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Der Flughafen nimmt ein Recht
in Anspruch, das er nicht hat
Reto Agustoni, Zürich |
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Gemäss Art. 667 Abs. 1 ZGB erstreckt sich das Eigentum an Grund und
Boden nach oben und unten auch auf den Luftraum und das Erdreich,
in der ganzen Höhe oder Tiefe, welche zu seiner Ausübung notwendig
ist und so weit für die Ausübung des Eigentum ein schutzwürdiges
Interesse besteht. Wie viele Meter sind denn das konkret? |
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Im Unterschied zu den USA, wo diese
Luftsäule unendlich ist (ad caelum: bis zum
Himmel), hat unsere Rechtsprechung festgehalten,
dass keine allgemein gültige Schwelle
für die Höhe gesetzt werden könne, unterhalb
welcher der Durchflug gestützt auf Zivilrecht
grundsätzlich untersagt sei. Die Richter
haben vielmehr festgehalten, dass immer auf
den Einzelfall, also die konkreten Umstände,
abzustellen sei.
Die vertikale Ausdehnung dieser Luftsäule
definiert sich somit aus der Wechselbeziehung
zwischen den Eigenschaften des überflogenen
Grundstückes und denjenigen des darüber
fliegenden Flugkörpers. Das heisst, es
kommt einerseits darauf an, wie das Grundstück
genutzt wird, und anderseits, welche
Dimensionen und Eigenschaften der überfliegende
Flugkörper hat. Der Eigentümer eines
Krankenhauses hat mit Sicherheit ein weiter
gehendes schutzwürdigeres Interesse als ein
solcher eines unbebauten Stückes Land. Ein
entflogener Kanarienvogel tangiert auch im
Tiefflug, im Unterschied zu einem Jumbojet,
wohl kaum ein schutzwürdiges Interesse.
Das Bundesgericht hat sich insbesondere
im Zusammenhang mit dem Flughafen Genf
mit derartigen Fragen auseinander setzen
müssen. Es unterlässt es bewusst, die vertikaleAusdehnung des Grundeigentums abschliessend
zu definieren. Die Ausdehnung
muss von Fall zu Fall nach den konkreten
Umständen definiert werden. Dabei beschränkt
sich das Interesse des Grundeigentümers
an der Luftsäule nicht auf die
Möglichkeit, diese baulich zu nutzen. Es umfasst
insbesondere auch das Recht, diesen
Raum frei zu halten. Der Eigentümer ist berechtigt,
Einwirkungen Dritter abzuwehren.
Gemäss Art 926 ZGB darf er sich verbotener
Eigenmacht sogar mit Gewalt erwehren!
Konkret erwähnt das Bundesgericht in den
massgebenden Entscheiden folgende Kriterien,
welche auf eine Verletzung des Grundeigentums
schliessen lassen: |
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ohrenbetäubender Lärm |
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Randwirbelschleppen |
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Vibrationen und Erschütterungen in der
Liegenschaft |
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Störfallrisiko |
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Kerosingeruch |
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von Rumpf und Triebwerken herunterfallende
Teile oder Eisbrocken |
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psychologisch Folgeerscheinungen, wie
Angst und Unbehagen… |
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Von Gockhausen bis zur Pistenschwelle in
7,5 km Distanz erfüllt der Südanflug sämtliche
dieser Kriterien.
Gemäss Auflage des BAZL hätten in dieser
Zone die Dachziegel der Liegenschaften
geklammert werden müssen bzw. sind
geklammert worden. Diese Auflage ist darauf
zurückzuführen, dass bis zu einer Überflughöhe
ab Boden von 380 Metern mit Schleppwirbeln
zu rechnen ist. Durch herunterfallende
Dachziegel können Menschen verletzt
werden! Die Auflage zur Dachziegelklammerung
ist der flagrante Beweis, dass der Südanflug
durch das Privateigentum geführt
wird. Gockhausen und Schwamendingen
werden in den frühen Morgenstunden regelmässig
mit Werten zwischen 80 und 86 dB
eingedeckt. Dabei sind die frühsten Ankömmlinge
auch die geräuschintensivsten,
nämlich die Langstreckenflüge aus Fernost,
welche in gut 200 m über die Dächer donnern.
Hundegebell beispielsweise wird durch
den Lärm vollständig überdeckt.
Auch die Flutlichter der ankommenden
Flugzeuge reissen viele Eigenheimbesitzer aus
dem Schlaf. Viele Eigentümer stellen neuerdings
gebrochene Scheiben und Risse in den
Hausfassaden fest. Insbesondere ältere Jahrgänge
beklagen sich über Schlafstörungen
und andere gesundheitliche Probleme…
Gemäss Art. 36 des Luftfahrtgesetzes
(LFG) steht dem Flughafen das Enteignungsrecht
zu. Unique, BAZL und UVEK legen diese
Befugnis dahingehend aus, dass der Flughafen
sich nicht an die Eigentumsordnung zu
halten hat und somit über dem ZGB und der
Bundesverfassung steht. Gemäss LFG und
Enteignungsgesetz könnte sich der Flughafen
auf dem Wege der Enteignung zwangsweise
ein Wegrecht durch die Südschneise erkaufen.
Das Enteignungsgesetz schreibt in Art.
91 jedoch zwingend vor, dass zuerst bezahlt
werden muss, bevor geflogen werden darf.
Unsere Gesetze sind so gut gemacht, dass
sogar der Notfall geregelt wäre. Gemäss Enteignungsgesetz
ist in dringenden Fällen eine
vorzeitige Besitzeinweisung durchaus möglich.
Eine solche ist jedoch zwingend mit einer
sofortigen Abschlagszahlung verbunden. Das
heisst, dass der Südanflug auch notfallmässig
hätte rechtlich abgesichert über dieses Institut
eingeführt werden können.
Der Flughafen nimmt heute ein Recht in
Anspruch, das er nicht hat und nie erworben
hat. Da für die notwendigen Enteignungsverfahren
nicht einmal entsprechende Rückstellungen
gemacht werden, ist davon auszugehen,
dass auch keinerlei Absicht besteht, den
Weg des Südanfluges entsprechend der Verfassungsgarantie
in rechtlich geordneten Bahnen
zu erwerben.
Wenn der Flughafen in den hängigen
Gerichtsverfahren obsiegt, dann stehen nicht
nur die «Schneiser» als Verlierer da, sondern
alle Schweizer Bürger und insbesondere alle
Grundeigentümer. Es würde bedeuten, dass
ab sofort das Grundeigentum nach oben
gekürzt ist und dass es in unserem Land privatrechtliche
Institutionen gibt, welche über
der Eigentumsordnung und der Bundesverfassung
stehen!
(Vgl.: BGE 123 II 495; 122 II 354; 129 II
77; 104 II 86 E .1;121 II 323; 93 II 170) |
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