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Die Expertise
bei Werkmängeln (Teil 1) * Anita
Lankau
Baumängel müssen
nach der Beweislastregel ausgewiesen werden, um Ansprüche sachgerecht
durchsetzen zu können (vgl. HEV 6 und 8/01). Liegt die behauptete
Verantwortung aus dem mangelhaften Werk beim Bauunternehmer, so erklärt
sich dieser bei Interessenkollision nicht immer diskussionslos bereit, die
vorhandenen Mängel rasch und kostenlos zu beheben. Für streitende
Vertragsparteien wird der Beizug eines geeigneten Fachexperten deshalb vor
allem in kostspieligen Problemfällen unentbehrlich sein, damit in Form
eines Gutachtens dem behaupteten Mangel auf den Grund gegangen werden
kann. Ausgewiesene
Sachverständige werden dann beigezogen, wenn es zur Beweiserhebung
besonderer Kenntnisse aus einer bestimmten Branche bedarf, über die weder
der Bauherr noch, im Falle eines Prozesses, das Gericht selbst verfügt.
Bauexperten verfügen über ein wissenschaftlich fundiertes sowie
ausreichendes Fachwissen, um die Vielzahl von Aspekten (Bauphysik, Bautechnik,
Energie, Ökologie etc.) umfassend beurteilen zu können. Experten
müssen neben der fachlichen Kompetenz auch Gewähr für absolute
Unabhängigkeit und Objektivität bieten. Grundsätzlich lassen sich drei Arten von Gutachten
unterscheiden: Gutachten, die im Auftrage einer oder mehrerer Privatpersonen
bzw. Versicherungen, von Verbänden, Behörden, Organisationen, Firmen,
juristischen Personen usw. aussergerichtlich, d.h. vor Prozessbeginn, erteilt
werden (sog. Privatgutachten). Weiter Gutachten, die im Rahmen eines
Prozesses vom Richter angeordnet werden (sog. gerichtliche Gutachten)
sowie Schiedsgutachten. Privatgutachten sind allerdings keine
Beweismittel für einen allfälligen Prozess, sondern haben nur die
Bedeutung von blossen Parteibehauptungen (vgl. HEV 01/2001, S.40f.). Im Prozess kommt ihnen
nur geringe Beweiskraft zu, die Richtigkeit dieser Behauptung ist mittels
Beweisverfahren zu klären. Das
Gutachten eines privat bestellten Sachverständigen ist für die
Gegenpartei in keiner Weise verbindlich. Bei grober Fahrlässigkeit ist der
Privatgutachter für Fehler in seinem Gutachten, die zu einem Schaden
führen, haftbar. Beim privaten Gutachten handelt es sich um die
Erfüllung eines Werkvertrages. Da jede Partei den von ihr beauftragten
Privatgutachter selbst zu bezahlen hat, ist es durchaus empfehlenswert, im
vornherein abzuklären, wie teuer die Erstattung des Gutachtens insgesamt
voraussichtlich werden wird. Denn es ist sicher sinnvoll, sich zu
überlegen, ob der Wert der zu begutachtenden Leistung bzw. des Werkes den
Aufwand für einen Sachverständigen rechtfertigt. Nicht nur die
Entschädigung für die aufgewendeten Stunden, sondern auch der Ersatz
von Aufwendungen, von Fahrtkosten und sonstigen baren Auslagen werden mit
eingerechnet. Im Falle eines Prozesses
kann es vorkommen, dass das Gericht mehrere Sachverständige herbeizieht.
Auch die Parteien selbst können dem Gericht Vorschläge unterbreiten
und ihm die Suche nach Sachverständigen wesentlich erleichtern, da sie
meist bessere Beziehungen zur einschlägigen Branche als die Richter haben.
Wichtig ist, dass die Parteien Gelegenheit erhalten, gegen die Ernennung der
Sachverständigen Einwendungen zu erheben, indem sie entweder deren
Kompetenz in Frage stellen oder einen Ausstandsgrund geltend machen
können. Der Experte muss genau
wissen, worin sein Auftrag besteht, damit auch das gewünschte
Beweisergebnis erhältlich wird und nicht Dinge aufgeführt werden,
nach denen gar nicht gefragt ist oder andere gar ganz untergehen. Diese
Gutachten sollen die tatbestandsmässigen Voraussetzungen bestimmter
Rechtsfolgen klar aufzeigen, sie sollen den Kausalzusammenhang beurteilen, das
Verschulden und das Schadenausmass aufzeigen. Der Gutachter muss für seine
Schlussfolgerungen einen Augenschein vornehmen, Urkunden beiziehen, z.B.
Pläne und Verträge, Betroffene und Dritte befragen. Es kann sein,
dass der Experte Abklärungen vornehmen muss, bei denen die eine oder
andere Person, sei es ein Dritter oder im Prozessfall eine Partei mitzuwirken
hat. Anhand von Plänen muss beispw.
beurteilt werden, wie das erstellte Werk hätte aussehen sollen, oder
mittels Verträgen ist zu ermitteln, was mit gewissen technischen
Ausdrücken gemeint ist. Gutachten, die nur Ergebnisse mitteilen, ohne es
zu ermöglichen, Gedankengänge nachzuvollziehen und zu
überprüfen, helfen dem Auftraggeber des Privatgutachters
wenig.
* lic. iur., HEV
Zürich |
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