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HEV 09/2001 Inhaltsverzeichnis
Vertragsrecht

Die Expertise bei Werkmängeln (Teil 1)
* Anita Lankau

Baumängel müssen nach der Beweislastregel ausgewiesen werden, um Ansprüche sachgerecht durchsetzen zu können (vgl. HEV 6 und 8/01). Liegt die behauptete Verantwortung aus dem mangelhaften Werk beim Bauunternehmer, so erklärt sich dieser bei Interessenkollision nicht immer diskussionslos bereit, die vorhandenen Mängel rasch und kostenlos zu beheben. Für streitende Vertragsparteien wird der Beizug eines geeigneten Fachexperten deshalb vor allem in kostspieligen Problemfällen unentbehrlich sein, damit in Form eines Gutachtens dem behaupteten Mangel auf den Grund gegangen werden kann.

Ausgewiesene Sachverständige werden dann beigezogen, wenn es zur Beweiserhebung besonderer Kenntnisse aus einer bestimmten Branche bedarf, über die weder der Bauherr noch, im Falle eines Prozesses, das Gericht selbst verfügt. Bauexperten verfügen über ein wissenschaftlich fundiertes sowie ausreichendes Fachwissen, um die Vielzahl von Aspekten (Bauphysik, Bautechnik, Energie, Ökologie etc.) umfassend beurteilen zu können. Experten müssen neben der fachlichen Kompetenz auch Gewähr für absolute Unabhängigkeit und Objektivität bieten.
Grundsätzlich lassen sich drei Arten von Gutachten unterscheiden: Gutachten, die im Auftrage einer oder mehrerer Privatpersonen bzw. Versicherungen, von Verbänden, Behörden, Organisationen, Firmen, juristischen Personen usw. aussergerichtlich, d.h. vor Prozessbeginn, erteilt werden (sog. Privatgutachten). Weiter Gutachten, die im Rahmen eines Prozesses vom Richter angeordnet werden (sog. gerichtliche Gutachten) sowie Schiedsgutachten. Privatgutachten sind allerdings keine Beweismittel für einen allfälligen Prozess, sondern haben nur die Bedeutung von blossen Parteibehauptungen (vgl. HEV 01/2001, S.40f.). Im Prozess kommt ihnen nur geringe Beweiskraft zu, die Richtigkeit dieser Behauptung ist mittels Beweisverfahren zu klären.
Das Gutachten eines privat bestellten Sachverständigen ist für die Gegenpartei in keiner Weise verbindlich. Bei grober Fahrlässigkeit ist der Privatgutachter für Fehler in seinem Gutachten, die zu einem Schaden führen, haftbar. Beim privaten Gutachten handelt es sich um die Erfüllung eines Werkvertrages. Da jede Partei den von ihr beauftragten Privatgutachter selbst zu bezahlen hat, ist es durchaus empfehlenswert, im vornherein abzuklären, wie teuer die Erstattung des Gutachtens insgesamt voraussichtlich werden wird. Denn es ist sicher sinnvoll, sich zu überlegen, ob der Wert der zu begutachtenden Leistung bzw. des Werkes den Aufwand für einen Sachverständigen rechtfertigt. Nicht nur die Entschädigung für die aufgewendeten Stunden, sondern auch der Ersatz von Aufwendungen, von Fahrtkosten und sonstigen baren Auslagen werden mit eingerechnet.
Im Falle eines Prozesses kann es vorkommen, dass das Gericht mehrere Sachverständige herbeizieht. Auch die Parteien selbst können dem Gericht Vorschläge unterbreiten und ihm die Suche nach Sachverständigen wesentlich erleichtern, da sie meist bessere Beziehungen zur einschlägigen Branche als die Richter haben. Wichtig ist, dass die Parteien Gelegenheit erhalten, gegen die Ernennung der Sachverständigen Einwendungen zu erheben, indem sie entweder deren Kompetenz in Frage stellen oder einen Ausstandsgrund geltend machen können.
Der Experte muss genau wissen, worin sein Auftrag besteht, damit auch das gewünschte Beweisergebnis erhältlich wird und nicht Dinge aufgeführt werden, nach denen gar nicht gefragt ist oder andere gar ganz untergehen. Diese Gutachten sollen die tatbestandsmässigen Voraussetzungen bestimmter Rechtsfolgen klar aufzeigen, sie sollen den Kausalzusammenhang beurteilen, das Verschulden und das Schadenausmass aufzeigen. Der Gutachter muss für seine Schlussfolgerungen einen Augenschein vornehmen, Urkunden beiziehen, z.B. Pläne und Verträge, Betroffene und Dritte befragen. Es kann sein, dass der Experte Abklärungen vornehmen muss, bei denen die eine oder andere Person, sei es ein Dritter oder im Prozessfall eine Partei mitzuwirken hat.
Anhand von Plänen muss beispw. beurteilt werden, wie das erstellte Werk hätte aussehen sollen, oder mittels Verträgen ist zu ermitteln, was mit gewissen technischen Ausdrücken gemeint ist. Gutachten, die nur Ergebnisse mitteilen, ohne es zu ermöglichen, Gedankengänge nachzuvollziehen und zu überprüfen, helfen dem Auftraggeber des Privatgutachters wenig.

* lic. iur., HEV Zürich

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