Hauseigentümerverband Zürich
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HEV 1/2005 Inhaltsverzeichnis
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  Der Flughafen nimmt ein Recht
in Anspruch, das er nicht hat

Reto Agustoni, Zürich
 
     
  Gemäss Art. 667 Abs. 1 ZGB erstreckt sich das Eigentum an Grund und Boden nach oben und unten auch auf den Luftraum und das Erdreich, in der ganzen Höhe oder Tiefe, welche zu seiner Ausübung notwendig ist und so weit für die Ausübung des Eigentum ein schutzwürdiges Interesse besteht. Wie viele Meter sind denn das konkret?  
     
  Im Unterschied zu den USA, wo diese Luftsäule unendlich ist (ad caelum: bis zum Himmel), hat unsere Rechtsprechung festgehalten, dass keine allgemein gültige Schwelle für die Höhe gesetzt werden könne, unterhalb welcher der Durchflug gestützt auf Zivilrecht grundsätzlich untersagt sei. Die Richter haben vielmehr festgehalten, dass immer auf den Einzelfall, also die konkreten Umstände, abzustellen sei.
Die vertikale Ausdehnung dieser Luftsäule definiert sich somit aus der Wechselbeziehung zwischen den Eigenschaften des überflogenen Grundstückes und denjenigen des darüber fliegenden Flugkörpers. Das heisst, es kommt einerseits darauf an, wie das Grundstück genutzt wird, und anderseits, welche Dimensionen und Eigenschaften der überfliegende Flugkörper hat. Der Eigentümer eines Krankenhauses hat mit Sicherheit ein weiter gehendes schutzwürdigeres Interesse als ein solcher eines unbebauten Stückes Land. Ein entflogener Kanarienvogel tangiert auch im Tiefflug, im Unterschied zu einem Jumbojet, wohl kaum ein schutzwürdiges Interesse.
Das Bundesgericht hat sich insbesondere im Zusammenhang mit dem Flughafen Genf mit derartigen Fragen auseinander setzen müssen. Es unterlässt es bewusst, die vertikaleAusdehnung des Grundeigentums abschliessend zu definieren. Die Ausdehnung muss von Fall zu Fall nach den konkreten Umständen definiert werden. Dabei beschränkt sich das Interesse des Grundeigentümers an der Luftsäule nicht auf die Möglichkeit, diese baulich zu nutzen. Es umfasst insbesondere auch das Recht, diesen Raum frei zu halten. Der Eigentümer ist berechtigt, Einwirkungen Dritter abzuwehren. Gemäss Art 926 ZGB darf er sich verbotener Eigenmacht sogar mit Gewalt erwehren!
Konkret erwähnt das Bundesgericht in den massgebenden Entscheiden folgende Kriterien, welche auf eine Verletzung des Grundeigentums schliessen lassen:
 
 
ohrenbetäubender Lärm
Randwirbelschleppen
Vibrationen und Erschütterungen in der Liegenschaft
Störfallrisiko
Kerosingeruch
von Rumpf und Triebwerken herunterfallende Teile oder Eisbrocken
psychologisch Folgeerscheinungen, wie Angst und Unbehagen
 
  Von Gockhausen bis zur Pistenschwelle in 7,5 km Distanz erfüllt der Südanflug sämtliche dieser Kriterien.
Gemäss Auflage des BAZL hätten in dieser Zone die Dachziegel der Liegenschaften geklammert werden müssen bzw. sind geklammert worden. Diese Auflage ist darauf zurückzuführen, dass bis zu einer Überflughöhe ab Boden von 380 Metern mit Schleppwirbeln zu rechnen ist. Durch herunterfallende Dachziegel können Menschen verletzt werden! Die Auflage zur Dachziegelklammerung ist der flagrante Beweis, dass der Südanflug durch das Privateigentum geführt wird. Gockhausen und Schwamendingen werden in den frühen Morgenstunden regelmässig mit Werten zwischen 80 und 86 dB eingedeckt. Dabei sind die frühsten Ankömmlinge auch die geräuschintensivsten, nämlich die Langstreckenflüge aus Fernost, welche in gut 200 m über die Dächer donnern. Hundegebell beispielsweise wird durch den Lärm vollständig überdeckt.
Auch die Flutlichter der ankommenden Flugzeuge reissen viele Eigenheimbesitzer aus dem Schlaf. Viele Eigentümer stellen neuerdings gebrochene Scheiben und Risse in den Hausfassaden fest. Insbesondere ältere Jahrgänge beklagen sich über Schlafstörungen und andere gesundheitliche Probleme…
Gemäss Art. 36 des Luftfahrtgesetzes (LFG) steht dem Flughafen das Enteignungsrecht zu. Unique, BAZL und UVEK legen diese Befugnis dahingehend aus, dass der Flughafen sich nicht an die Eigentumsordnung zu halten hat und somit über dem ZGB und der Bundesverfassung steht. Gemäss LFG und Enteignungsgesetz könnte sich der Flughafen auf dem Wege der Enteignung zwangsweise ein Wegrecht durch die Südschneise erkaufen. Das Enteignungsgesetz schreibt in Art. 91 jedoch zwingend vor, dass zuerst bezahlt werden muss, bevor geflogen werden darf.
Unsere Gesetze sind so gut gemacht, dass sogar der Notfall geregelt wäre. Gemäss Enteignungsgesetz ist in dringenden Fällen eine vorzeitige Besitzeinweisung durchaus möglich. Eine solche ist jedoch zwingend mit einer sofortigen Abschlagszahlung verbunden. Das heisst, dass der Südanflug auch notfallmässig hätte rechtlich abgesichert über dieses Institut eingeführt werden können.
Der Flughafen nimmt heute ein Recht in Anspruch, das er nicht hat und nie erworben hat. Da für die notwendigen Enteignungsverfahren nicht einmal entsprechende Rückstellungen gemacht werden, ist davon auszugehen, dass auch keinerlei Absicht besteht, den Weg des Südanfluges entsprechend der Verfassungsgarantie in rechtlich geordneten Bahnen zu erwerben.
Wenn der Flughafen in den hängigen Gerichtsverfahren obsiegt, dann stehen nicht nur die «Schneiser» als Verlierer da, sondern alle Schweizer Bürger und insbesondere alle Grundeigentümer. Es würde bedeuten, dass ab sofort das Grundeigentum nach oben gekürzt ist und dass es in unserem Land privatrechtliche Institutionen gibt, welche über der Eigentumsordnung und der Bundesverfassung stehen!
(Vgl.: BGE 123 II 495; 122 II 354; 129 II 77; 104 II 86 E .1;121 II 323; 93 II 170)
 
     
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