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Aus der Praxis des Bundesgerichts |
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Ansprüche Dritter aus Vertrauenshaftung/ Anforderungen an
Gutachten HEV Winterthur |
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Das Bundesgericht
hatte in einem Entscheid vom 23. Dezember 2003 folgenden Sachverhalt zu
beurteilen: Ein Architekt, lokal auch ein bekannter
Liegenschaftenschätzer, verfasste 1994 im Auftrag der Eigentümer
einen Schätzungsbericht über deren Liegenschaft. Die Eigentümer
wollten dieses Gutachten, um bei der Bank eine Erhöhung des
Hypothekarkredits zu erlangen. Das Gutachten wurde in der Folge nicht nur der
Bank zur Verfügung gestellt, sondern 1996 im Hinblick auf den Verkauf der
Liegenschaft auch Kaufinteressenten vorgelegt. Nach erfolgtem Kauf bezogen die
neuen Eigentümer das Haus im März 1997 und wurden kurz danach darauf
aufmerksam, dass sich beim Vordach Probleme einstellen könnten. Von der
Käuferschaft beauftragte Bauexperten stellten in der Folge verschiedene
Mängel an der Liegenschaft fest, die im Schätzungsbericht des
Architekten nicht erwähnt waren, weshalb Klage erhoben
wurde. Da nicht die neuen, sondern die
alten Eigentümer der Liegenschaft den Architekten mit der Schätzung
beauftragt hatten, kam eine Haftung des Architekten aus Vertrag von vornherein
nicht in Betracht. Hingegen prüfte das Bundesgericht, ob allenfalls eine
so genannte Vertrauenshaftung Platz greife. Diese setzt voraus, dass zwischen
den Parteien eine rechtliche Sonderverbindung entstanden ist, die nicht auf
blossem Zufall beruht. Ein unmittelbarer Kontakt ist aber nicht notwendig. Es
genügt, dass die beklagte Person kundgetan hat, für die Richtigkeit
bestimmter Äusserungen einzustehen und der Kläger im berechtigten
Vertrauen darauf Anordnungen getroffen hat, die dann zu seinem Schaden
geführt haben. Daraus folgt, dass auch ein Experte, der ein
Schriftstück erarbeitet, haftbar werden kann, wenn er weiss oder damit
rechnen muss, dass der Auftraggeber das Gutachten an Dritte weitergibt. Ob der
Gutachter mit der Weitergabe an Dritte rechnen muss, entscheidet sich nach den
konkreten Umständen, dem gesellschaftlichen und beruflichen Kontext und
der sozialen Rolle der Betroffenen. Nach
Ansicht des Bundesgerichts konnte der Architekt nicht ausschliessen, dass sein
Gutachten von irgendwelchen Personen in irgendeinem Zusammenhang zu einem
späteren Zeitpunkt nochmals eingesehen werden könnte, wenngleich es
im Zeitpunkt der Erstellung einzig dazu dienen sollte, eine Erhöhung des
Hypothekarkredits zu erlangen. Da zwischen dem Architekten und den neuen
Eigentümern im Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens kein direkter
Kontakt bestand bzw. er nichts von den Verkaufsabsichten wusste, habe zwischen
den Parteien keine Verbindung bestanden, die ein legitimes Vertrauen der neuen
Eigentümer in die Richtigkeit des Gutachtens hätte begründen
können. Ebenso wenig sei für den Architekten vorhersehbar gewesen,
dass sein Gutachten in einem anderen Zusammenhang, wie dem Verkauf der
Liegenschaft, nochmals verwendet werden würde. Hinzu komme, dass das
Gutachten in einem Abstand von zwei Jahren innerhalb eines Personenkreises, der
mit dem ursprünglichen Zweck des Gutachtens nichts mehr zu tun hatte,
zirkulierte. Eine Vertrauenshaftung hätte höchstens gegenüber
der Bank, falls sie im Zusammenhang mit der Erhöhung der Hypothek
gestützt auf das Gutachten für sie nachteilige
Vermögensdispositionen getroffen hätte, bestanden. Das
Verhältnis zur Bank war aber im vorliegenden Fall nicht zu beurteilen. Aus
diesen Gründen verneinte das Bundesgericht eine Vertrauenshaftung des
Architekten. Das Urteil überzeugt
im Ergebnis, das Gericht verweigert der Klage bereits hinsichtlich
Haftungsgrundlage das Fundament. Gleichwohl gibt der Entscheid zu einigen
Bemerkungen Anlass: Zunächst fällt auf, dass das zugrunde liegende
Vertragsverhältnis vom Gericht ohne weiteres als Auftrag im Sinne der Art.
