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Mietvertrag und Zwangsversteigerung |
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Entzug der Mietsache im Schuld- betreibungs- und
Konkursverfahren * Reto
Ziegler |
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Bei einer
Zwangsversteigerung geht ein Miet- oder Pachtvertrag grundsätzlich auf den
Erwerber über. Kommen aber Grundpfandgläubiger zu Verlust, so
können sie eine zweite Versteigerung (Doppelaufruf) ohne Überbindung
des Mietverhältnisses auf den Erwerber verlangen. Der Doppelaufruf ist
sowohl bei im Grundbuch vorgemerkten als auch bei nicht eingetragenen,
langfristigen Mietverträgen zulässig. Nach dem Doppelaufruf kann der
Erwerber mit der gesetzlichen Kündigungsfrist auf den nächsten
gesetzlichen Termin das Mietverhältnis kündigen. |
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Der Grundsatz
«Kauf bricht Miete nicht» gilt grundsätzlich auch im
Schuldbetreibungs- und Konkursverfahren. Im Falle einer Versteigerung tritt die
ersteigernde Käuferschaft gemäss Art. 261 Abs. 1 OR in das
Mietverhältnis ein. Sie kann den Vertrag ausserordentlich kündigen,
wenn die Voraussetzungen von Art. 261 Abs. 2 OR erfüllt sind, namentlich
dringender Eigenbedarf. Dieses Kündigungsrecht ist jedoch
eingeschränkt, kann nur auf den nächsten gesetzlichen Termin
wahrgenommen werden. Wird vom Kündigungsrecht Gebrauch gemacht und muss
der Mieter vorzeitig ausziehen, wird die bisherige Vermieterschaft, welche die
Liegenschaft in einem Pfändungsverfahren oder durch Pfandverwertung
verloren hat, schadenersatzpflichtig. Im Falle eines Konkurses fällt die
Schadenersatzforderung in die Konkursmasse, was im Allgemeinen zur Folge hat,
dass die Mieterschaft kaum Aussicht auf einen Ersatz im verlangten Umfang hat.
Die Schadenersatzforderung der Mieterschaft stellt nämlich keine
privilegierte Forderung dar. Die
skizzierte Regelung von Art. 261 Abs. 1 OR kann nun den Ersteigerungserlös
Die skizzierte Regelung von Art. 261 Abs. 1 OR kann nun den
Ersteigerungserlös Mietverhältnissen als auch bei langfristig
abgeschlossenen Vertragsverhältnissen. Der Doppelaufruf bedeutet nun, dass
die Liegenschaft ein erstes Mal mit dem Mietverhältnis versteigert wird.
Wenn der Erlös der ersten Versteigerung nicht genügt, um die
Pfandrechte der vorgehenden Pfandgläubiger zu befriedigen, wird die
Liegenschaft ein zweites Mal ohne Mietverhältnis zur Versteigerung
gebracht. Wenn bei der zweiten Versteigerung ein höheres Angebot eingeht,
wird die Liegenschaft dem Meistbietenden der zweiten Versteigerung
zugeschlagen. War das Mietverhältnis im Grundbuch vorgemerkt, wird die
Vormerkung danach gelöscht. Bei den langfristig abgeschlossenen
Mietverträgen hat der Doppelaufruf die Folge, dass der Erwerber das
Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten
gesetzlichen Kündigungstermin kündigen kann, ohne dass er Eigenbedarf
bzw. dringenden Eigenbedarf geltend machen muss. Der Doppelaufruf erfolgt nicht von Amtes wegen, sondern der
prioritäre Grundpfandgläubiger muss den Doppelaufruf explizit
verlangen, und zwar innert 10 Tagen seit Zustellung des
Lastenverzeichnisses. Die
ausserordentliche Kündigungsmöglichkeit nach Doppelaufruf kann nur
dann geltend gemacht werden, wenn der Erwerber spätestens auf den dem
Eigentumsübergang folgenden nächsten gesetzlichen Termin, unter
Einhaltung der gesetzlichen Frist, das Vertragsverhältnis kündigt.
Wird dieser Termin verpasst, so erlischt diese ausserordentliche
Kündigungsberechtigung und der Erwerber ist an die vertraglichen
Kündigungsbestimmungen gebunden. Wird das Vertragsverhältnis auf den nächsten gesetzlichen
Kündigungstermin gekündigt, kann der Mieter diese Kündigung
innert 30 Tagen bei der Schlichtungsbehörde am Ort der Liegenschaft
anfechten. Wenn der Erwerber einen legitimen, nachvollziehbaren
Kündigungsgrund dartun kann, ist die Kündigung nicht
missbräuchlich. Für diesen Fall steht dem Mieter das Recht auf
Erstreckung zu. Mit dem Doppelaufruf verliert der Mieter das Recht auf
Erstreckung nicht, denn das Mietverhältnis mit Ausnahme der
Mietvertragsdauer und folglich des grundsätzlichen Rechts zur
Kündigung bleibt fortbestehen und somit den mietrechtlichen
Bestimmungen unterworfen. Der Anspruch auf Erstreckung richtet sich dabei nach
Art. 272 OR. Es hat dabei eine Interessenabwägung zwischen den Interessen
des Mieters und des Ersteigerers zu erfolgen. Mietverhältnisse mit tiefen Mietzinsen, wie sie von
einem Vermieter nicht selten mit Blick auf die bevorstehende
Zwangsvollstreckung begründet werden, führen dazu, dass seitens des
Mieters nur mit einer kurzen Erstreckungsdauer gerechnet werden darf,
insbesondere dann, wenn der Mieter bei Vertragsabschluss von der bevorstehenden
Zwangsversteigerung Kenntnis hatte, da das Interesse des Erwerbers
gegenüber demjenigen des Mieters bei solchen Fällen Vorrang
hat. Im Rahmen einer Versteigerung ist
es empfehlenswert, vorab beim zuständigen Betreibungs- oder Konkursamt
sich vollständig über die bestehenden Mietverhältnisse in
Kenntnis zu setzen, damit rechtszeitig nach Ersteigerung der
Liegenschaft diese Vertragsverhältnisse gekündigt werden
können. Erfolgt der Erwerb einer
Liegenschaft ausserhalb eines Schuldbetreibungs- und Konkursverfahrens (Kauf,
Erbteilung, Schenkung, Tausch), so ist darauf zu achten, dass bei vorgemerkten
Mietverträgen im Grundbuch während der festen Vertragsdauer keine
ordentliche Kündigungsmöglichkeit besteht, eine ausserordentliche
Kündigung auf Grund Konkurs des Mieters, Zahlungsverzug, schwerer
Sorgfaltspflichtverletzung oder aus wichtigen Gründen bleibt selbstredend
vorbehalten. Bei langfristig abgeschlossenen Mietverträgen, welche im
Grundbuch nicht vorgemerkt sind, ist im Sinne von Art. 261 OR darauf zu achten,
dass eine vorzeitige Kündigung nur mit der Begründung dringender
Eigenbedarf zulässig ist und dies nur auf den der
Eigentumsübertragung folgenden nächsten gesetzlichen Termin, unter
Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist. Vorbehalten bleiben auch hier
die ausserordentlichen Kündigungsmöglichkeiten. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei einem Erwerb
einer Liegenschaft vor Vertragsunterzeichnung darauf zu achten ist, was
für Mietverträge und in welcher Form diese bestehen. Der Erwerber
kann ein Mietverhältnis erst dann kündigen, wenn er im Grundbuch als
Eigentümer eingetragen wurde (Tagebucheintrag genügt). |
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Rechtsanwalt, HEV Zürich |
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