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HEV 3/2005 Inhaltsverzeichnis
Haftpflichtrecht

     
  Die Haftung des Tierhalters
* Björn Kernen
 
     
  Die Tierhalterhaftpflicht ist im Hinblick auf die Zahl der publizierten Entscheide von eher geringer Bedeutung. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass zahlreiche Tierhalterhaftpflichtfälle ausserprozessual erledigt werden. Im Oktober vergangenen Jahres wurde diesbezüglich wieder einmal höchstrichterlich entschieden (4C.268/2004). Der Tierhalter ist für Schäden verantwortlich, welche das Tier aus eigenem Antrieb verursacht. Zur Begründung der Haftpflicht bedarf es weiter einer Sorgfaltspflichtverletzung. Ein Verschulden des Haftpflichtigen wird nicht vorausgesetzt, ihm steht jedoch der Befreiungsbeweis offen.  
     
  a) Tierhalter
Haftpflichtiger ist jene Person, die objektiv betrachtet die tatsächliche Möglichkeit hat, diejenigen Massnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die nötige Sorgfalt zu wahren, damit niemand durch Aktionen oder Reaktionen des Tieres geschädigt wird. Das Gesetz definiert den Halter nicht eigens. Als entscheidendes Kriterium wird das Bestehen eines tatsächlichen Gewaltverhältnisses über das Tier betrachtet. Das rechtliche Gewaltverhältnis, etwa die Eigentümerposition, ist nicht alleine entscheidend. Der Tierhalter wird üblicherweise auch Eigentümer sein, diese Eigenschaften fallen aber nicht notwendigerweise zusammen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung wird auch der abwesende Eigentümer eines Tieres als Halter betrachtet.
Eine auf die tatsächliche Verfügungsgewalt abstellende Begriffsbestimmung setzt stets Besitz des Halters am Tier voraus. Umgekehrt begründet Besitz jedoch nicht in jedem Fall Halterschaft. Im Einzelfall ist ebenfalls entscheidend, wem das Tier dient, wer es nutzt sowie wer für den Unterhalt aufzukommen hat.
Setzt der Tierhalter Hilfspersonen, so etwa Arbeitnehmer, Ehegatten oder Kinder, ein, haftet er für diese, wie wenn er selbst gehandelt hätte. Er haftet somit auch, wenn sich die Hilfsperson schuldlos verhält.
Die Hilfsperson ist von der mehrfachen Halterschaft zu unterscheiden. Diese liegt vor, wenn mehrere Personen die tatsächliche Gewaltausübung innehaben, z.B. bei Erbengemeinschaften, einfachen Gesellschaften oder seltener in der Familie.
 
     
  b) Schadensverursachung aus «eigenem» Antrieb des Tieres
Tier im Sinne von Art. 56 OR ist eine lebende Sache, die gehalten werden kann. Schäden werden praxisgemäss am häufigsten durch Hunde, Pferde und Kühe verursacht. Auch Bienen können gehalten werden, wobei nicht die einzelne Biene zählt, sondern der ganze Schwarm. Sonderbestimmungen gelten bei Jagdwild (Art. 12 f. JSG). Der Schaden muss vom Tier angerichtet worden sein. Dies bedeutet, dass es aus eigenem Antrieb agierte oder reagierte, beispielsweise durch Ausschlagen oder Beissen. Kein selbstständiges Verhalten liegt vor, falls das Tier als Werkzeug des Menschen benutzt wird. Hetzt jemand seinen Hund auf eine Person, so sind die daraus entstehenden Schäden nach Art. 41 OR und nicht nach Art. 56 OR zu ersetzen. Die Tierhalterhaftpflicht kommt auch dann nicht zum Tragen, wenn eine fremde physische Kraft auf ein Tier einwirkt. So beispielsweise, wenn ein Pferd auf glatter Strasse ausrutscht und dabei einen Passanten verletzt.
Art. 56 OR findet jedoch immer dann Anwendung, wenn sich ein Tier seiner Natur entsprechend verhält, sei dies auch durch Dritte, ein anderes Tier oder andere äussere Einflüsse veranlasst. Diesfalls steht dem Tierhalter unter Umständen der Regress gegen Dritte offen, welche das Tier gereizt haben.
Immissionen, insbesondere Lärm und Geruch, die das Tier durch normale Lebensäusserungen erzeugt, erfüllen die Voraussetzungen von Art. 56 OR grundsätzlich nicht. Derartigen Vorkommnissen kann hingegen durch die nachbarschaftsrechtlichen Bestimmungen (Art. 679/684 ZGB) entgegengewirkt werden.
 
