Hauseigentümerverband Zürich
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HEV 2/2005 Inhaltsverzeichnis
Nachbarrecht

     
  Immissionen von Nachbargrundstücken
RA Dr. Roger Groner* und lic. iur. Tiziano Winiger**
 
     
  Der Wert eines Grundstücks hängt auch vom Genuss ab, den es dem Bewohner verschafft. Einwirkungen seitens von Nachbargrundstücken wie Lärm, Gestank, Lichtentzug oder Schattenwurf können deshalb je nach Intensität zu empfindlichen Wertverlusten auf Grundstücken führen. Es ist deshalb in der dicht besiedelten Schweiz nicht verwunderlich, dass eine reichhaltige Gerichtspraxis zu diesem Thema existiert.  
     
  Kantonale und kommunale Raumplanungs-, Bau- und Abstandsvorschriften
Die kantonalen Bau- und Abstandsvorschriften dienen in einem weitern Sinne dazu, allfällige Immissionen einzudämmen. Die meisten Gemeinden kennen so genannte zonenbedingte Immissionsvorschriften in ihren Bauordnungen, welche dazu dienen, Anlagen und Bewerbungsarten zu verhindern, die einen für die einzelnen Zonen näher umschriebenen Einwirkungspegel überschreiten. So werden bestimmte Betriebe von vornherein einer bestimmten Zone zugewiesen ohne Rücksicht darauf, ob sie im konkreten Fall stören oder nicht. Werden die öffentlichrechtlichen Vorschriften durch ein Bauvorhaben verletzt, so kann im Kanton Zürich der Nachbar innert 20 Tagen seit der öffentlichen Bekanntmachung die Zustellung des öffentlichen Bauentscheides verlangen und innert Frist an die Baurekurskommission rekurrieren.
 
     
  Bundesrechtliche Minimalgarantie
Grundeigentümer sind zur Abwehr von Immissionen weit gehend auf die Bestimmungen des «Nachbarrechts» des Zivilgesetzbuches (ZGB) angewiesen. Dabei verschaffen Art. 679 und Art. 684 ZGB eine Minimalgarantie des ungestörten Genusses eines Grundstücks, indem sie übermässige Einwirkungen auf Nachbargrundstücke verbieten. Nach der Gerichtspraxis fallen sowohl körperliche Einwirkungen (wie Staub, Gestank oder Lärm) als auch «negative Immissionen», d.h. der Entzug von Licht oder Aussicht, unter diese Normen. Nicht nur der unmittelbare Anstösser, sondern jeder, der als Nutzer eines Grundstücks von der Einwirkung betroffen wird, kann sich auf diese Minimalgarantie berufen.
Ob eine Einwirkung «übermässig» ist, beurteilt sich nach objektiven Kriterien, d.h. nach dem Empfinden eines Durchschnittsmenschen, nicht nach den konkreten Empfindsamkeiten der Nachbarn. Wer hellhörige, sensible Nachbarn hat, wird damit gleich wie derjenige behandelt, der neben einem lärmunempfindlichen Gehörlosen lebt. Zur Bestimmung der «Übermässigkeit » einer Einwirkung werden Lage und Beschaffenheit des belasteten Grundstücks, ein allfälliger Ortsgebrauch und die Dauer der Immission herangezogen.
Die häufigste Immissionsart ist Lärm. Im Kanton Zürich sehen die verschiedenen Lärmschutzverordnungen vor, in welchem Rahmen Lärm wie lange und wie oft verursacht werden darf, und die Polizei ist zuständig für die Einhaltung dieser Vorschriften. Wiederholte Lärmbelästigungen durch rücksichtslose Gäste nach Mitternacht können auch für normal empfindliche Menschen ausserordentlich störend sein. Überschreitet das Sprechen, Singen, Grölen oder Wegfahren die Weckschwelle, ist die Einwirkung übermässig, auch wenn sie nur kurze Zeit dauert. Keine Rolle spielt dabei, ob die Gäste auf dem Grundstück der Gaststätte den Lärm verursachen oder auf öffentlichem Boden. Das Gleiche könnte für den Fluglärm gelten, der von startenden und landenden Flugzeugen verursacht wird.
Nur selten auftretender Lärm sollte dagegen von Nachbarn toleriert werden. So veranstaltete ein Landwirt im Kanton Bern einmal im Jahr ein «Keltenfest» (Bundesgerichtsurteil vom 27. April 2004, 5C.14/2004), mit dem er Einblick in die Lebensweise der naturverbundenen Kelten geben wollte. Dazu liess er in die Nacht hinein via Lautsprecher Keltenmusik laufen. Sein Nachbar wollte das Keltenfest verbieten lassen – vergeblich. Das Bundesgericht stellte im Jahr 2004 fest, dass die Lärmeinwirkung zulässig war. Es berücksichtigte dabei, dass die Veranstaltung auf ein einziges Wochenende im Jahr beschränkt war, dass sie nicht die ganze Nacht hindurch dauerte, sondern lediglich bis 2 Uhr, und dass lange zum Voraus feststand, an welchem Datum das Fest durchgeführt würde.
 
     
  Entzug von Licht und Ausblick
Gleich ist die Situation, wenn ein Grundstück einem Nachbar Licht, Ausblick oder den Zugang zu seinem Grundstück entzieht. Das Bundesgericht führte dazu aus, dass Lichtentzug und Schattenwurf genau gleich lästig sein können wie die im Gesetz erwähnten Immissionen. Wie nahe ein Baum an ein Nachbargrundstück gesetzt werden kann, wird im Kanton Zürich vom Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch vorgesehen, wobei die Verjährungsfrist für den Beseitigungsanspruch 5 Jahre beträgt.
In einem neueren Entscheid waren die Parteien Eigentümer von zwei benachbarten Grundstücken in Stallikon ZH, zwischen denen ein ca. 3 Meter breiter öffentlicher Fussweg verläuft. Mehrere Waldbäume, welche eine Höhe von mehr als 20 Metern und einen Kronendurchmesser von mehreren Metern aufwiesen, entzogen der Nachbarliegenschaft Licht, Sonne und Luft und stellten insoweit eine übermässige Beeinträchtigung dar. Der Beseitigunganspruch wurde bejaht, obwohl die kantonale Verjährung schon eingetreten war (Entscheid vom 18. Mai 2000, 5C.19/2000).
Aus der neuesten Gerichtspraxis lässt sich somit der Schluss ziehen, dass ein Grundstückeigentümer sich Immissionen seines Nachbarn nicht gefallen lassen muss, sofern sich die Immissionen lang andauernd und erheblich auswirken.
 
     
  * Zugelassen in Zürich und New York, Bahnhofstrasse 104, 8001 Zürich
** Mitarbeiter HEV, Rechtsabteilung
 
     
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