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HEV 10/2001 Inhaltsverzeichnis
Liegenschaftsbewertung

Hedonisch ermittelte Verkehrswerte mit Vorsicht geniessen
* Thomas W.A. Rinderknecht

In letzter Zeit werden immer wieder elektronische Schätzungen angeboten, welche auf der so genannten hedonischen Bewertungsmethode beruhen**. Bei dieser werden die Liegenschaften nicht besichtigt, sondern eine Reihe von Parametern wird in den Computer eingegeben und von diesem mit effektiv erfolgten Verkaufstransaktionen verglichen. Da dies weniger Aufwand erfordert spart der Geldgeber mit dieser Methode erheblich Kosten ein. Wo ist eine solche Bewertung sinnvoll?

Die hedonische Methode ist an und für sich nicht neu und kann im Sinne einer Ergänzung zu den anerkannten individuellen Schätzungen von Immobilienexperten verstanden werden. Sie eignet sich vor allem für Banken und institutionelle Anleger, welche umfangreiche Immobilienportefeuilles bewirtschaften. So mag es logisch erscheinen, wenn eine Grossbank, welche jährlich Tausende von Immobilien neu finanziert, aufgrund der Erfahrungen aus der Immobilienkrise für die kuranten Liegenschaften auf diese mathematische, statistische Methode zurückgreift. Das Risiko, über den gesamten Bestand gesehen, ist nicht höher ist als in der Vergangenheit.
Wird jedoch die hedonische Bewertungsmethode auf einzelne Objekte angewandt, so muss sich der Nutzer folgender Tatsachen bewusst sein:
  • Liegenschaften sind fast immer «Unikate». Eine Bewertung einer einzelnen Immobilie ohne Besichtigung derselben, ist nichts wert.
  • Werden die Daten für das zu berechnende Objekt vom Eigentümer selbst bestimmt, so erfolgt die Qualifizierung der einzelnen Merkmale meist subjektiv, da ihm in der Regel Quervergleiche zum aktuellen Markt fehlen (ausser er/sie ist vom Fach)
  • Für bebaute Grundstücke gelten andere Landpreise als für unbebaute Parzellen. Die Methode funktioniert deshalb nur bei baurechtlich gut ausgenütztem Land. Bei schlecht genutztem Boden und/oder Baulandreserven sind Fehler zu erwarten.
  • Unterschiedliche Lage und Bebauung des Umschwungs berücksichtigt die Methode unseres Wissens nicht, obwohl wertrelevant.
  • Problematisch sind Eigentumswohnungen, wenn die Wertquoten im Hinblick auf die Aufschlüsselung der Verwaltungs-, Reparatur-, Unterhalts- und Betriebskosten berechnet wurden und nicht den vermögensrechtlichen Wertanteil berücksichtigen.
  • Nicht geeignet ist sodann die hedonische Methode bei einzelnen Renditeobjekten, da sich diese in Bezug auf Substanz, Ausbau, Nachhaltigkeit der Erträge, mietrechtliche Aspekte usw. nicht mit denjenigen der Datenbank verglichen werden können.
  • Sofern es sich nicht um ein grösseres Liegenschaftenpaket handelt, sind hedonisch berechnete Werte für Verkaufsverhandlungen, Auseinandersetzungen güterrechtlicher Art, bei Nachlassregelungen usw. kaum verwendbar.
  • Dass schematische, formelmässige Bewertungsmethoden nur sehr beschränkt tauglich sind, beweist das im Kanton Zürich angewandte Bewertungsmodell für die Festsetzung der Vermögens- und Eigenmietwerte. Eine durch das Steueramt 1996 in Auftrag gegeben Studie hatte aufgezeigt, dass z.B. für Verkehrswerte von Einfamilienhäusern in drei Viertel der Fälle eine Streuung von +/-15% in Kauf genommen werden muss, bei einem Viertel ist jedoch die Abweichung grösser.
Eine individuelle Verkehrswertschätzung auf der Basis langjährig bewährter Berechnungsmethoden beinhaltet schlussendlich auch nur einen «geschätzten» Wert. Immerhin wird jedoch der Experte seine Erfahrungen über den Markt, über die Bedürfnisse der Nachfrager sowie Kenntnisse in baurechtlicher und -technischer Hinsicht in die Berechnung mit einfliessen lassen.

** Die Bezeichnung «hedonischer Wert» – und nicht «hedonistischer» Wert – wird in Anlehnung an die englische Bezeichnung «hedonic price method» verwendet und dürfte mit der aus der Antike stammenden philosophischen Lehre «Hedonismus», dem Streben nach Sinnenlust und Genuss, kaum etwas gemeinsam haben.

* Leiter Schätzungsabteilung HEV Zürich, Mitglied der SVIT-Schätzungsexpertenkammer

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