     
  c) Sorgfaltsbeweis
Als weitere Voraussetzung ist eine Verletzung einer objektiven Sorgfaltspflicht nötig. Der Tierhalter kann sich nicht darauf berufen, das allgemein Übliche an Sorgfalt aufgewendet zu haben. Vielmehr hat er nachzuweisen, dass er sämtliche objektiv notwendigen und durch die Umstände gebotenen Massnahmen getroffen hat. Bestehen Zweifel über die entlastenden Tatsachen, so muss die Haftung des Tierhalters bejaht werden. Die konkrete Sorgfaltspflicht richtet sich vorab nach geltenden Sicherheits- und Unfallverhütungsvorschriften. Fehlen sowohl gesetzliche wie reglementarische Vorschriften und haben auch private Verbände keine allgemein anerkannten Vorschriften erlassen, so ist im Einzelfall auf die Sorgfalt abzustellen, die nach der Gesamtheit der konkreten Umstände geboten ist.
Im eingangs erwähnten Bundesgerichtsentscheid wurde ein fünfjähriges Kind durch ein ausschlagendes Pferd am Kopf schwer verletzt. Das weidende Tier war bloss durch ein einzelnes dünnes, elektrisch geladenes Plastikband, welches auf einer Höhe von durchschnittlich 124 cm angebracht war, eingezäunt. Zum tragischen Unfall kam es dadurch, dass das 110 cm grosse Kind ungehindert auf die Weide treten konnte.
Die Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL) hat in den Empfehlungen für die Haltung von Pferden eine Mindesthöhe von 150 cm für Umzäunungen von Pferdeweiden vorgesehen. Des Weiteren seien gut sichtbare Bänder oder Holzlatten in einem vertikalen Abstand von 40 cm anzubringen. Das Bundesgericht hielt fest, dass eine Umzäunung einer Pferdeweide eine Doppelfunktion wahrnehme. Der Hauptzweck liege darin, das Pferd am Verlassen der Weide zu hindern, zugleich soll sie aber gegen aussen signalisieren, dass es sich um ein diesen Tieren vorbehaltenes Gebiet handelt, dessen Betreten für den Menschen gefährlich sein kann.
Sorgfaltspflichten bezüglich des Haltens von Hunden sind im Kanton Zürich auf Gesetzesstufe verankert (LS 554.5). Danach sind Hunde in öffentlich zugänglichen Lokalen, in Parkanlagen und auf verkehrsreichen Strassen an der Leine zu führen. Läufige, bissige und kranke Hunde sind stets anzuleinen. Bissige Tiere haben überdies einen Maulkorb zu tragen. Fällt ein Hund eine Person oder ein Tier an, hat die Person, die die Aufsicht ausübt, ihn mit allen zu Gebote stehenden Mitteln davon abzuhalten.
Misslingt der Sorgfaltsbeweis, kann sich der Tierhalter von der Haftung gemäss Art. 56 Abs. 1 OR befreien, indem er nachweist, dass der Schaden auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt eingetreten wäre. Die Sorgfaltspflichtverletzung hat stets kausal für den Schaden zu sein.
Im oben genannten Entscheid wurde festgehalten, dass eine Umzäunung mit mehreren breiten Bändern oder Latten entsprechend den Empfehlungen des BUL den Unfall verhindert hätte, wäre ein solcher Zaun vom Kind sehr viel deutlicher als Absperrung wahrgenommen worden bzw. als Hindernis, das nur durch Unterschreiten oder Überklettern hätte überwunden werden können.
 
     
  * lic. iur., HEV Zürich  
     
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