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HEV 10/2004 Inhaltsverzeichnis
Mietrecht

     
  Die Auslösung der Sperrfrist durch
aussergerichtlichen Vergleich
* Rafael Steger
 
     
  Eine während der Sperrfrist ausgesprochene Kündigung kann angefochten und aufgehoben werden, soweit nicht Interessen der Vermieterschaft die Kündigung zu rechtfertigen vermögen (Art. 271a Abs. 3 OR). Mit Urteil vom 18. Juni 2004 (Urteil 4C.122/ 2004) hatte sich das Bundesgericht darüber zu äussern, wann zwischen den Vertragsparteien ausserhalb eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens eine Einigung über eine Forderung aus dem Mietverhältnis zustande kommt, welche die dreijährige Sperrfrist auslöst. Während der Sperrfrist gilt die gesetzliche Vermutung, dass eine Kündigung grundsätzlich rechtsmissbräuchlich erfolgte.  
     
  1. Gesetzliche Ausgangslage (Art. 271 f. OR)
Kündigungen durch die Vermieterschaft sind grundsätzlich anfechtbar, d.h. die Schlichtungsbehörde oder das Gericht kann die Kündigung auf Gesuch des Mieters überprüfen und unter Umständen aufheben (Art. 271 OR).
Die Kündigung wird nach Art. 271a Abs. 1 OR insbesondere dann aufgehoben, wenn sie aufgrund eines dort aufgezählten Tatbestandes erfolgt (Verhalten gegen Treu und Glauben) oder innerhalb von drei Jahren nach einem solchen Ereignis ausgesprochen wird (sog. Sperrfrist) und die Vermieterschaft keine berechtigten Interessen zur Vertragsauflösung nachweisen kann (Art. 271a Abs. 3 OR). Die ratio legis ist der Schutz der Mieterschaft gegen ein den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben verletzendes Verhalten der Vermieterschaft. Dieser Schutz wirkt während der sog. Sperrfrist noch drei Jahre weiter.
Eine Kündigung der Vermieterschaft verstösst beispielsweise dann gegen Treu und Glauben,
 
 
wenn der Mieter berechtigte Ansprüche aus dem Mietverhältnis gegenüber dem Vermieter geltend macht oder machen will,
weil der Vermieter eine einseitige Vertragsänderung zu Lasten des Mieters oder eine Mietzinsanpassung durchsetzen will,
oder weil eine Schlichtungs- oder Gerichtsverhandlung zwischen den Parteien hängig ist (vgl. für alle Tatbestände Art. 271a Abs. 1 lit. a–f OR).
 
  Die dreijährige Sperrfrist ist nach Art. 271a Abs. 2 OR insbesondere dann anwendbar, wenn der Mieter durch Schriftstücke nachweisen kann, dass er sich mit dem Vermieter ausserhalb eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens über eine Forderung aus dem Mietverhältnis geeinigt hat. Genau darüber hatte das Bundesgericht im eingangs erwähnten Urteil zu entscheiden.  
     
  2. Tatsächliche Ausgangslage
Ein Garagist hatte seit 1978 in Zürich verschiedene Räumlichkeiten, die zum Betrieb einer Autoreparaturwerkstatt dienten, gemietet. Im Jahre 1999 fanden zwischen den Parteien diverse Schriftenwechsel statt. So verlangte der Mieter aufgrund des gesunkenen Hypothekarzinsfusses eine Mietzinsherabsetzung und die Vermieterschaft informierte ihn über anstehende Renovationen. Im Rahmen einer an diesen Schriftenwechsel anschliessenden Besprechung gewährte die Vermieterschaft dem Mieter eine Entschädigung für Reparaturkosten, welche aufgrund des Sturms Lothar entstanden waren, und für die renovationsbedingten Beeinträchtigungen rund Fr. 15 000.–. Im Oktober 2001 kündigte die Vermieterschaft das Mietverhältnis wegen Nutzungsänderung hinsichtlich geänderter Vermietungsstruktur.
Die Kündigung focht der Mieter bei der Schlichtungsbehörde an, welche die Kündigung als ungültig erklärte. Die darauf beim Mietgericht hängig gemachte Klage der Vermieterschaft wurde gutgeheissen, d.h. das Mietgericht – entgegen der Schlichtungsbehörde – befand die Kündigung als gültig und erstreckte das Mietverhältnis bis Ende September 2004. Auch das Obergericht und schlussendlich das Bundesgericht qualifizierten die Kündigung als rechtmässig und verneinten das Vorliegen eines Vergleichs, der eine Sperrfrist ausgelöst hätte und die Kündigung deshalb als missbräuchlich hätte erscheinen lassen.
 
     
  3. Die Einigung bzw. der Vergleich im Sinne von Art. 271a Abs. 2 OR
Als eine Einigung im Sinne von Art. 271a Abs. 2 OR gilt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung «(…) eine einvernehmliche Streitbeilegung, mittels der eine unter den Parteien kontroverse Rechtsfrage abschliessend geklärt wird».
Vorausgesetzt ist, dass zwischen den Parteien über eine Forderung aus dem Mietverhältnis Uneinigkeit herrschte. In den parlamentarischen Beratungen wurden die Wörter Differenzen bzw. Meinungsverschiedenheiten verwendet. Eine solche Meinungsverschiedenheit ist nicht gegeben, wenn «(…) es gar nicht erst zu einer Auseinandersetzung kommt, weil die eine oder andere Partei dem Begehren des Vertragspartners sogleich entspricht, z.B. wenn der Vermieter seine Forderung auf erstmalige Bestreitung durch den Mieter hin fallen lässt oder umgekehrt einer Forderung des Mieters umgehend nachkommt ». Im vorliegenden Fall war unerheblich, dass der Vermieter die Forderung des Mieters überprüfen wollte und eine genaue Zusammenstellung der Beeinträchtigungen gefordert hatte. Denn erst die Substanziierung der Forderung durch den Mieter gab dem Vermieter die Möglichkeit, sich über die Tatsachen ein klares und detailliertes Bild zu verschaffen. In diesem Handeln kann noch keine Kontroverse erblickt werden, auf welche eine Einigung zwingend zu folgen hat.
Anzumerken bleibt in diesem Zusammenhang, dass in Bagatellfällen eine Meinungsverschiedenheit erst gar nicht entstehen kann. Als Faustregel gilt, dass ein Bagatellfall bei Leistungen im Wert von zirka Fr. 50.– vorliegt.
 
     
  4. Schlussfolgerung
Zur Qualifikation einer ausserhalb eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens zustande gekommenen Einigung im Sinne von Art. 271a Abs. 2 OR ist von Nöten, dass eine Kontroverse um Ansprüche aus dem Mietverhältnis zwischen den Vertragsparteien vom Zaun bricht. Die Kontroverse muss dabei ein Ringen um Ansprüche beinhalten und die Parteien müssen zumindest eine gewisse Zeit auf ihrem Standpunkt beharren. Das sofortige Nachgeben, sei es, dass die Vermieterschaft auf ihre Forderung sogleich verzichtet oder dass dem Anspruch des Mieters unverzüglich stattgegeben wird, kann noch keine Einigung herbeiführen.
Zusammenfassend hat das Bundesgericht damit unterstrichen, dass die Vermieterschaft ihren zu Unrecht gestellten Anspruch auf erstmalige Bestreitung zurückziehen kann oder einen ungenau substanziierten Anspruch der Mieterschaft überprüfen darf, ohne Gefahr zu laufen, dass eine allfällig später ausgesprochene Kündigung als Rachekündigung aufzufassen wäre.
 
     
  * lic. iur., HEV Zürich  
     
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