungsstadium ihre Aufklärungs- und Informationspflicht verletzt und es dadurch zu einem für die andere Partei nachteiligen Vertragsabschluss kommt, kann sich einer «culpa in contrahendo»-Haftung aussetzen.
Im hier massgebenden Fall wurde die Bezahlung von Akontobeträgen vereinbart. Bei diesem System bezahlt die Mieterschaft periodisch einen vereinbarten Betrag im Voraus, der an die jährlichen Nebenkosten angerechnet wird. Erst am Ende der Abrechnungsperiode berechnet die Vermieterschaft die effektiv angefallenen Nebenkosten. Bei dieser Abrechnungsmethode ist es auch nach Auffassung des Gerichts systemimmanent, dass die vom Mieter zu übernehmenden Nebenkosten nie zum Voraus bestimmt werden können. Dem Vermieter sei es somit in keinem Fall möglich, über die genaue Höhe der anfallenden Nebenkosten Auskunft zu geben. Selbst wenn der Vermieter davon Kenntnis habe, dass die effektiv anfallenden Nebenkosten die vereinbarten und bezahlten Akontobeiträge übertreffen werden, und dies einem Neumieter nicht mitteilt, so handle es sich dabei noch nicht um einen besonders krassen Fall eines Verstosses gegen Treu und Glauben, welcher einen Anspruch aus «culpa in contrahendo» stützen würde. Die Mieterschaft habe immer mit Mehrkosten zu rechnen, was auch schon zu Beginn des Vertragsverhältnisses feststehe und der Mieter auch wisse.

Unlauteres Verhalten der Vermieterschaft gemäss Art. 3 lit. b UWG
Unlauter handelt gemäss Art. 3 lit. b UWG, wer unrichtige oder irreführende Angaben über die eigenen Preise macht.
Bezüglich des unlauteren Verhaltens führte das Mietgericht aus, dass ein Mieter bei Nebenkosten-Akontobeträgen nicht davon ausgehen könne, dass Nebenkosten in der Höhe der Akontozahlungen anfallen werden. Das Wesen der Akontozahlungen bestehe darin, dass ein provisorischer Betrag vereinbart werde, schliesslich aber die effektiv angefallenen und mit Rechnung ausgewiesenen Kosten massgebend seien. Auch wenn der Nebenkosten-Akontobetrag durch die Nachzahlungspflicht übertroffen werde, handle es sich beim angegebenen Betrag nicht um einen unrichtigen und irreführenden im Sinne von Art. 3 lit. b UWG. Es liege in einem solchen Fall weder ein verpönter Kundenfang vor, mit welchem der Geschäftskreis erweitert werden soll, noch erziele der Vermieter einen unlauteren Gewinn, da er die Nebenkosten ja auch selbst bezahlen müsse. Es können somit aus dieser Bestimmung keine Ansprüche zugunsten der Mieterschaft abgeleitet werden.

Lockvogelpolitik gemäss Art. 3 lit. f UWG
Lockvogelpolitik im Sinne von Art. 3 lit. f UWG heisst, dass jemand ausgewählte Waren, Werke oder Leistungen wiederholt unter dem Einstandspreis anbietet, diese Angebote in der Werbung besonders hervorhebt und damit den Kunden über die eigene oder die Leistungsfähigkeit von Mitbewerbern täuscht. Es stempelt somit jene Praktiken als unlauter, die darin bestehen, ausgewählte Leistungen besonders billig anzubieten, um so den Anschein eines allgemein besonders billigen Angebotes zu erwecken. Es handelt sich dabei um eine Unterkategorie der Irreführung. Die Charakteristik ist, dass jene Leistungen, die als Lockvogel dienen sollen, unter dem Einstandspreis – also mit Verlust – angeboten werden.
Bezüglich der Lockvogelpolitik hielt das Bezirksgericht fest, dass die Angebote in der Werbung nicht mit den zu tiefen Akontozahlungen hervorgehoben worden seien. Zudem seien Akontozahlungen vereinbart worden. Es sei somit damit zu rechnen gewesen, dass die zu bezahlenden Nebenkosten die Höhe der Akontozahlungen übersteigen könnten. Ausserdem sei in Bezug auf die Nebenkosten nicht etwa ein Verlust der Vermieterschaft vereinbart worden, vielmehr obliege es dem Mieter nach dem Mietvertrag und dem System der Akontozahlungen, die tatsächlich angefallenen Nebenkosten zu bezahlen. Es seien durch die Vermieterschaft nie Leistungen mit Verlust angeboten worden, um die Mieter im Sinne von Art. 3 lit. f UWG zu täuschen. Die Mieterschaft könne auch aus dieser Bestimmung nichts ableiten.

Fazit
Gestützt auf diesen Entscheid lässt sich festhalten, dass die Vermieterschaft bei vereinbarten Nebenkostenakontobeträgen berechtigt ist, die effektiv anfallenden Kosten nach durchgeführter jährlicher Abrechnung bei der Mieterschaft einzufordern. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass es – wie eingangs erwähnt – Entscheide von anderen Gerichten gibt, in welchen die Nachforderungsansprüche der Vermieterschaft massiv gekürzt wurden. Es ist deshalb zweifellos sinnvoll, beim Vertragsabschluss diejenigen Nebenkosten- Akontobeträge in den Mietvertrag aufzunehmen, die auch in etwa zu erwarten sind.
 
     
  * lic. iur., HEV Zürich  
     
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