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Mit der Schere in der Hand * Barbara Scalabrin-Laube |
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Noch sind nicht
alle Blätter gefallen, doch die ersten Frostnächte haben den Garten
(und die Gärtnerin!) auf den Winter aufmerksam gemacht. Die letzten
Tulpenzwiebeln pflanzte ich mit Thermohandschuhen und Mütze auf dem Kopf,
während mein Mann Laub einsammelte, die Wasserhahnen entleerte, die
Kübel ins Gewächshaus brachte, den Rasenmäher (rechtzeitig!) zur
Revision bereitstellte und das Mammutblatt mit Holzwolle vor Frost
schützte. Tröstlich, dass die Blüten des Erdbeerbaums (Arbutus
unedo) die ersten kalten Nächte ohne Schaden überstanden haben und
auch der immergrüne Lorbeerschneeball (Viburnum tinus) seine weissen
Dolden behalten hat. |
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Es wäre also
Zeit für den Winterschlaf, für die romantischen Stunden am
Cheminée, die langen Abende im Lesesessel, den Duft von Mandarinen und
Tannenreisig, Zeit, um vieles nachzuholen, was im Sommer liegen geblieben
ist. Uns hält es jeweils nicht lang
im Haus. Obwohl ich die langen Abende und die Stunden am Schreibtisch
schätze, freue ich mich auf die Zeit, die ich während der
Wintermonate im Garten verbringen kann. Ausgerüstet mit warmen Socken,
Faserpelz und Mütze ziehe ich möglichst oft meine
Wintergartenhandschuhe (und zusätzlich ein Paar Kaschmirhandschuhe!) an
und mache mich mit Leiter, Schere und Säge an die Arbeit, denn unsere
Sträucher schneide ich wenn möglich selber. |
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Hingegen überlasse ich die Bäume einem
Landschaftsgärtner, dem das Klettern in luftiger Höhe mehr Spass
macht als mir. Wenn Sie nun denken, dass
ich an allen Sträuchern «herumschnipsle», täuschen Sie
sich. Da ich die natürliche Wuchsform der Pflanzen sehr schätze,
freue ich mich über alle Gehölze, die keinen Schnitt brauchen, wie
z.B. die japanischen Ahornsorten (Acer palmatum), den Judasbaum (Cercis
siliquastrum), meine Lieblinge, die Felsenbirnen (Amelanchier), die Stechpalmen
(Ilex), die frei wachsenden Buchse (Buxus) und viele andere. Auch verjünge
ich längst nicht alle Gehölze im Winter. So ist es sicher unsinnig,
eine Forsythie kurz vor der Blüte zu schneiden, da sie an den im Vorjahr
gewachsenen Trieben blüht. Ich würde ihr also mit meiner winterlichen
Schneidarbeit die meisten Blüten stehlen. |
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 Dieser Acer ist ohne Schnitt
perfekt. |
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Wer wie ich
seine Gehölze gern selber in Form bringt, sollte sich vor der
Arbeit bewusst werden, was er mit jedem Schnitt bewirkt, denn wer seine
Pflanzen nicht nur gern hat, sondern sie auch versteht, wird sie nicht zu
Krüppeln verunstalten. So überlege ich mir zuerst, weshalb ich ein
Gehölz schneiden will, und stelle mir die folgenden Fragen: |
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Will ich eine junge Pflanze «erziehen»,
damit sie ein gutes Gerüst bildet, starke Äste und Zweige entwickelt
und später blühfreudig ist? Ganz nebenbei: Ich überlasse
die «Erziehungsarbeit» mit Vorliebe dem Baumschulisten oder dem
Landschaftsgärtner. |
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Will ich ein Gehölz schneiden, um es gesund zu
erhalten? Dürre Äste, kranke Zweige und ein zu dichter Wuchs
können eine Pflanze schwächen. |
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Will ich den Wuchs steuern, damit das Gehölz nicht
zu mächtig wird? Einfacher wäre es, wenn ich keine zu grossen
Gehölze gepflanzt hätte! |
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Will ich mit einem gezielten Schnitt das Wachstum
beschleunigen? |
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Will ich die Blütezeit verlängern oder gar
eine üppigere Blüte erreichen? |
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Selbstverständlich gibt es weitere Gründe, weshalb ein
Schnitt nötig ist. So verspürte meine Mutter jeweils im Winter eine
«Schnittlust», die dazu führte, dass sie viele Gehölze
