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HEV 02/2004 Inhaltsverzeichnis
Unser Garten

 

Chemie der Pflanzenfarben
Weshalb ist eine Karotte orangefarbig?
Gernot Grueber + Co Baumschulen

Ich bin fast sicher, dass Sie sich noch nie überlegt haben, weshalb eine Karotte orangefarbig ist; oder etwa doch? Vielleicht ist Ihnen schon die Frage in den Sinn gekommen, weshalb Violett als Violett und Enzianblau als Enzianblau und das Rot einer Paprikaschote eben als Rot empfunden wird? Ist diese Rot tatsächlich Rot, oder nehmen wir es eben als Rot wahr? Heisst wahrnehmen, etwas für wahr nehmen?
 
     
   
  Azalee Fotos: Grünes Presseportal  
     
  Was wir hören, sind Schwingungen. Das ist uns völlig geläufig. Die optische Schwingungswelt um uns herum reicht vom unsichtbaren Infrarot bis zum unsichtbaren Ultraviolett, und dazwischen liegen jene Wellenlängen, die wir als die Farben des Regenbogens wahrnehmen können.
Gut, dass Sie sich und mich fragen:
…schon recht, aber was schwingt denn da?
…und da kommen wir zum Thema:
Die wichtigste Pflanzenfarbe ist Grün. Dieses Grün verdanken Pflanzen einem Stoff, der Blattgrün heisst.
Blattgrün ist als Chlorophyll besser bekannt. Chlorophyll ist ein Molekül, das eine komplizierte Struktur hat, aber die Zutaten, die es zum Aufbau braucht, sind recht übersichtlich: Die Pauschalformel des Chlorophylls ist C40H56O5N4Mg. Die wichtigsten Bausteine, um zu diesem Konstrukt zu kommen, sind Wasser (H2O) und Kohlendioxyd (CO2). Ein Magnesiumatom (Mg) dient sozusagen als Kristallisationskern. Darum herum gruppieren sich vier Stickstoffatome, und daran hängt der ganze Rest. Sie werden sich erinnern: Stickstoffdüngung macht Pflanzen grün und in fast jedem guten Handelsdünger ist in geringer Menge Magnesium enthalten: der Kristallisationskern des Blattgrüns. Die wichtigste Pflanzenfarbe ist das Blattgrün. Es gerät unter der animierenden Wirkung der Sonnenstrahlen in Oszillation, in Schwingung. In diesem Zustand kann das Blattgrün aus Wasser und Kohlendioxyd Kohlehydrate aufbauen, und diese sind wiederum Ausgangspunkt für alle energiereichen pflanzlichen Verbindungen. Zu diesen gehören auch die Farbstoffe.
 
     
 
Pieris
  Die Wellenlänge der Blattgrün-Schwingung wird von unseren Augen als Grün wahrgenommen.
Ich hoffe, dass ich Sie so neugierig gemacht habe, dass Sie jetzt fragen: Wie lang sind denn diese Wellen? Jetzt sind wir tief drin in der Welt der unvorstellbar kleinen Dinge. Diese Wellen werden in Nanometern angegeben (Nano = Zwerg). Ein Nanometer ist der milliardste Teil eines Meters. Vorstellungshilfe gefällig? 100 km enthalten eine Milliarde mm. Das wäre ungefähr von Chur bis Stadtgrenze Zürich. In diesem Grössenvergleich wäre in der Gegend von Frauenfeld der untere Bereich der Radiowellen. Die Ultraschallwellen müssten wir im Ural ansiedeln. «Ja, und die Farben?», fragen Sie zu Recht: Der Blaubereich wäre etwa 4,5 m ab Stadtgrenze Zürich, der Grünbereich bei 5,5 m und der Rotbereich bei 6 bis 7 m ab Stadtgrenze anzusiedeln. Allerdings müssen Sie jetzt mit mir den Rückwärtssalto machen, denn die 100 km Chur–Zürich müssen wir mit allen Begleitinformationen auf 100 cm zurückschrumpfen, um zur wirklichen Oszillationswellenlänge der Farben zu kommen.
Jetzt kommen wir zur Systematik der Pflanzenfarben. Nicht ohne Grund habe ich Ihnen das Blattgrün so ausführlich und zuerst beschrieben. Der Botaniker bezeichnet die Pflanzenfarbstoffe als Chromatophoren, Farbträger. Diese splitten sich auf in die Chloroplasten, Grünkörperchen, und die Chromoplasten, Farbkörperchen. Die Ersteren sind einfach zu verwalten. Es gibt zwei Blattgrünarten, die sich nur durch ein Wassermolekül unterscheiden. Die Farbkörperchen teilen sich in drei Gruppen auf. Die erste Gruppe sind die Karotinoide und die Xanthophylle. Aus diesen Namen hört man schon heraus, in welcher Richtung es gehen soll: Das Rüebligelb ist Karotin. Man findet das auch bei den Kapuzinerblüten. (Rüebligelb ist eigenartigerweise der einzige Pflanzenfarbstoff, der keinen Sauerstoff enthält.)
 
 

Rittersporn
 
  In diese Gruppe gehören z.B. Fucoxanthine, der Farbstoff der Algen, den man als oxydiertes Karotin bezeichnen könnte. Das Capsaxanthin ist der Farbstoff der Paprikaschoten. Dass Violaxanthin, das zu den (gelben) Stiefmütterchen passt, ist leicht zu erraten.
Die zweite Chromoplastengruppe sind die Flavonole. Zu ihnen gehört das Quercetin, der Farbstoff der Färbereiche, das Braungelb des Goldlacks und viele im Orangebraun liegende Herbstfarben, die beim Abbau höherer Molekularverbindungen vorübergehend andere Farbwirkungen erzeugen. Herbstfarben entstehen dadurch, dass Farbmoleküle hohen Energiegehaltes in Farben niederen Energiegehaltes abgebaut werden. Die freiwerdende Energie ergibt einerseits Körperwärme und andererseits Zucker, der zur Wiederverwendung im Frühjahr eingelagert wird.
 
  In der dritten Gruppe wird es auf eine andere Art spannend. Stellen Sie sich einen Blaukrautkopf vor: Der Farbstoff, der seine Farbe «macht», ist Anthocyan. Bluthaseln, Blutahorn und Blutpflaume verdanken ihre Farben dem Anthocyan. Wenn Sie im Frühjahr Salatsetzlinge kaufen, verfärben diese sich in kalten Nächten rötlich. Diese Anthocyanbildung bewirkt einen Kälteschutz, indem sie den Gefrierpunkt nach unten verändert. Raffiniert! Wir kommen nochmals zum Blaukraut zurück: Anthocyan wird durch die Einwirkung von Säuren hell und durch die Einwirkung von Lauchen schwarzblau.      

Stiefmütterchen und Konsorten
 
  Weitere Veränderungen können sich aus der Verbindung mit metallischen Elementen (Eisen, Magnesium) ergeben. So entsteht das Kornblumenblau (Cyanidin), das lachsfarbige Pelargonienlachs (Pelargonidin) und das Ritterspornblau (Delphinidin).
Phänomenal, mit wie wenig Abweichung von einem Grundbaustein die Natur etwas Neues macht: Aus Karotin werden durch «Assimilation von Wasser» und leichten Abwandlungen in den Strukturformeln die Farben der gelben Stiefmütterchen und der Paprikaschoten. Oft ist es nur ein Wassermolekül mehr, das eine andere Farbe bewirkt. Und das ganze Farbengebäude ist rückstandslos rezyklierbar! Alle Achtung!
 
     
  8135 Langnau am Albis  
     
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