Hauseigentümerverband Zürich
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HEV 09/2004 Inhaltsverzeichnis
Fluglärm

     
  Minderwertentschädigungen –
was sagt der Bundesgerichtsentscheid
vom 27. Juli 2004 den Eigentümern
rund um den Flughafen Zürich?
* Dr. Peter Ettler
 
     
  Der Entscheid beseitigt die Verjährungseinrede von Unique gegen 126 Opfikoner Eigentümer und anerkennt gleichzeitig, dass in Opfikon seit 1996 (vierte Welle) ein schwerer Schaden eingetreten ist. Die 126 erfolgreichen Eigentümer dürfen sich vorerst freuen. Freuen dürfen sich auch alle anderen Opfikoner, welche bis September 2001 Minderwertforderungen gegen den Flughafen Zürich deponiert oder die Verjährung für solche Forderungen unterbrochen haben. Für alle übrigen Eigentümer wirft der Entscheid aber mehr neue Rechtsfragen auf, als er gelöst hat.
Wer eine Forderung wegen Minderwerts seiner Liegenschaft angemeldet hat oder noch anmelden möchte, ist zufolge der nach wie vor bestehenden Rechtsunsicherheit gut beraten, sich durch einen spezialisierten Rechtsanwalt vertreten zu lassen.
 
     
  1. Opfikoner Eigentümer, die bis September 2001 geklagt
oder die Verjährung unterbrochen haben und
vor dem 1.1.1961 Eigentümer waren
Nach Bundesgericht verjährt eine Forderung für den Minderwert einer Liegenschaft innert fünf Jahren ab Erkennbarkeit eines schweren Schadens durch Fluglärm. Diesbezüglich führte das Bundesgericht für Opfikon überzeugend aus, dass sich lange Zeit die Vor- und Nachteile der Flughafennähe die Waage gehalten hätten. Erst 1996, mit Einführung der vierten Welle und der sprunghaften Verdoppelung der Flugbewegungen sei die Situation gekippt und damit ein schwerer Schaden erkennbar geworden. Daher sind Forderungen nicht verjährt, welche vor September 2001 beim Flughafen Zürich angemeldet worden sind.
Erfreulich für die Opfikoner Eigentümer ist, dass das Bundesgericht auch deutliche Worte zur Schwere des Schadens gefunden hat. Das ist zwar noch lange keine Schadensberechnung, aber doch ein wichtiger Hinweis für diese.
Wie geht es für die 126 Opfikoner Eigentümer weiter? Der Zeitpunkt ist nun da für eine Einigungsverhandlung. Wenn sich die Eigentümer mit Unique nicht auf eine Entschädigung einigen können, wird die eidgenössische Schätzungskommission ein Urteil fällen müssen. Dieses kann dann nochmals ans Bundesgericht weitergezogen werden. Da Unique auf Zeit spielen dürfte, ist nochmals eine Durststrecke von zwei bis vier Jahren einzukalkulieren.
Opfikoner Eigentümer, welche nicht in der Gruppe der 126 waren, aber ihre Forderungen bis September 2001 anmeldeten, können nun von der eidgenössischen Schätzungskommission verlangen, dass auch sie bald zu Einigungsverhandlungen vorgeladen werden und dass auch ihr Fall beschleunigt wird.
Die neu hinzugekommenen Südanflüge vergrössern den Schaden. Die eidgenössische Schätzungskommission wird dies bei ihrem Entscheid berücksichtigen müssen.
 
     
  2. Opfikoner Eigentümer, welche eine Liegenschaft nach
dem 1.1.1961 erworben haben
Wer nach dem 1. Januar 1961 eine Liegenschaft im Einzugsgebiet des Flughafens Zürich erworben hat, kann gemäss Bundesgericht keine Entschädigung wegen übermässigen Lärms verlangen. Das gilt zumindest in den traditionellen Fluglärmgebieten, also auch in Opfikon.
Seit Ende Oktober 2003 werden viele Liegenschaften in Opfikon-Glattbrugg allerdings auch im Tiefstflug von landenden Flugzeugen überflogen. Für diesen direkten Eingriff ins Eigentum gilt der Stichtag des 1.1.1961 gemäss BGE 129 II 72 ff nicht. Damit können sich Eigentümer in der Sicherungszone von Piste 34 auf den direkten Überflug berufen und eine Entschädigung auf diesem Wege verlangen. Auch Eigentümer von Gewerbeliegenschaften haben diese Klagemöglichkeit.
Diese Forderungen für direkten Überflug verjähren erst Ende Oktober 2008 und können jetzt eingeklagt werden.
 
