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HEV 06/2004 Inhaltsverzeichnis
Mietvertrag und Zwangsversteigerung

     
  Entzug der Mietsache im Schuld-
betreibungs- und Konkursverfahren

* Reto Ziegler
 
     
  Bei einer Zwangsversteigerung geht ein Miet- oder Pachtvertrag grundsätzlich auf den Erwerber über. Kommen aber Grundpfandgläubiger zu Verlust, so können sie eine zweite Versteigerung (Doppelaufruf) ohne Überbindung des Mietverhältnisses auf den Erwerber verlangen. Der Doppelaufruf ist sowohl bei im Grundbuch vorgemerkten als auch bei nicht eingetragenen, langfristigen Mietverträgen zulässig. Nach dem Doppelaufruf kann der Erwerber mit der gesetzlichen Kündigungsfrist auf den nächsten gesetzlichen Termin das Mietverhältnis kündigen.  
     
  Der Grundsatz «Kauf bricht Miete nicht» gilt grundsätzlich auch im Schuldbetreibungs- und Konkursverfahren. Im Falle einer Versteigerung tritt die ersteigernde Käuferschaft gemäss Art. 261 Abs. 1 OR in das Mietverhältnis ein. Sie kann den Vertrag ausserordentlich kündigen, wenn die Voraussetzungen von Art. 261 Abs. 2 OR erfüllt sind, namentlich dringender Eigenbedarf. Dieses Kündigungsrecht ist jedoch eingeschränkt, kann nur auf den nächsten gesetzlichen Termin wahrgenommen werden. Wird vom Kündigungsrecht Gebrauch gemacht und muss der Mieter vorzeitig ausziehen, wird die bisherige Vermieterschaft, welche die Liegenschaft in einem Pfändungsverfahren oder durch Pfandverwertung verloren hat, schadenersatzpflichtig. Im Falle eines Konkurses fällt die Schadenersatzforderung in die Konkursmasse, was im Allgemeinen zur Folge hat, dass die Mieterschaft kaum Aussicht auf einen Ersatz im verlangten Umfang hat. Die Schadenersatzforderung der Mieterschaft stellt nämlich keine privilegierte Forderung dar.
Die skizzierte Regelung von Art. 261 Abs. 1 OR kann nun den Ersteigerungserlös Die skizzierte Regelung von Art. 261 Abs. 1 OR kann nun den Ersteigerungserlös Mietverhältnissen als auch bei langfristig abgeschlossenen Vertragsverhältnissen. Der Doppelaufruf bedeutet nun, dass die Liegenschaft ein erstes Mal mit dem Mietverhältnis versteigert wird. Wenn der Erlös der ersten Versteigerung nicht genügt, um die Pfandrechte der vorgehenden Pfandgläubiger zu befriedigen, wird die Liegenschaft ein zweites Mal ohne Mietverhältnis zur Versteigerung gebracht. Wenn bei der zweiten Versteigerung ein höheres Angebot eingeht, wird die Liegenschaft dem Meistbietenden der zweiten Versteigerung zugeschlagen. War das Mietverhältnis im Grundbuch vorgemerkt, wird die Vormerkung danach gelöscht. Bei den langfristig abgeschlossenen Mietverträgen hat der Doppelaufruf die Folge, dass der Erwerber das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Kündigungstermin kündigen kann, ohne dass er Eigenbedarf bzw. dringenden Eigenbedarf geltend machen muss.
Der Doppelaufruf erfolgt nicht von Amtes wegen, sondern der prioritäre Grundpfandgläubiger muss den Doppelaufruf explizit verlangen, und zwar innert 10 Tagen seit Zustellung des Lastenverzeichnisses.
Die ausserordentliche Kündigungsmöglichkeit nach Doppelaufruf kann nur dann geltend gemacht werden, wenn der Erwerber spätestens auf den dem Eigentumsübergang folgenden nächsten gesetzlichen Termin, unter Einhaltung der gesetzlichen Frist, das Vertragsverhältnis kündigt. Wird dieser Termin verpasst, so erlischt diese ausserordentliche Kündigungsberechtigung und der Erwerber ist an die vertraglichen Kündigungsbestimmungen gebunden.
Wird das Vertragsverhältnis auf den nächsten gesetzlichen Kündigungstermin gekündigt, kann der Mieter diese Kündigung innert 30 Tagen bei der Schlichtungsbehörde am Ort der Liegenschaft anfechten. Wenn der Erwerber einen legitimen, nachvollziehbaren Kündigungsgrund dartun kann, ist die Kündigung nicht missbräuchlich. Für diesen Fall steht dem Mieter das Recht auf Erstreckung zu. Mit dem Doppelaufruf verliert der Mieter das Recht auf Erstreckung nicht, denn das Mietverhältnis – mit Ausnahme der Mietvertragsdauer und folglich des grundsätzlichen Rechts zur Kündigung – bleibt fortbestehen und somit den mietrechtlichen Bestimmungen unterworfen. Der Anspruch auf Erstreckung richtet sich dabei nach Art. 272 OR. Es hat dabei eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Mieters und des Ersteigerers zu erfolgen.
Mietverhältnisse mit tiefen Mietzinsen, wie sie von einem Vermieter nicht selten mit Blick auf die bevorstehende Zwangsvollstreckung begründet werden, führen dazu, dass seitens des Mieters nur mit einer kurzen Erstreckungsdauer gerechnet werden darf, insbesondere dann, wenn der Mieter bei Vertragsabschluss von der bevorstehenden Zwangsversteigerung Kenntnis hatte, da das Interesse des Erwerbers gegenüber demjenigen des Mieters bei solchen Fällen Vorrang hat.
Im Rahmen einer Versteigerung ist es empfehlenswert, vorab beim zuständigen Betreibungs- oder Konkursamt sich vollständig über die bestehenden Mietverhältnisse in Kenntnis zu setzen, damit rechtszeitig – nach Ersteigerung der Liegenschaft – diese Vertragsverhältnisse gekündigt werden können.
Erfolgt der Erwerb einer Liegenschaft ausserhalb eines Schuldbetreibungs- und Konkursverfahrens (Kauf, Erbteilung, Schenkung, Tausch), so ist darauf zu achten, dass bei vorgemerkten Mietverträgen im Grundbuch während der festen Vertragsdauer keine ordentliche Kündigungsmöglichkeit besteht, eine ausserordentliche Kündigung auf Grund Konkurs des Mieters, Zahlungsverzug, schwerer Sorgfaltspflichtverletzung oder aus wichtigen Gründen bleibt selbstredend vorbehalten. Bei langfristig abgeschlossenen Mietverträgen, welche im Grundbuch nicht vorgemerkt sind, ist im Sinne von Art. 261 OR darauf zu achten, dass eine vorzeitige Kündigung nur mit der Begründung dringender Eigenbedarf zulässig ist und dies nur auf den der Eigentumsübertragung folgenden nächsten gesetzlichen Termin, unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist. Vorbehalten bleiben auch hier die ausserordentlichen Kündigungsmöglichkeiten.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei einem Erwerb einer Liegenschaft vor Vertragsunterzeichnung darauf zu achten ist, was für Mietverträge und in welcher Form diese bestehen. Der Erwerber kann ein Mietverhältnis erst dann kündigen, wenn er im Grundbuch als Eigentümer eingetragen wurde (Tagebucheintrag genügt).
 
     
  * Rechtsanwalt, HEV Zürich  
     
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