Hauseigentümerverband Zürich
Monatsschrift
Home
Verband
Veranstaltungen Seminare
Monatsschrift
Formulare
Handwerker
Links
HEV 05/2004 Inhaltsverzeichnis
Mietrecht

     
  Ausschluss der Erstreckung
* Daniel Petazzi
 
     
  Wird ein Mietverhältnis durch den Vermieter gekündigt, besteht regelmässig ein erhöhtes Interesse, dass die Wohnung oder der Geschäftsraum auf einen bestimmten Zeitpunkt wieder verfügbar ist. Das Institut der Erstreckung gemäss Art. 272 OR verunmöglicht es jedoch dem Vermieter in den meisten Fällen, die tatsächliche Beendigung des Mietverhältnisses vorauszubestimmen.  
     
  Der Mieter kann nämlich, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn oder seine Familie eine Härte zur Folge hätte, welche durch die Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen wäre, eine Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen. Dieses Begehren hat der Mieter innert 30 Tagen ab Zugang der Kündigung durch den Vermieter gegenüber der Schlichtungsbehörde zu stellen. Wird die Kündigung innert derselben Frist durch den Mieter angefochten, so wird – im Falle der Gültigkeit der Kündigung – von Amtes wegen geprüft, ob das Mietverhältnis erstreckt werden kann. Auch bei befristeten Mietverhältnissen, welche ohne Kündigung durch blossen Zeitablauf enden, kann eine Erstreckung verlangt werden. Diesfalls müsste das Begehren jedoch mindestens 60 Tage vor Ablauf des befristeten Mietverhältnisses gestellt werden. Falls es der Mieter verpasst innert der genannten Fristen eine Erstreckung des Mietverhältnisses zu verlangen bzw. die Kündigung anzufechten, so hat der Vermieter unter Vorbehalt einer nichtigen oder unwirksamen Kündigung die Gewissheit, dass das Mietverhältnis auf den bestimmten Zeitpunkt beendet sein wird. In fünf weiteren Fällen sieht das Gesetz vor, dass das Mietverhältnis nicht erstreckt werden kann (vgl. Art. 272a OR). Dabei ist zwischen den vier absoluten Ausschlussgründen, bei welchen sich die Frage der Erstreckung von Beginn weg nicht stellt, und dem einen relativen Ausschlussgrund, bei welchem zusätzlich die Umstände zu berücksichtigen sind, zu unterscheiden.
Als erster und wohl häufigster absoluter Ausschlussgrund ist der Zahlungsrückstand des Mieters zu erwähnen. Hier wird vorausgesetzt, dass der Vermieter aufgrund von Art. 257d OR wegen Zahlungsverzugs des Mieters das Mietverhältnis ausserordentlich kündigte. Die gleiche Ausschlusswirkung besteht auch für den Fall einer ordentlichen Kündigung, wenn der Vermieter die Möglichkeit gehabt hätte, die eben erwähnte ausserordentliche Kündigung auszusprechen. Somit besteht bei einer ordentlichen Kündigung trotz Zahlungsverzug des Mieters kein Erstreckungsausschluss, wenn die Formalien gemäss Art. 257d OR nicht eingehalten wurden, wenn zum Beispiel der Mieter nicht korrekt abgemahnt wurde.
Ein weiterer absoluter Ausschlussgrund stellt die schwere Verletzung der Pflicht des Mieters zu Sorgfalt und Rücksichtsnahme (vgl. Art. 257f Abs. 3 und 4 OR) dar. Ist der Vermieter berechtigt, das Mietverhältnis wegen schwerer Verletzung der genannten Pflicht aufzulösen, so ist im Falle einer Kündigung keine Erstreckung zu gewähren. Dabei ist wie beim Zahlungsverzug ohne Bedeutung, ob die Kündigung ausserordentlich oder ordentlich ausgesprochen wurde. Hier bleibt jedoch einschränkend zu erwähnen, dass jeweils hohe Anforderungen an das Vorliegen einer Kündigungsmöglichkeit infolge schwerer Pflichtverletzung gestellt werden. Insbesondere muss das vertragswidrige Verhalten des Mieters korrekt im Sinne von Art. 257f Abs. 3 OR abgemahnt worden sein.
Fällt der Mieter nach Mietantritt in Konkurs, so hat der Vermieter aufgrund von Art. 266h OR ebenfalls eine ausserordentliche Kündigungsberechtigung. Kündigt der Vermieter das Mietverhältnis, nachdem die Voraussetzungen von Art. 266h OR gegeben sind, führt dies ebenfalls zu einem Erstreckungsausschluss.
