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HEV 12/2004 Inhaltsverzeichnis
Garten

     
  Mit der Schere in der Hand
* Barbara Scalabrin-Laube
 
     
  Noch sind nicht alle Blätter gefallen, doch die ersten Frostnächte haben den Garten (und die Gärtnerin!) auf den Winter aufmerksam gemacht. Die letzten Tulpenzwiebeln pflanzte ich mit Thermohandschuhen und Mütze auf dem Kopf, während mein Mann Laub einsammelte, die Wasserhahnen entleerte, die Kübel ins Gewächshaus brachte, den Rasenmäher (rechtzeitig!) zur Revision bereitstellte und das Mammutblatt mit Holzwolle vor Frost schützte. Tröstlich, dass die Blüten des Erdbeerbaums (Arbutus unedo) die ersten kalten Nächte ohne Schaden überstanden haben und auch der immergrüne Lorbeerschneeball (Viburnum tinus) seine weissen Dolden behalten hat.  
     
  Es wäre also Zeit für den Winterschlaf, für die romantischen Stunden am Cheminée, die langen Abende im Lesesessel, den Duft von Mandarinen und Tannenreisig, Zeit, um vieles nachzuholen, was im Sommer liegen geblieben ist.
Uns hält es jeweils nicht lang im Haus. Obwohl ich die langen Abende und die Stunden am Schreibtisch schätze, freue ich mich auf die Zeit, die ich während der Wintermonate im Garten verbringen kann. Ausgerüstet mit warmen Socken, Faserpelz und Mütze ziehe ich möglichst oft meine Wintergartenhandschuhe (und zusätzlich ein Paar Kaschmirhandschuhe!) an und mache mich mit Leiter, Schere und Säge an die Arbeit, denn unsere Sträucher schneide ich wenn möglich selber.
 
      Hingegen überlasse ich die Bäume einem Landschaftsgärtner, dem das Klettern in luftiger Höhe mehr Spass macht als mir.
Wenn Sie nun denken, dass ich an allen Sträuchern «herumschnipsle», täuschen Sie sich. Da ich die natürliche Wuchsform der Pflanzen sehr schätze, freue ich mich über alle Gehölze, die keinen Schnitt brauchen, wie z.B. die japanischen Ahornsorten (Acer palmatum), den Judasbaum (Cercis siliquastrum), meine Lieblinge, die Felsenbirnen (Amelanchier), die Stechpalmen (Ilex), die frei wachsenden Buchse (Buxus) und viele andere. Auch verjünge ich längst nicht alle Gehölze im Winter. So ist es sicher unsinnig, eine Forsythie kurz vor der Blüte zu schneiden, da sie an den im Vorjahr gewachsenen Trieben blüht. Ich würde ihr also mit meiner winterlichen Schneidarbeit die meisten Blüten stehlen.
 

Dieser Acer ist ohne Schnitt perfekt.
  Wer – wie ich – seine Gehölze gern selber in Form bringt, sollte sich vor der Arbeit bewusst werden, was er mit jedem Schnitt bewirkt, denn wer seine Pflanzen nicht nur gern hat, sondern sie auch versteht, wird sie nicht zu Krüppeln verunstalten. So überlege ich mir zuerst, weshalb ich ein Gehölz schneiden will, und stelle mir die folgenden Fragen:  
 
Will ich eine junge Pflanze «erziehen», damit sie ein gutes Gerüst bildet, starke Äste und Zweige entwickelt und später blühfreudig ist? – Ganz nebenbei: Ich überlasse die «Erziehungsarbeit» mit Vorliebe dem Baumschulisten oder dem Landschaftsgärtner.
Will ich ein Gehölz schneiden, um es gesund zu erhalten? – Dürre Äste, kranke Zweige und ein zu dichter Wuchs können eine Pflanze schwächen.
Will ich den Wuchs steuern, damit das Gehölz nicht zu mächtig wird? – Einfacher wäre es, wenn ich keine zu grossen Gehölze gepflanzt hätte!
Will ich mit einem gezielten Schnitt das Wachstum beschleunigen?
Will ich die Blütezeit verlängern oder gar eine üppigere Blüte erreichen?
 
