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Die tragischen Folgen des Garagenbrandes von Gretzenbach dürften bei manch einem
Hauseigentümer die Frage aufgeworfen haben, inwieweit er sich darauf verlassen darf,
dass seine Liegenschaft nach allen Regeln der Kunst erstellt wurde. Wir drucken daher eine
Stellungnahme der SIA aus deren Homepage www.sia.ch ab. |
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Verbindlichkeit
von Normen und Merkblättern
* Walter Maffioletti |
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Die technischen Normen des SIA müssen von den Beteiligten
grundsätzlich eingehalten werden, auch wenn deren Anwendung vertraglich
nicht vereinbart wurde. Bedingung ist, dass diese Normen
anerkannte Regeln der Technik sind, was meistens zutrifft. Die Vertragsnormen
werden grundsätzlich durch Vereinbarung zwischen den
Parteien gültig. Dennoch können sie als Auslegungshilfe, beispielsweise
zur Ermittlung der in der Branche üblichen Gepflogenheiten, beigezogen
werden. Merkblätter und andere Publikationen können neben der
vertraglichen Vereinbarung eine wichtige Rolle spielen, falls sie anerkannte
Regeln der Baukunde enthalten, die von Gesetzes wegen einzuhalten
sind, oder einen gewissen Bereich regeln, in welchem keine
anderen Regelungen vorhanden sind. Ihr Beizug als Auslegungshilfe ist
selbstverständlich nicht ausgeschlossen |
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Bei der Verwirklichung eines Bauvorhabens
stellt sich immer wieder die Frage nach
der Sorgfaltspflicht für die Beteiligten. Die
dem Unternehmer bzw. dem Planer auferlegte
Sorgfalt kann durch die zur Zeit der
Vertragsabwicklung anerkannten Regeln
der Technik mitbestimmt sein. Wenn für die
Ausführung des geschuldeten Werkes anerkannte
Regeln der Technik wie beispielsweise
solche über die Fundierung eines
Bauwerkes, über die Konstruktion, über die
Materialverwendung oder über Sicherungsmassnahmen existieren, so muss sich der
betreffende Beteiligte daran halten. |
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1. |
Als anerkannt gelten technische Regeln,
wenn sie von der Wissenschaft als theoretisch
richtig erkannt wurden, feststehen
und sich nach einer klaren Mehrheitsmeinung
der fachkompetenten
Anwender in der Praxis bewährt haben. |
2. |
In diesem Zusammenhang ist auf den
Unterschied zwischen dem Stand der
Technik und anerkannten Regeln hinzuweisen.
Regeln der Technik, die zwar dem neuesten Stand entsprechen, sich in
der Praxis aber noch nicht bewährt
haben, sind nicht anerkannt. |
3. |
Die technischen Normen des SIA können,
müssen aber nicht anerkannte
Regeln der Technik enthalten. Da sie
meistens unter Mitwirkung führender
Fachleute ausgearbeitet wurden, wird
jedoch grundsätzlich vermutet, dass sie
in ihrem Anwendungsbereich anerkannte
Regeln der Technik sind. Gemäss SIA
sind Normen anerkannte Regeln der
Baukunde, welche von Gesetzes wegen
zu beachten sind. |
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Grenzen der Übergangsfristen
Aus praktischen Gründen sind für die
meisten technischen Normen Übergangsfristen
vorgesehen. Die Betroffenen benötigen
Zeit, um die neuen Normen zur Kenntnis
zu nehmen und sich damit vertraut zu
machen. Bereits angelaufene Projekte sollen
mit den zu diesem Zeitpunkt bekannten
Vorschriften abgewickelt werden können.
Auch der Gesetzgeber bedient sich des
Öfteren dieses Instrumentes. Wenn eine
neue Norm des SIA von der Zentralkommission
für Normen und Ordnungen (ZNO)
genehmigt und in Kraft gesetzt wird und
diese Norm anerkannte Regel der Baukunde
ist, dann kann die Festsetzung einer
Übergangsfrist problematisch oder sogar
irreführend sein, falls der Benützer mit dem
Normensystem des SIA nicht vertraut ist.
Wenn für die Ausführung des geschuldeten
Werkes anerkannte Regeln der Technik
existieren, dann müssen die Betroffenen sie
von Gesetzes wegen einhalten. Der SIA ist
nicht zuständig, um festzulegen, ab wann
eine neue Norm bzw. eine anerkannte
Regel der Technik von Gesetzes wegen einzuhalten
ist. Falls eine neue Norm keine
anerkannte Regel der Baukunde ist, dann könnte die Problematik differenzierter
betrachtet werden. Jedoch darf nicht vergessen
werden, dass für die technischen
Normen des SIA die Vermutung gilt, dass
sie anerkannte Regeln der Technik sind. Die
Übergangsfrist kann somit grundsätzlich
nur vertraglich verbindlich sein. Sie betrifft
die Parteien untereinander und nicht beispielsweise
die für eine Baubewilligung
zuständigen Instanzen. |
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Anwendung von Vertragsnormen
Vertragsnormen regeln Vertragsverhältnisse
und besondere Verfahren im Bauwesen.
Paradebeispiele sind die Norm SIA 118
Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten
und die Ordnungen für Leistungen und
Honorare der Architektinnen und Architekten
(LHO). Ordnungen sind vom SIA in
paritätischen Gremien entwickelte und festgelegte
allgemeine Geschäftsbedingungen.
Sie sind als Hilfsmittel für die Beteiligten zu
verstehen, die teilweise komplexe Situationen
klar und einfach regeln. Über die
Anwendung von allgemeinen Geschäftsbedingungen
entscheiden nur die Vertragsparteien,
indem sie deren Verbindlichkeit in
den vertraglichen Grundlagen festhalten.
Ohne eine entsprechende Vereinbarung im
Vertrag kommen die Vertragsnormen
grundsätzlich nicht zur Anwendung. Dennoch
können sie die Gerichte als Auslegungshilfe
beispielsweise zur Ermittlung der
in der Branche herrschenden Bräuche beiziehen. |
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Regeln der Baukunde in Merkblättern
Die so genannten Merkblätter sind im
Normensystem des SIA zwar tiefer eingestuft
als Normen. Es kann jedoch durchaus
möglich sein, dass ein Merkblatt anerkannte
Regeln der Baukunde enthält, die von
Gesetzes wegen einzuhalten sind. In einem solchen Fall erlangt das Merkblatt einen
starken praktischen und juristischen Stellenwert.
Möglich ist es auch, dass in einem
gewissen Bereich keine ausser die in einem
SIA-Merkblatt enthaltenen Regeln aufzufinden
sind. In einer solchen Konstellation
wird das Gericht voraussichtlich auf die einzigen
vorhandenen Informationen und
Regelungen abstellen, nämlich jene, die im
Merkblatt festgehalten sind. |
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Übrige Publikationen des SIA
Der SIA veröffentlicht neben Normen,
Ordnungen und Merkblättern weitere
Publikationen. Auch diese können anerkannte
Regeln der Baukunde enthalten.
Wenn dies zutrifft, dann erlangen diese
Publikationen juristische Bedeutung mit den
entsprechenden Folgen. |
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Normen und Ordnungen, SIA |
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