Wurde schliesslich der Mietvertrag im Hinblick auf ein bevorstehendes Umbauoder Abbruchvorhaben ausdrücklich nur für die beschränkte Zeit bis zum Baubeginn oder bis zum Erhalt der erforderlichen Bewilligung abgeschlossen, ist im Falle einer Kündigung eine Erstreckung ebenfalls absolut ausgeschlossen. Hier wird verlangt, dass im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits ein konkretes Bau- oder Abbruchprojekt besteht, wobei die Bau- bzw. Abbruchbewilligung noch nicht vorliegen muss. In diesem Fall handelt es sich gemäss herrschender Lehre und Rechtsprechung um einen befristeten Vertrag, welcher durch Eintreten des zuvor ausdrücklich bestimmten Ereignisses – sei es das Vorliegen der Baubewilligung oder der Beginn der Bauarbeiten – ohne weiteres beendet wird. Eine förmliche Kündigung erübrigt sich daher, denn die Anzeige des vertragsauflösenden Ereignisses muss genügen.
Neben den erwähnten absoluten Ausschlussgründen ist der einzige relative Ausschlussgrund zu erwähnen: Danach ist die Erstreckung in der Regel ausgeschlossen, wenn der Vermieter dem Mieter einen gleichwertigen Ersatz für die Wohn- oder Geschäftsräume anbietet. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob das Ersatzobjekt dem Vermieter oder einem Dritten gehört. Ob ein gleichwertiges Ersatzobjekt vorliegt, ist durch den Richter bzw. die Schlichtungsbehörde durch sein bzw. ihr Ermessen zu entscheiden. Als Kriterien für die Beurteilung der Gleichwertigkeit sind weder die Vorstellungen des Mieters noch diejenigen des Vermieters relevant. Als massgebende Kriterien sind der bisher vereinbarte Gebrauchszweck, die damit verbundenen notwendigen Eigenschaften des bisherigen Mietobjekts sowie die persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse des Mieters anzufügen. Der Mieter kann somit nicht darauf bestehen, dass das Ersatzobjekt die gleiche Nutzungsfläche und den identischen Mietzins aufweist. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände kann auch ein teureres Mietobjekt als gleichwertiges Ersatzobjekt qualifiziert werden. Dem Mieter muss die Möglichkeit eingeräumt werden, das Ersatzobjekt zu prüfen. Dafür ist ihm in der Regel eine Frist von zwei Wochen zu gewähren. Bei Geschäftsräumen ist diese Frist eher zu verlängern. Dem Vermieter ist es dringend zu empfehlen das Angebot eines allfälligen Ersatzobjektes bereits frühzeitig dem Mieter mitzuteilen. Erfolgt die Anzeige erst anlässlich der Schlichtungsverwaltung wird dies regelmässig zu spät sein. Die Schlichtungsbehörde muss nämlich prüfen können, ob dem Mieter ein gleichwertiger Ersatz angeboten wurde und ob dieser das Angebot ohne triftigen Grund ablehnte. Nur falls diese beiden Fragen zu bejahen sind, wird die Erstreckung des Mietverhältnisses ausgeschlossen. Als Beispiele für ein berechtigtes Ablehnen des gleichwertigen Ersatzobjektes durch den Mieter kann Folgendes angeführt werden: Alter oder Gesundheitszustand des Mieters lassen einen Umzug auf den Zeitpunkt des Vertragsendes als unzumutbar erscheinen. Im Zeitpunkt des Ersatzangebotes steht für den Mieter bereits fest, dass ihm das Ersatzobjekt in naher Zukunft nicht mehr dienen kann. Ein zweimaliger Umzug innert kürzerer Zeit ist in der Regel nicht zuzumuten. Schliesslich darf der Mieter ein Ersatzangebot ablehnen, wenn es zur Unzeit kommt. Wie bereits erwähnt, muss dem Mieter nämlich genügend Zeit zur Überprüfung des Ersatzobjektes eingeräumt werden. Aufgrund dieser Ausführungen wird klar, dass sich der Vermieter trotz Anbieten eines aus seiner Sicht gleichwertigen Ersatzobjektes nicht darauf verlassen kann, dass das Mietverhältnis nicht erstreckt wird.
 
     
  * lic. iur., Rechtsanwalt, HEV Zürich  
     
Inhaltsverzeichnis Seitenanfang