  Selbstverständlich gibt es weitere Gründe, weshalb ein Schnitt nötig ist. So verspürte meine Mutter jeweils im Winter eine «Schnittlust», die dazu führte, dass sie viele Gehölze köpfte und damit verunstaltete, ein Schreckensbild während meiner Kindheit. Wer weiss, weshalb er die Schere in die Hand nimmt, wird vorsichtig mit der Arbeit beginnen, denn wer jemals versucht hat, einen zu gross gewordenen Strauch durch einen radikalen Schnitt klein zu kriegen, kennt die Folgen: Der Misshandelte wächst nach der Radikalkur umso üppiger oder gar nicht mehr!
Ein Blick in die Botanik genügt, um herauszufinden, warum dem so ist: In den Endknospen der Gehölze sitzt nämlich ein Pflanzenhormon, das die Bildung und das Wachstum der Seitentriebe unterdrückt, bzw. dafür sorgt, dass diese schwächer wachsen als die Haupttriebe. Wenn ich nun diese Endknospe entferne, fehlt die Wirkung des Hormons und schlafende Augen oder Seitenknospen treiben in der Folge vermehrt oder gar ungebremst aus. Selbstverständlich sind die Endknospen nicht bei jeder Gattung gleich dominant. Während sehr dominante Endknospen das Wachstum von Seitentrieben beinahe verhindern, lassen weniger dominante einen dicht verzweigten Wuchs zu. Denken Sie bloss an die lockere Gestalt der Zaubernuss (Hamamelis) im Gegensatz zum dicht verzweigten Wuchs der Prachtspiere (Spirea x vanhouttei). Aus diesen Erkenntnissen lässt sich eine einfache, aber wichtige Schnittregel ableiten, nämlich: Schneide ich ein Gehölz stark zurück, reagiert es normalerweise mit einem kraftvollen Neuaustrieb. Schneide ich hingegen wenig, ist der Neuaustrieb geringer. Ferner scheint es mir wichtig, vor der winterlichen Schneidarbeit zu überlegen, ob der Termin ideal ist, denn wer im richtigen Zeitpunkt schneidet, wird ein optimales Ergebnis erzielen. Wie Sie am Beispiel der Forsythie erfahren haben, hängt dieser vom Zeitpunkt der Blüte und dem Zustand der Pflanze ab.
Die Zeit von Januar bis März ist eine ideale Phase für den Schnitt von Obstbäumen, Beerensträuchern und vielen Ziergehölzen, zumal diese kein Laub tragen, sodass wir das Gerüst besser sehen. Zudem führen sie keinen Saft und «bluten» in der Folge kaum. Da der Saftstrom ruht, verringert sich gleichzeitig das Infektionsrisiko. So warte ich jeweils einen milden, trockenen Wintertag ab, bevor ich meine Ziersträucher, die an den diesjährigen Trieben oder vorwiegend am alten Holz blühen, in Form schneide, auslichte und von dürren Trieben befreie. Allerdings bin ich mir bewusst, dass bei Temperaturen unter 5° Celsius die Triebspitzen, die als Winterschutz dienen, fehlen werden. Sobald die Tage wärmer werden, können wir alle Ziersträucher, welche am diesjährigen Holz blühen, schneiden. Typische Vertreter dieser Schnittgruppe sind die Rosen und der Sommerflieder (Buddleja).
Viele Ziersträucher blühen jedoch am vor- oder letztjährigen Holz. Deshalb empfiehlt es sich, diese kurz nach der Blüte zu schneiden. So haben sie während des Sommers genug Zeit, um neue Triebe zu bilden. Zu dieser Gruppe gehören beispielsweise die erwähnten Forsythien, die Blutjohannisbeere (Ribes sanguineum) und die Zimtröschen (Philadelphus).
Im Sommer ist es Zeit für den Heckenschnitt, denn die neuen Triebe sind noch weich und können sich nach dem Schnitt gut regenerieren.
Müsste ich im Winter bloss die Gehölze schneiden, wäre ich schnell arbeitslos. Aber wie erwähnt, hält es mich nicht lange beim warmen Ofen. Ich schätze die Föhntage im Winter, an denen ich die Stauden schneide, die alten Blätter meiner unzähligen Lenzrosen (Helleborus) entferne und im Garten aufräume. Dabei entdecke ich die ersten Blüten des kleinen Cyclamen coum, sehe, wie die Zaubernuss aufblüht, die Schneeglöckchen sich recken, und freue mich dabei auf all die verborgenen Schätze, die schon bald wieder aus der Erde aufbrechen und blühen werden.
Die Schere aber bleibt ein wichtiges Werkzeug während des ganzen Jahres, und sei es bloss, weil ich Zweige für einen Blumenstrauss schneiden will.
 
     
  Alter Spalierapfelbaum im Garten von Rousham GB.    
     
  * Cottage-Garten, 8453 Alten  
     
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