köpfte und damit verunstaltete, ein Schreckensbild während meiner
Kindheit. Wer weiss, weshalb er die Schere in die Hand nimmt, wird vorsichtig
mit der Arbeit beginnen, denn wer jemals versucht hat, einen zu gross
gewordenen Strauch durch einen radikalen Schnitt klein zu kriegen, kennt die
Folgen: Der Misshandelte wächst nach der Radikalkur umso üppiger oder
gar nicht mehr! Ein Blick in die Botanik
genügt, um herauszufinden, warum dem so ist: In den Endknospen der
Gehölze sitzt nämlich ein Pflanzenhormon, das die Bildung und das
Wachstum der Seitentriebe unterdrückt, bzw. dafür sorgt, dass diese
schwächer wachsen als die Haupttriebe. Wenn ich nun diese Endknospe
entferne, fehlt die Wirkung des Hormons und schlafende Augen oder Seitenknospen
treiben in der Folge vermehrt oder gar ungebremst aus. Selbstverständlich
sind die Endknospen nicht bei jeder Gattung gleich dominant. Während sehr
dominante Endknospen das Wachstum von Seitentrieben beinahe verhindern, lassen
weniger dominante einen dicht verzweigten Wuchs zu. Denken Sie bloss an die
lockere Gestalt der Zaubernuss (Hamamelis) im Gegensatz zum dicht verzweigten
Wuchs der Prachtspiere (Spirea x vanhouttei). Aus diesen Erkenntnissen
lässt sich eine einfache, aber wichtige Schnittregel ableiten,
nämlich: Schneide ich ein Gehölz stark zurück, reagiert es
normalerweise mit einem kraftvollen Neuaustrieb. Schneide ich hingegen wenig,
ist der Neuaustrieb geringer. Ferner scheint es mir wichtig, vor der
winterlichen Schneidarbeit zu überlegen, ob der Termin ideal ist, denn wer
im richtigen Zeitpunkt schneidet, wird ein optimales Ergebnis erzielen. Wie Sie
am Beispiel der Forsythie erfahren haben, hängt dieser vom Zeitpunkt der
Blüte und dem Zustand der Pflanze ab. Die Zeit von Januar bis März ist eine ideale Phase für den
Schnitt von Obstbäumen, Beerensträuchern und vielen
Ziergehölzen, zumal diese kein Laub tragen, sodass wir das Gerüst
besser sehen. Zudem führen sie keinen Saft und «bluten» in der
Folge kaum. Da der Saftstrom ruht, verringert sich gleichzeitig das
Infektionsrisiko. So warte ich jeweils einen milden, trockenen Wintertag ab,
bevor ich meine Ziersträucher, die an den diesjährigen Trieben oder
vorwiegend am alten Holz blühen, in Form schneide, auslichte und von
dürren Trieben befreie. Allerdings bin ich mir bewusst, dass bei
Temperaturen unter 5° Celsius die Triebspitzen, die als Winterschutz
dienen, fehlen werden. Sobald die Tage wärmer werden, können wir alle
Ziersträucher, welche am diesjährigen Holz blühen, schneiden.
Typische Vertreter dieser Schnittgruppe sind die Rosen und der Sommerflieder
(Buddleja). Viele Ziersträucher
blühen jedoch am vor- oder letztjährigen Holz. Deshalb empfiehlt es
sich, diese kurz nach der Blüte zu schneiden. So haben sie während
des Sommers genug Zeit, um neue Triebe zu bilden. Zu dieser Gruppe gehören
beispielsweise die erwähnten Forsythien, die Blutjohannisbeere (Ribes
sanguineum) und die Zimtröschen (Philadelphus). Im Sommer ist es Zeit für den Heckenschnitt, denn
die neuen Triebe sind noch weich und können sich nach dem Schnitt gut
regenerieren. Müsste ich im Winter
bloss die Gehölze schneiden, wäre ich schnell arbeitslos. Aber wie
erwähnt, hält es mich nicht lange beim warmen Ofen. Ich schätze
die Föhntage im Winter, an denen ich die Stauden schneide, die alten
Blätter meiner unzähligen Lenzrosen (Helleborus) entferne und im
Garten aufräume. Dabei entdecke ich die ersten Blüten des kleinen
Cyclamen coum, sehe, wie die Zaubernuss aufblüht, die Schneeglöckchen
sich recken, und freue mich dabei auf all die verborgenen Schätze, die
schon bald wieder aus der Erde aufbrechen und blühen
werden. Die Schere aber bleibt ein
wichtiges Werkzeug während des ganzen Jahres, und sei es bloss, weil ich
Zweige für einen Blumenstrauss schneiden will. |
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Alter Spalierapfelbaum im Garten von Rousham GB. |
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Cottage-Garten, 8453 Alten |
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