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Der
Werkmangel: Beweislast und Sicherung des Beweises (Teil 2) * Cornel Tanno
In
HEV 6/2001 (S. 357) wurde die Beweislast bei
Vorliegen eines Werkmangels behandelt und u.a. festgehalten, für das
Vorliegen eines Werkmangels trage der Besteller und nicht der Unternehmer die
Beweislast. Diese Aussage bedarf einer differenzierteren
Betrachtungsweise. Jene
Ausführungen gelten uneingeschränkt, sofern ein Werkvertrag
ausschliesslich nach den Bestimmungen des Obligationenrechts abgeschlossen
worden ist (Art. 363 ff. OR). Viele Werkverträge werden aber nach der
SIA-Norm 118 (Normwerk des Schweizerischen Ingenieur- und Architekten-Vereins)
gestaltet. Wie sieht die Rechtslage dann aus?
Der Bauherr trägt zwar
nach wie vor die Beweislast für den Zustand, von dem er behauptet, dass er
ein Mangel sei. Bestreitet aber der Unternehmer, dass es sich bei diesem
Zustand (z.B. einer undichten Stelle im Dach oder einem Riss in einer Mauer) um
eine Vertragsabweichung und damit um einen Mangel handelt, so obliegt ihm
hiefür der Beweis. Zum Beispiel hat er (falls er es behauptet) zu
beweisen, dass der angebliche Mangel die Folge normaler Abnutzung oder
unsachgemässen Gebrauchs des mängelfrei abgenommenen Werks
sei. Jeder (Werk-)Mangel besteht in
einem vertragswidrigen Zustand des Werkes (oder Werkteiles) und damit in einer
Vertragsabweichung. Die Beweislastregelung nach SIA-Norm 118 bezieht sich auf
den Fall, da streitig ist, ob ein bestimmter Zustand des Werkes (z.B. eine
bestimmte Wasser- oder Schalldurchlässigkeit) eine solche
Vertragsabweichung darstellt. Diese
Beweislastregel bezieht sich auf jeden Mangel, der während der
Garantiefrist gerügt wird, selbst wenn der Streit die Garantiefrist
überdauert. Sie durchbricht (partiell) den Grundsatz, wonach die
Beweislast für das Vorliegen eines Mangels beim Bauherrn liegt, der daraus
Rechte ableitet.
* lic. iur., Rechtsanwalt,
HEV Zürich |
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