|
|
|
|
|
|
Steuer oder (ungebührliche) Gebühr? * Martin Byland |
|
|
|
|
|
Das Bundesgericht hat am 5. März 2004 eine Beschwerde gegen eine Gebührenfestsetzung gutgeheissen und eine jährliche
Gebühr von Fr. 7200. für Wasser, Abwasser und Kehricht für eine 10-Zimmer-Villa als übersetzt bezeichnet, da der effektive Verbrauch lediglich demjenigen eines
durchschnittlichen Haushaltes entsprach. Dieser Entscheid gibt Gelegenheit, die Grundsätze der Gebührenfestsetzung im Infrastrukturbereich auszuleuchten. |
|
|
|
|
|
Gemäss Lehrbuch besteht der Unterschied zwischen Steuern und Gebühren (als eine Kategorie der sog. Kausalabgaben) darin, dass
die Steuer ohne Gegenleistung des Staates geschuldet ist, wogegen die Gebühr ein Entgelt für die Inanspruchnahme von staatlichen Leistungen darstellt. In der Praxis kann nicht mehr klar
unterschieden werden, wo die Gebühr aufhört und die Steuer beginnt. Gebühren gibt es wie Sand am Meer, sei es als Gegenleistung für eine Amtshandlung (sog. Verwaltungsgebühr
wie Gerichtsgebühr, Namensänderungsgebühr) oder für die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung (Benutzungsgebühr wie Parkiergebühr, Landegebühr,
Kehrichtgebühr, Abwassergebühr). Daneben gibt es die so genannten Regal-, Monopolund Sondernutzungsgebühren, welche erhoben werden, wenn eine Privatperson eine dem Staat vorbehaltene
Tätigkeit ausüben darf (Jagdgebühr, Radio- und Fernsehgebühr). |
|
|
|
|
|
Die Kriterien für die Festsetzung Die Höhe der erhobenen Gebühr hat sich
grundsätzlich nach dem Wert der staatlichen Leistungen zu richten. Einerseits darf der Gesamtertrag die gesamten Kosten des betreffenden Verwaltungszweiges nicht übersteigen
(Kostendeckungsprinzip); anderseits muss die Gebühr im Einzelfall in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert der staatlichen Leistung stehen und somit sowohl dem
Verhältnismässigkeitsprinzip, dem Gleichbehandlungsgebot als auch dem Willkürverbot Rechnung tragen (Äquivalenzprinzip). Während das Äquivalenzprinzip generell bei allen
Gebühren anzuwenden ist, unterstehen nur die Verwaltungsgebühren uneingeschränkt dem Kostendeckungsprinzip. Das führt dazu, dass der Staat bei gewissen Benutzungsgebühren und
bei Konzessionsgebühren mehr verlangen darf, als ihm Kosten entstehen. Ein typisches Beispiel sind die Parkgebühren, bei denen der höhere Betrag mit der beabsichtigten Lenkungswirkung
begründet wird, oder die Abwassergebühren, bei welchen eine gewisse Reservebildung zulässig ist. |
|
|
|
|
|
Der Fall Der vom Bundesgericht entschiedene Fall betraf eine 10-Zimmer-Villa mit einem
Gebäudeversicherungswert von 9,3 Mio. Fr. und einer Gesamtwohnfläche von 820 m2 (inkl. Angestelltenwohnung und bewohnbarem Luftschutzraum). Basierend auf dem Gebäudeversicherungswert
stellte die Gemeinde St.Moritz der Eigentümerin ursprünglich eine Gebührenrechnung für Wasser, Abwasser und Kehricht im Betrag von Fr. 12 354.10 für das Jahr 2001 zu. Nach
mehreren Rechtsgängen hatte das Bundesgericht schliesslich über zwei Rechnungen von je ca. Fr. 7200. pro Jahr zu befinden (Jahre 2001 und 2002). Das Bundesgericht stellte einleitend fest, dass die Gebühren zwar nicht zwingend aus-schliesslich proportional zur bezogenen Menge zu erheben seien, aber es müsse doch zwischen
der Gebühr und dem Ausmass der Beanspruchung «ein gewisser Zusammenhang» bestehen. So sei es zulässig, für einen Teil der Aufwendungen eine mengenunabhängige
Gebühr wie die Grundgebühr zu erheben. Diese Gebühr dürfe nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum Wert der Leistung stehen und müsse sachlich begründet
sein. Wenn jedoch, wie im vorliegenden Fall, die Grundgebühr ca. 95% des gesamten Rechnungsbetrages ausmache, sei dies willkürlich, zumal der
tatsächliche Verbrauch demjenigen eines durchschnittlichen Haushaltes entspreche und keine Anhaltspunkte beständen, dass die Liegenschaft nur wenige Tage im Jahr bewohnt werde. Wohl
könne der Gebäudeversicherungswert zur Berechnung der Grundgebühr herangezogen werden, das Resultat müsse jedoch in einem Zusammenhang zur tatsächlichen Benutzung stehen. Die
Schätzung der Gebäudeversicherung könne dort nicht unbesehen übernommen werden, wo der Wert durch Besonderheiten bedingt sei, welche in keinem Zusammenhang mit der Entsorgung
ständen. So könne es wie im vorliegenden Fall in St.Moritz nicht sein, dass ein Mehrfaches bezahlt werden müsse, nur weil die Liegenschaft einen luxuriösen Ausbau aufweise. Es hob
daher das Urteil des Verwaltungsgerichts Graubünden wegen Verstosses gegen das Äquivalenzprinzip (Gleichbehandlung, Willkürverbot) auf. |
|
|
|
|
|
Fazit Obwohl vorliegendenfalls offensichtlich war, dass der verlangte Gesamtbetrag in keinem
Verhältnis zur maximal möglichen Nutzung stand und dieser somit Steuercharakter hatte, brauchte es zuerst den Gang zum Bundesgericht, bis die Veranlagung aufgehoben wurde. Das Bundesgericht
verlangt klar, dass die Gebühren ausschliesslich nach objektiven Kriterien veranlagt werden, welche dem Verursacher- und dem Gleichbehandlungsprinzip Rechnung tragen. Dabei darf die
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Benutzer keine Rolle spielen. Vor allem angesichts der grassierenden Finanzknappheit ist die Versuchung bei den Behörden gross, den grossen Spielraum
nach oben auszureizen. Ob eine Gebühr übersetzt ist oder nicht, kann nur im Einzelfall ermittelt werden. Die sehr unterschiedliche Gebührenstruktur erschwert einen Vergleich zwischen
den verschiedenen Anbietern sehr. So haben Behörden in Regionen mit einem grossen Anteil an Ferienwohnungen die Tendenz, den verbrauchsunabhängigen Teil der Gebühren relativ hoch
anzusetzen, um so ihre Infrastruktur, welche vor allem an Festtagen stark beansprucht wird, finanzieren zu können. Demgegenüber besteht in den Städten wie Zürich der politische
Druck, die Grundgebühr möglichst tief zu halten und das Schwergewicht auf den tatsächlichen Verbrauch zu legen. Bereits hat der Preisüberwacher verschiedene Stromkosten sowie
Gebühren für Wasser und Abwasser verglichen, sodass das Thema vor allem auch im Hinblick auf die Liberalisierung aktuell bleiben wird. |
|
|
|
|
|
* lic. iur. Rechtsanwalt, TBO Treuhand AG, Zürich |
|
|
|
|
|