394 ff. OR qualifiziert wird; ein Hinweis auf die differenzierende
Rechtsprechung zur diesbezüglichen Einordnung (z. B. auf BGE 127 III 328),
welchletztere in der Lehre nach wie vor kontrovers ist (und es auch bleiben
wird, man denke etwa an die computergestützten Fernschätzungen),
indem teilweise ein Werkvertrag nach Art. 363 ff. OR angenommen wird, fehlt
vollständig. Nun ist zwar für die Beurteilung einer Haftung aus
Vertrauen das Vertragsverhältnis als solches von sekundärer
Bedeutung, kann aber, soweit Element des vertrauensbegründenden
Tatbestandes, nicht einfach der Erwägungsperipherie anheim fallen. Die
präzise Bestimmung dessen, was überhaupt geeignet ist,
schützenswertes Vertrauen zu begründen, umfasst in Fällen wie
dem vorliegenden eben auch den Vertrag an sich. Die typische Leistung besteht bei einem Schätzungsgutachten
darin, den Wert einer Sache zu schätzen, nicht einen Befund über
einen technischen Sachverhalt, etwa wie im Sinne einer Bauexpertise,
abzuliefern (wenngleich wahrnehmbare Auffälligkeiten am
Schätzungsobjekt in einem sorgfältig abgefassten Gutachten
Erwähnung finden sollten). Der Auftraggeber möchte einen
mutmasslichen Preis in Erfahrung bringen, welcher je nach Lage seiner
Interessen lieber hoch (z.B. Verkauf oder Hypotheken-Aufstockung) oder lieber
tief (z.B. Auszahlung eines Miterben, steuerrechtliches Verfahren) ausfallen
soll. Die Stossrichtung des Schätzungsgutachtens ist demnach
ökonomischer Natur, während andere Gutachten im Zusammenhang mit
Gebäuden primär die technische Qualität als solche zum
Gegenstand haben. Ziel eines Schätzungsgutachtens muss es sein, im Rahmen
der Toleranzen der Gerichtspraxis (10 bis 15%, in komplexen Ausnahmefällen
bis 20%) einen Wert zu ermitteln. Dieser Wert bildet beim
Schätzungsgutachten das Substrat für Drittvertrauen. Eine
Vertrauenshaftung für den bautechnischen Zustand eines Gebäudes hat
sich im Falle eines Schätzungsgutachtens mit anderen Worten darauf zu
beschränken, dass der ermittelte Schätzwert unter
Vernachlässigung vorhandener baulicher Mängel zustande kommt und
somit zu hoch ausfällt. Eine Vertrauenshaftung über diesen Umfang zu
bejahen hiesse nichts anderes, als das Wesen eines Schätzungsgutachtens zu
verkennen (und aus ihm eine bautechnische Expertise o. dgl. zu machen, was sich
nebenbei klar nicht mit dem Auftrag bzw. mit der Bestellung
deckt). Im interessierenden Fall wollten
die Käufer aus dem zweijährigen Schätzungsbericht direkt auf die
Mängelfreiheit des Gebäudes schliessen. Das Bundesgericht ist aus
guten Gründen dieser Auffassung nicht gefolgt, hat sich jedoch zum soeben
dargelegten Problemkreis nicht geäussert. Auffällig (bzw. eigentlich
folgerichtig) ist am fraglichen Urteil, dass der Schätzwert überhaupt
nicht genannt wird, aber von einem mutmasslichen «Schaden» in
Höhe von Fr. 63900. (Sanierungskosten, ermittelt anhand von
Bauexpertisen) die Rede ist. Bei dieser Grössenordnung wäre es
besonders aufschlussreich gewesen, das Gutachten auf seine eigentliche
Genauigkeit hin zu überprüfen. Unter Annahme einer
15%-Maximalabweichung bei einer Verkehrswertschätzung wäre dieser
Sanierungsbedarf dann im Rahmen der zulässigen Toleranz, wenn der
Verkehrswert über Fr. 426000. liegt. Träfe Letzteres zu (was
nicht unwahrscheinlich scheint), hätte sich der Gutachter im Rahmen dessen
geirrt, was ihm das Recht gestattet. Anders herum: Die Käufer hätten
dementsprechend den Gegenwert dessen erhalten, was sie als Kaufpreis entrichtet
haben. Ein Schaden läge von vornherein nicht vor. |
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Fazit: |
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Hauskäufer sollten sich stets sehr sorgfältig
über den Wert (welcher u. a. vom baulichen Zustand abhängt) ins Bild
setzen. Der Verkäufer wird ihnen keine Schätzungsgutachten zeigen,
die ihm keine Freude machen. |
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Gutachter sollten in ihren Berichten lieber etwas zu
viel als zu wenig an individuellen Bemerkungen anbringen, allenfalls verbunden
mit einem pauschalen Hinweis auf Wesen (Detaillierungsgrad bezüglich
Mängeln in der Gebäudesubstanz) und Zweck (Wertermittlung, nicht
Baumängelbeschrieb) einer Schätzung. |
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Verkäufer sollten sich, wie weit gehend
üblich, mittels optimaler Vertragsgestaltung vor «Nachwehen»
schützen. |
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