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HEV 2/2005 Inhaltsverzeichnis
Sachenrecht

     
  Ablösung einer Dienstbarkeit
(Art. 736 ZGB)

HEV Winterthur
 
     
  Mit Urteil vom 21. Oktober 2004 (5C.126/2004) hatte das Bundesgericht einen Fall zu entscheiden, in welchem strittig war, ob eine Dienstbarkeit infolge Zweckänderung gelöscht werden dürfe. Die Klägerin war Eigentümerin eines Grundstückes, welches mit zwei Dienstbarkeiten zugunsten der Beklagten belastet war. Der Errichtungsakt umschrieb den Inhalt der beiden Dienstbarkeiten wie folgt: «Ein persönliches Baurecht mit dem Recht, auf dem belasteten Grundstück Zisternen und Säulen im Sinne einer Fahrnisbaute gemäss Art. 677 ZGB für den Vertrieb von Treibstoff zu installieren und zu bewirtschaften, bzw. bewirtschaften zu lassen.» Ferner: «Ein persönliches Durchgangsrecht zu Fuss und für alle Fahrzeuge, welches die normale Bewirtschaftung der vorgenannten Installationen erlaubt; dies für das Personal der Berechtigten als auch für die Kunden der Tankstelle.»
Ursprünglich war von der Beklagten eine Tankstelle errichtet und während vieler Jahre betrieben worden. Daneben wurde auch eine Garage errichtet; der Mieter derselben führte – neben seiner Tätigkeit als Garagist – auch die Tankstelle. Auf dem belasteten Grundstück wurden Fahrzeuge im Hinblick auf deren Verkauf oder Vermietung abgestellt. Mitte der Jahre 1990 wurde die Tankstelle stillgelegt; die Garage wurde aber weiterhin betrieben. Im Jahre 2000 kam es zum Verkauf des belasteten Grundstückes. Die Erwerberin desselben wehrte sich gegen den Garagenbetrieb und verlangte die Löschung der beiden Dienstbarkeiten. Nachdem sie in zweiter kantonaler Instanz unterlegen war, zog sie das Urteil weiter ans Bundesgericht.
Gemäss Art. 736 Abs.1 ZGB kann der Dienstbarkeitsbelastete die Löschung einer Dienstbarkeit verlangen, wenn sie für das berechtigte Grundstück alles Interesse verloren hat. Dies ergibt sich aus dem allgemeinen Prinzip, wonach der Berechtigte ein vernünftiges Interesse an der Dienstbarkeit haben muss. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Interesse noch bestehe, ist vom Grundsatz der Identität der Dienstbarkeit auszugehen; danach darf eine Dienstbarkeit nur zu dem Zwecke aufrechterhalten werden, zu welchem sie errichtet worden ist. Im vorliegenden Fall war daher zu prüfen, ob die Dienstbarkeit für die Beklagte ein ihrem ursprünglichen Zweck entsprechendes Interesse aufweise.
Das Bundesgericht erklärte vorab, dass in Übereinstimmung mit Art. 738 Abs. 1 ZGB der Grundbucheintrag für den Inhalt der Dienstbarkeit ausschlaggebend sei, soweit sich Rechte und Pflichten deutlich daraus ergeben. Sofern jedoch der Grundbucheintrag unklar, unvollständig oder – was oft vorkomme – summarisch sei, müsse auf andere Interpretationswege ausgewichen werden, nämlich auf den «Ursprung» der Dienstbarkeit, mithin auf ihren Errichtungsakt. Letzterer sei wie alle Willenserklärungen auszulegen, nämlich entsprechend dem übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien (Art. 18 OR), bzw. – sofern dieser Wille nicht dargelegt werden könne – nach Treu und Glauben. Gegenüber Dritten jedoch, die nicht Vertragsparteien waren, sind diese Grundsätze durch den Gutglaubensschutz des Grundbuches beschränkt (Art. 973 ZGB). Danach dürfen individuelle Absichten und Motive der an der Errichtung der Dienstbarkeit Beteiligten, welche nicht aus dem Errichtungsakt hervorgehen und somit für einen Dritten, der sich in guten Treuen auf das Grundbuch verlassen hat, nicht erkennbar sind, bei der Auslegung nicht berücksichtigt werden. Etwas einfacher ausgedrückt, habe gegenüber einem Dritten die Auslegung des Erwerbstitels einer Dienstbarkeit nach dem Vertrauensprinzip zu erfolgen. Die darin zum Ausdruck gelangenden Willenserklärungen der Parteien seien in dem Sinne massgebend, in dem sie von einem aufmerksamen, sachlich denkenden Menschen in guten Treuen verstanden werden können.
Im vorliegenden Fall stellte das Bundesgericht fest, dass Inhalt und Umfang der streitigen Dienstbarkeiten klar aus dem Errichtungsakt hervorgehen: Es handelt sich um ein Baurecht, welches die Errichtung von Installationen für den Vertrieb von Treibstoff (Zisternen und Säulen) beinhaltet, mit der Berechtigung, auf dem dienenden Grundstück die Installationen zu nutzen und zu bewirtschaften. Damit verbunden ist ein Durchgangsrecht zu Fuss und für alle Fahrzeuge, welches die normale Bewirtschaftung der besagten Installationen erlaubt. Die streitigen Dienstbarkeiten ermöglichen damit die Bewirtschaftung der Installationen für den Vertrieb von Treibstoff auf dem belasteten Grundstück und damit den Betrieb einer Tankstelle, was den Durchgang und kurzes Parken der Fahrzeuge der Kunden, des Personals oder der Lieferanten beinhaltet. Die fraglichen Dienstbarkeiten dürfen jedoch gemäss dem Vertrauensprinzip keinesfalls in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie anstatt den Betrieb einer seit Mitte der Jahre 1990 stillgelegten Tankstelle, den ausschliesslichen Handel mit Gebrauchtfahrzeugen erlauben. Der Betrieb eines solchen Geschäftes beinhaltet das dauerhafte Parken der zum Verkauf angebotenen Fahrzeuge und bedeutet eine offensichtliche Zweckänderung des durch die Dienstbarkeit gewährten Baurechts.
Damit war für das Bundesgericht offensichtlich, dass entsprechend dem Grundsatz der Identität der Dienstbarkeit der derzeitige Gebrauch der streitigen Dienstbarkeiten (also der Garagenbetrieb) für die Berechtigte ein nicht mehr ihren ursprünglichen Zwecken entsprechendes Interesse aufweist. Somit war die Klägerin als Dienstbarkeitsbelastete grundsätzlich berechtigt, die Löschung der Dienstbarkeiten gemäss Art. 736 Abs. 1 ZGB zu verlangen, es sei denn, dass das Interesse der Beklagten in einer vorhersehbaren Zukunft wieder auflebe. Allerdings müssen mit einer gewissen Intensität Anhaltspunkte für eine solche Entwicklung vorhanden sein; es genüge nicht, dass ein Wiederaufleben theoretisch möglich sei.
Im zu beurteilenden Fall konnte die Beklagte und Dienstbarkeitsberechtigte keine Anhaltspunkte für das Wiederaufleben ihres Interesses dartun, weshalb die Löschung der Dienstbarkeiten als rechtmässig betrachtet wurde.
Dieser Entscheid zeigt, wie wichtig es ist, den Inhalt einer Dienstbarkeit sowohl im Grundbuch als auch im Errichtungsakt klar und umfassend zu formulieren. (Zu Dienstbarkeiten vgl. unser Heft Nr. 8 / September 2004, HEV Winterthur)
 
     
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