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Hedonisch
ermittelte Verkehrswerte mit Vorsicht geniessen * Thomas W.A. Rinderknecht
In letzter Zeit werden
immer wieder elektronische Schätzungen angeboten, welche auf der so
genannten hedonischen Bewertungsmethode beruhen**. Bei
dieser werden die Liegenschaften nicht besichtigt, sondern eine Reihe von
Parametern wird in den Computer eingegeben und von diesem mit effektiv
erfolgten Verkaufstransaktionen verglichen. Da dies weniger Aufwand erfordert
spart der Geldgeber mit dieser Methode erheblich Kosten ein. Wo ist eine solche
Bewertung sinnvoll? Die hedonische
Methode ist an und für sich nicht neu und kann im Sinne einer
Ergänzung zu den anerkannten individuellen Schätzungen von
Immobilienexperten verstanden werden. Sie eignet sich vor allem für Banken
und institutionelle Anleger, welche umfangreiche Immobilienportefeuilles
bewirtschaften. So mag es logisch erscheinen, wenn eine Grossbank, welche
jährlich Tausende von Immobilien neu finanziert, aufgrund der Erfahrungen
aus der Immobilienkrise für die kuranten Liegenschaften auf diese
mathematische, statistische Methode zurückgreift. Das Risiko, über
den gesamten Bestand gesehen, ist nicht höher ist als in der
Vergangenheit. Wird jedoch die
hedonische Bewertungsmethode auf einzelne Objekte angewandt, so muss sich der
Nutzer folgender Tatsachen bewusst sein:
- Liegenschaften sind fast
immer «Unikate». Eine Bewertung einer einzelnen Immobilie ohne
Besichtigung derselben, ist nichts wert.
- Werden die Daten für
das zu berechnende Objekt vom Eigentümer selbst bestimmt, so erfolgt die
Qualifizierung der einzelnen Merkmale meist subjektiv, da ihm in der Regel
Quervergleiche zum aktuellen Markt fehlen (ausser er/sie ist vom
Fach)
- Für bebaute
Grundstücke gelten andere Landpreise als für unbebaute Parzellen. Die
Methode funktioniert deshalb nur bei baurechtlich gut ausgenütztem Land.
Bei schlecht genutztem Boden und/oder Baulandreserven sind Fehler zu
erwarten.
- Unterschiedliche Lage und
Bebauung des Umschwungs berücksichtigt die Methode unseres Wissens nicht,
obwohl wertrelevant.
- Problematisch sind
Eigentumswohnungen, wenn die Wertquoten im Hinblick auf die
Aufschlüsselung der Verwaltungs-, Reparatur-, Unterhalts- und
Betriebskosten berechnet wurden und nicht den vermögensrechtlichen
Wertanteil berücksichtigen.
- Nicht geeignet ist sodann
die hedonische Methode bei einzelnen Renditeobjekten, da sich diese in Bezug
auf Substanz, Ausbau, Nachhaltigkeit der Erträge, mietrechtliche Aspekte
usw. nicht mit denjenigen der Datenbank verglichen werden
können.
- Sofern es sich nicht um
ein grösseres Liegenschaftenpaket handelt, sind hedonisch berechnete Werte
für Verkaufsverhandlungen, Auseinandersetzungen güterrechtlicher Art,
bei Nachlassregelungen usw. kaum verwendbar.
- Dass schematische,
formelmässige Bewertungsmethoden nur sehr beschränkt tauglich sind,
beweist das im Kanton Zürich angewandte Bewertungsmodell für die
Festsetzung der Vermögens- und Eigenmietwerte. Eine durch das Steueramt
1996 in Auftrag gegeben Studie hatte aufgezeigt, dass z.B. für
Verkehrswerte von Einfamilienhäusern in drei Viertel der Fälle eine
Streuung von +/-15% in Kauf genommen werden muss, bei einem Viertel ist jedoch
die Abweichung grösser.
Eine individuelle
Verkehrswertschätzung auf der Basis langjährig bewährter
Berechnungsmethoden beinhaltet schlussendlich auch nur einen
«geschätzten» Wert. Immerhin wird jedoch der Experte seine
Erfahrungen über den Markt, über die Bedürfnisse der Nachfrager
sowie Kenntnisse in baurechtlicher und -technischer Hinsicht in die Berechnung
mit einfliessen lassen.
** Die
Bezeichnung «hedonischer Wert» und nicht
«hedonistischer» Wert wird in Anlehnung an die englische
Bezeichnung «hedonic price method» verwendet und dürfte mit
der aus der Antike stammenden philosophischen Lehre «Hedonismus»,
dem Streben nach Sinnenlust und Genuss, kaum etwas gemeinsam haben.
* Leiter
Schätzungsabteilung HEV Zürich, Mitglied der
SVIT-Schätzungsexpertenkammer |
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