     
  3. Eigentümer in den übrigen traditionellen Fluglärmgebieten
(Rümlang, Höri, Oberglatt, zum Teil Bülach, Hochfelden,
mit Erwerb vor 1.1.1961)
Das Bundesgericht lässt – ohne abschliessend Stellung zu nehmen – durchblicken, dass in traditionell von Fluglärm heimgesuchten Gebieten der Schaden möglicherweise bereits früher erkennbar und damit 1998 und später eingereichte Forderungen bereits verjährt sein können. Wer bis September 2001 eine Forderung bei Unique deponiert oder wenigstens die Verjährung unterbrochen hat, muss sich von diesen Hinweisen des Bundesgerichtes aber nicht geschlagen geben. Eine sorgfältige, auf die Verkehrs- und Lärmentwicklung abgestützte Argumentation bezüglich jeder einzelnen Gemeinde kann aufzeigen, dass die so genannte vierte Welle im Jahre 1996 sowie andere neue Flugverfahren und die seit 1998 verschärfte Ausbaudiskussion (statt 250 000 420 000 Bewegungen) auch in diesen Gebieten die wirklichen Nachteile des Flughafens erst 1996 oder je nach Gemeinde gar noch später erkennbar machen liessen. Für die von mir vertretenen Eigentümer werde ich mich daher weiterhin mit aller Kraft einsetzen, dass sie ebenfalls zu einer gerechten Entschädigung kommen.
Neue Flugverfahren, wie beispielsweise die seit 1999 auf der so genannten V-Piste 14/32 überhand nehmenden Starts nach Norden, schaffen zudem ebenfalls einen neuen Schaden, welcher meines Erachtens vorher weder eingetreten noch erkennbar war. Auch für solche Gebiete sind Forderungen sorgfältig zu prüfen. Das betrifft beispielsweise Rüti-Winkel, aber auch Bülach und Hochfelden.
 
     
  4. Eigentümer im Bereich der neuen Ostund Südanflüge
Forderungen von Eigentümern im Bereich des Ost- und Südanflugs können nicht verjährt sein. Handicap ist der Stichtag des 1. Januars 1961 für den Erwerb der Liegenschaften. Daher ist sorgfältig darzulegen, weshalb keine Veranlassung bestand, bis 2001 im Osten bzw. 2003 im Süden mit erheblichem zivilem Fluglärm und übermässigen Immissionen zu rechnen.
Die zeitlich auf wenige Stunden fokussierte Lärmbelastung in diesen Gebieten (im Osten abends und nachts, im Süden vorwiegend am Morgen) reicht meist nicht aus, damit der Lärm den Immissionsgrenzwert überschreitet. Unique beruft sich ausdrücklich darauf, dass unter diesem Wert keine Klageberechtigung gegeben sei. Der Bundesgerichtsentscheid vom 27.7.2004 lässt die Frage, ob der Immissionsgrenzwert überschritten sein müsse, ausdrücklich offen und stellt stark auf Art und Menge der einzelnen Überflüge ab. Für nicht über dem Immissionsgrenzwert liegende Gebiete von Nürensdorf, Bassersdorf und entfernteren Gemeinden des Ostanfluges sowie für jene von Zürich-Schwamendingen, Dübendorf, Gockhausen, Zumikon unter dem Südanflug ist folglich die auf wenige Erholungs- und Schlafensstunden konzentrierte Fluglärmbelastung sorgfältig darzustellen.
Im Bereich des Ost- und Südanflugs können sich Eigentümer zudem auf den direkten Eingriff ins Grundeigentum durch tief fliegende Flugzeuge berufen. Handicap ist aber die relativ grosse Überflugshöhe.
 
     
  5. Eigentümer in traditionellen Fluglärmgebieten, welche
bisher keine Klage erhoben haben
Wer in solchen Gebieten bisher abgewartet und sich darauf verlassen hat, dass er auf einen günstigen Entscheid des Bundesgerichtes später noch «aufspringen» dürfe, hat nach der harten Verjährungsrechtsprechung des Bundesgerichtes wahrscheinlich keine Klagemöglichkeit mehr (Ausnahme siehe oben, bei Betroffenheit durch völlig neue Flugverfahren wie den Südanflug).
Diese Eigentümer können darauf hoffen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Genfer-Klage gegen den BGE 124 II 543ff gutheisst oder dass das Enteignungsgesetz zufolge der parlamentarischen Initiative Hegetschweiler in diesem Punkt von den eidgenössischen Räten revidiert wird. Dann sollte für sie die Klage doch noch offen stehen.
 
     
  6. Enteignungsrecht bleibt revisionsbedürftig
Der Entscheid legt offen dar, dass die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Immissionsentschädigungen insbesondere im Bereich von Flughäfen Stückwerk ist und bleiben muss, solange das Enteignungsrecht nicht mit dem Umweltschutz- und Luftfahrtrecht koordiniert ist und keine sauberen gesetzlichen Grundlagen vorhanden sind. Das Bundesgericht tastet sich anhand konkreter Fragestellungen voran, revidiert seine Praxis gelegentlich und verliert auf diese Weise prompt den roten Faden. Damit entsteht neue Rechtsunsicherheit. Das verfassungsmässig garantierte Recht auf Eigentum (Art. 26 BV) bleibt ausser Kraft gesetzt.
Da die Behörden auch die Raumplanung rund um den Flughafen vernachlässigten und in den verschiedenen Verfahren zur Änderung des Betriebsreglements Garantien für ein rechtsstaatliches Verfahren regelmässig ausser Kraft gesetzt wurden, bleibt die Rechtssicherheit im ganzen Einzugsgebiet des Flughafens für alle prekär.
 
     
  * ettler brunner suter bächtold strütt rechtsanwälte, Zürich  
     
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