 |
Ehre für den «Sprayer vo Züri» Seit nunmehr 26 Jahren ziert ein
Graffito von Harald Naegeli die Nordfassade des Deutschen Seminars der Universität Zürich. Bereits 1995 wurde das Werk des «Sprayers von Zürich» von der Baudirektion des
Kantons Zürich als erhaltenswert eingestuft und mit einer Holzabdeckung geschützt. In diesen Tagen soll das Graffito im Rahmen von Malerarbeiten restauriert und konserviert werden. Naegeli
hatte in den 70er-Jahren einen grossen Bekanntheitsgrad in Zürich, soweit ich mich erinnere gar bis nach Deutschland, wo er einen Asylantrag gestellt haben soll. Seine Strichmännchen und
Sprayzeichnungen waren damals gedacht als Antwort und Protest auf immer mehr Beton und auf die zunehmende Anonymität der Stadt. Nach dem Verständnis der Baudirektion dokumentiert das
Graffito Naegelis ein Stück Stadtgeschichte und sei als Zeitdokument zu sehen, das es zu schützen gelte. Schon in den 60er-Jahren habe auch ich
Strichmännchen gezeichnet (allerdings auf Zeichenpapier oder in Malhefte). Kunst kommt unter anderem von Können. Geschätzte Leserinnen und Leser, seien Sie nicht verwundert, wenn
damals von mir und meinem Gekritzel nicht die Rede war. Sie war es nicht wert. Wenn Naegeli seine Männchen nicht an die Wände von Häusern gesprayt und damit fremdes Eigentum
beschädigt hätte, wäre wohl auch er kaum in aller Munde gewesen. Nach meinem Empfinden waren seine Zeichnungen primär Sachbeschädigungen. Ihnen und der Baudirektion will ich
mein Kunstverständnis nicht aufdrängen, und es steht jedem zu, ein eigenes Verständnis zu vertreten. Für den Schutz der erwähnten
Zeichnung Naegelis werden rund 1000 Franken ausgegeben. Wenn sie denn erhaltenswerte Kunst und Zeitdokument sein soll, ist dies bestimmt nicht zu viel. Zu viel war mir aber die im Tagblatt der Stadt
Zürich vom 23. September abgedruckte Haltung von Gabriele Rohrer von der Baudirektion. Sie hält es für sicher möglich, dass sich dadurch einige illegale Sprayer zusätzlich
animiert fühlen. Sie persönlich hat grundsätzlich Freude an Sprayzeichnungen und kann verstehen, wenn Betonmauern besprayt werden und damit Protest ausgedrückt
wird. Wenn Sie wie ich keine Freude an Schmierereien an Ihren Hauswänden haben, empfehle ich Ihnen die Anti-Graffiti- Aktion des
Hauseigentümerverbandes (vgl. S. 693 in diesem Heft). |
 |